Philipp Hochmair: "Die Wochen nach Ibizagate waren extrem geil"

Philipp Hochmair: "Gibt es auch rechte Kunst?"

Philipp Hochmair ist der Popstar unter Österreichs Schauspielern. Ein Gespräch über Protestkultur und Ibizagate, Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz.

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profil: Sie waren vor der Europawahl mit einer goldenen Flagge auf dem Heldenplatz und haben "Es lebe die Kunst" und "die Freiheit der Kunst" gebrüllt. Hochmair: Das war die Aktion "Klappe auf!" der Filmschaffenden, um Menschen zum Wählen zu animieren.

profil: Ist die Kunst nicht frei? Hochmair: Die Frage musste man sich stellen, als seltsame Figuren wie Odin Wiesinger in Gremien berufen wurden - Gott sei Dank nur kurzfristig. Wenn der Drehbuchautor Uli Brée sich einen solchen Typen, der ernsthaft Soldaten im Abendrot malt und völlig ungeniert rechtsextremes Zeug daherquatscht, für die "Vorstadtweiber" ausdenkt, sagt jeder: "Geh runter vom Gas, den nimmt dir doch keiner ab." Aber der Kunstbetrieb wurde zunehmend mit solchen Erscheinungen infiltriert. Zuerst wurden sie belächelt, dann waren sie plötzlich da und verlangten auch noch, ernst genommen zu werden.

profil: Ist jetzt die Zeit für Künstler gekommen, den Elfenbeinturm zu verlassen? Hochmair: Auf jeden Fall! Die Wochen nach Ibizagate waren extrem geil. Plötzlich fühlte es sich an, als sei ein Schleier weggezogen worden. Man konnte wieder durchatmen, die Luft war frisch. Es herrschten Euphorie und Erleichterung.

profil: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dieser Zustand nicht lange anhalten. Hochmair: Das fürchte ich auch. Im Herbst haben wir aller Voraussicht nach wieder die gleiche Farbkonstellation unter Sebastian Kurz am Ruder. Das macht tieftraurig. Leider wirkt auch die SPÖ ziemlich richtungslos.

profil: Die Grünen haben durch die Europawahl wieder Selbstbewusstsein und Aufwind bekommen. Hochmair: Das ist in jedem Fall erfreulich. Jetzt müssen sie sich inhaltlich noch was einfallen lassen. Der Klimawandel als einziges Thema ist nicht abendfüllend.

profil: Haben Ihnen die sich häufenden "Einzelfälle" der FPÖ Angst gemacht? Hochmair: Ja, sehr. Ich bin auch oft in Deutschland und Frankreich unterwegs. Man ist dort teilweise fassungslos, was da in Österreich ohne gröbere Konsequenzen durchging -egal ob es sich um Gottfried Waldhäusl, der Flüchtlinge in Stacheldrahtlagern "konzentrieren" wollte, oder um Udo Landbauer und die ungustiösen Liedtexte seiner Burschenschaft handelt. Man vergisst diese Einzelfälle leider so schnell: Kaum empört man sich, ist auch schon wieder der nächste da. Das ist alles extrem degoutant. In Deutschland wären solche Menschen auf der Stelle weg vom politischen Parkett. Da gibt es viel klarere Linien im Umgang mit allem, was mit Rechtsextremismus und Nazi-Irrsinn zu tun hat.

profil: Haben Sie in Paris die Proteste der Gelbwesten erlebt? Hochmair: Ja, ein paar Mal. Man hat den Eindruck, dass das Krawallmacher sind, die von außen gelenkt werden - mit dem Ziel, ein geeintes Europa zu zersetzen und zu zerstören.

profil: Hat die Regierung Kurz-Strache versucht, Sie nach Ihrem Erfolg als Ersatz-"Jedermann" zu vereinnahmen? Hochmair: In Salzburg nicht. Da gab es viel Euphorie aus allen Ecken. Ich wurde für meine Aktion, ohne zu proben einfach zu spielen, gefeiert wie ein Fußballheld. Aber natürlich gab es Versuche, mögliche Begegnungen zu initialisieren.

profil: Sebastian Kurz ließ Künstleressen für sogenannte Hintergrundgespräche ohne Medienbegleitung organisieren. Einige Künstler sagten diese Einladungen ab, andere wiederum waren stolz darauf, gefragt worden zu sein. Hochmair: Ich hatte auch eine solche Einladung, war aber nicht dort. Prinzipiell ist das eine gefährliche Situation. Denn natürlich sind wir Künstler von der Macht fasziniert. Wenn wir für subventionierte Institutionen arbeiten, werden wir schließlich von der Macht bezahlt. Auf beiden Seiten denkt man bei solchen Begegnungen nur daran, den größten Profit für sich herauszuholen. Alles andere wäre gelogen. Als ich beim Amadeus- Award den damals noch amtierenden Kunstminister Gernot Blümel begrüßte, meinte jemand, dass man sich als Künstler nicht so zeigen dürfe. Das finde ich dann doch absurd. Natürlich grüßte ich Herrn Blümel, das gebietet doch die Höflichkeit. Ich stelle mir immer wieder die Frage, ob es auch rechte Kunst gibt, die ernst zu nehmen ist? Oder existiert so etwas gar nicht?

profil: Wenn Sie Sebastian Kurz spielen müssten: Hätten Sie eine Ahnung, was in ihm vorgeht? Hochmair: Ein junges, gut aussehendes Gesicht, hinter dessen Fassade wahrscheinlich in Balkenlettern "Macht, Macht, Macht" blinkt. Ansonsten wüsste ich nicht, was ihn antreibt. Wahrscheinlich waren er und seine Leute ganz froh, dass die FPÖler mit dem populistischen Dreck um sich geworfen haben, da musste er sich selbst nicht die Hände schmutzig machen. Denn die beiden Fraktionen wurden sich ja zunehmend ähnlicher.

profil: Haben die beiden Ibiza-Machiavellis etwas von der Figur des Hofmannsthal'schen Jedermann? Hochmair: Auf jeden Fall! Es kam ja auch zu einer Art Tod in Form ihres politischen Untergangs. Ich fürchte jedoch, der Tod wird nur temporär sein. In Strache sammelt sich alles: die blanke Gier, die Hybris, die Rache an einer Elite, die ihn immer abgeschasselt hat. Hier liegt offenbar eine narzisstische Persönlichkeitsprägung wie aus dem Lehrbuch vor. Künstler haben durchaus auch narzisstische Anteile. Und ich weiß, wovon ich rede. Nur können wir diesen Narzissmus in Kunst umwandeln.

Philipp Hochmair, 45

Der gebürtige Wiener war jahrelang Mitglied des Burgtheater-Ensembles und des Hamburger Thalia Theaters. Mit seinem kurzfristigen Einspringen für den erkrankten Tobias Moretti in "Jedermann" machte er bei den Salzburger Festspielen 2018 Furore. Derzeit tourt Hochmair mit "Jedermann Reloaded" und seiner Band Die Elektrohand Gottes durch Österreich. Gleichzeitig steht der Wiener für die Fortsetzung der TV-Produktion "Maria Theresia" unter der Regie von Robert Dornhelm in Prag vor der Kamera und spielt einen Nazi in dem deutschen Kinofilm "Das Glaszimmer". Er wirkte außerdem in Marvin Krens "Freud"-Serie für Netflix mit.

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort