Pilz-Prozess vertagt: Schwammerlsuchen statt Urteil
Viertel nach neun Uhr morgens ist es, als der Ex-Grünen Politiker Peter Pilz vor dem Verhandlungssaal erscheint. Es geht um drei Vorfälle, die die Staatsanwaltschaft Wien zur Anklage gebracht hat. Zweimal hat Pilz als Nationalratsabgeordneter aus Unterlagen zitiert beziehungsweise diese an Journalisten weitergegeben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Der dritte Anklagepunkt betrifft eine Aussage von Peter Pilz aus dem Frühjahr 2018. Da bezichtigte Pilz das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) des „amtlichen Mordversuchs”. Das BFA wertete diese Aussage als üble Nachrede und erstattete Anzeige.
Ermittelt werden konnte aber lange nicht, denn als Mandatar im Nationalrat genoss Pilz bis zu seinem Ausscheiden im Oktober 2019 strafrechtliche Immunität. Bereits vor dem Verhandlungstermin vermutet Pilz, dass der Zeitpunkt kein Zufall sei. „Das hat bestimmt nichts mit meinem neuen Buch zu tun. Das hat bestimmt nichts mit zackzack zu tun. Das hat bestimmt nichts mit der ÖVP zu tun. Und das hat bestimmt auch nichts mit der bevorstehenden Nationalratswahl zu tun”, sagt Pilz und legt nach: „Nehmen Sie vorsichtshalber das Gegenteil an.” Ähnlich launig sollte auch die Verhandlung werden.
„Peter Pilz polarisiert, aber er wusste immer, wie weit er rechtlich gehen kann“
Bereits im Eingangsplädoyer spricht Pilz-Verteidiger Johannes Zink aus, was innenpolitischen Beobachter seit mehr als zwei Jahrzehnten wissen: „Peter Pilz hat oft die Grenzen des Erlaubten ausgereizt und dabei seine Tätigkeiten als Nationalratsabgeordneter mit vollem Herzen ausgefüllt. Ja, Peter Pilz polarisiert, aber er wusste immer, wie weit er rechtlich gehen kann“, so der Verteidiger.
EKIS-Affäre und Kampusch-Disziplinarverfahren
Die Staatsanwaltschaft sieht das aber anders. Denn: Pilz hat Inhalte aus nichtöffentlichen Verhandlungen zur sogenannten EKIS-Spitzelaffäre im Jahr 2000 – es ging um die illegale Beschaffung und die Weitergabe aus Daten aus Polizeidatenbanken – öffentlich gemacht.
„Ich habe aus Disziplinarakten zitiert und bestreite das nicht.“
Um das gleiche Delikt drehte es sich auch ein paar Jahre später, 2008, als Pilz weitere nichtöffentliche Details aus Disziplinarverfahren rund um Versäumnisse bei der Suche nach Natascha Kampusch veröffentlichte. Damit habe er gegen die damalige Fassung des Paragrafen 128 Beamten-Dienstrechtsgesetz „Ausschluss der Mitteilung an die Öffentlichkeit” verstoßen.
„Ich habe aus Disziplinarakten zitiert und bestreite das nicht“, sagt Pilz zu Richter Gerald Wagner und plädiert auf nicht schuldig. Denn, „das Beamtendienstrecht stellt für Abgeordnete sicher keine Grenze dar“, so die Verteidigungslinie von Pilz, der sich laut eigenen Aussagen auch bei den aktuellen Mandatarinnen und Mandataren im Nationalrat umgehört hat, ob diese Rechtsansicht nach wie vor die gängige Praxis sei.
Die ersten zwei Punkte sind schnell abgehandelt. Bei Wagners Frage, wie oft er mitbekommen habe, dass beim Immunitätsausschuss des Nationalrats seine Auslieferung beantragt wurde, schmunzeln nicht nur der Richter selbst, sondern auch die Beobachter. „Ziemlich oft“, meint Pilz. Ob das genauer gehe, fragt Wagner. „Das werden schon ein paar (Anträge; Anm.) pro Jahr gewesen sein“, sagt der Ex-Politiker.
Verwirrung rund um den „amtlichen Mordversuch”
Länger beschäftigt den Richter der dritte Anklagepunkt, die üble Nachrede. Und lang dreht sich die Verhandlung hier im Kreis. Es geht um ein Asylverfahren gegen einen Afghanen. Dessen Bruder wurde nicht abgeschoben, weil er zum christlichen konvertierte, er selbst schon – obwohl er laut Pilz gut integriert war. Weil die Sicherheitslage in Afghanistan aber schlecht war, und sich der Beschuldigte auch davor fürchtete, wie er es zu Protokoll gab, bezichtigte Pilz das BFA des „amtlichen Mordversuchs”.
Verwirrung im Saal
Kurzzeitig herrschte Verwirrung im Gerichtssaal: Peter Pilz bezog sich im dritten Anklagepunkt auf eine angeblich fehlerhafte Protokollierung im zweiten Asylverfahren eines afghanischen Flüchtlings, die im Vorfeld des Prozesses nie ein Thema war.
Dann entsteht Verwirrung: Laut Pilz bezieht sich die Staatsanwaltschaft auf die falschen Unterlagen. Es dauert einige Minuten, bis klar ist, worauf Pilz hinauswill: auf eine angeblich falsche Protokollierung im zweiten Asylverfahren des afghanischen Flüchtlings. Im Vorfeld des Prozesses war diese aber nie ein Thema. Auch die Staatsanwältin zeigt sich überrascht, auf ihre Nachfrage und die des Richters, weshalb er das nicht früher angemerkt hat, weicht Pilz mehrfach aus. Er habe die wesentlichen Informationen jedenfalls erst heute Morgen von der Flüchtlingshelferin des Afghanen bekommen.
Ein Urteil wurde heute nicht gefällt. Richter Wagner hat weitere Unterlagen angefordert. Der geflüchtete Afghane, der mittlerweile in Deutschland lebt, sowie seine damalige Flüchtlingshelferin sollen als Zeugen aussagen. Der Prozess wird auf unbestimmte Zeit vertagt. Peter Pilz wirkt zufrieden als er sich auf den Weg ins Wochenende aufmacht. Pilz möchte dieses auf der Alm verbringen: Schwammerl suchend.