Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Hund Kita

Warum Politiker Hunde lieben müssen

Politiker sind Menschen. Darum müssen Hunde ihre besten Freunde sein. Gernot Bauer über die unvermeidliche Tierliebe von Kurz, Strache und Van der Bellen.

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Der Grolli hatte seine Schuldigkeit getan, der Grolli musste bleiben. Jahrelang diente der kaukasische Hirtenhund als tierisches Testimonial für die menschlichen Qualitäten des früheren Kanzlers Viktor Klima. All die weitschweifigen Geschichten und rührenden Fotos im Boulevard halfen am Ende nichts. Im Februar 2000 verlor Klima seinen Job an Wolfgang Schüssel und emigrierte ein Jahr später nach Argentinien zur dortigen VW-Dependance. Grolli blieb zurück im burgenländischen Freizeitgehöft der Klimas, wo er schließlich von zwei Teufelsreportern aufgestöbert wurde. In erbarmungswürdigem Zustand, verlassen und zerzaust. Allgemeiner Aufruhr. Auch in der Politik: Im „Kurier“ meldete sich der damalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen zu Wort: „Das war die schlimmste Nachricht der Woche. So geht man einfach nicht mit Hunden um.“

Van der Bellen ist in Amtsführung und Hundehaltung dagegen ein Vorbild. Damit sie sich daheim nicht langweilt, darf Kita, 13, deutsches Drahthaar, sogar mit an Van der Bellens Arbeitsplatz in die Hofburg: als First Dog und Office-Hund. Im Fasching muss auch in einem seriösen Magazin wie profil der Hinweis erlaubt sein, dass (a) jemand mit dem Namen Van der Bellen wohl zwangsläufig Hunde mag und (b) für Van der Bellens Mitbewerber im Präsidentschaftswahlkampf, Rudolf Hundstorfer, wohl das Gleiche gegolten hätte.

Dass Spitzenpolitiker gerade Hunde mögen, ist nachvollziehbar. Auch ein Politikerjahr entspricht sieben Menschenjahren. Selbst der juvenile Sebastian Kurz wird im Kanzleramt schneller altern als am Juridicum.

Im Wahlkampf posierte der ÖVP-Sonnyboy mehrfach mit Hund und erzählte strahlend, wie gern er einen hätte. Und natürlich streichelten auch alle anderen Spitzenkandidaten – von Christian Kern bis Ulrike Lunacek – breitenwirksam Köter, ohne sich anschließend zeitnah die Hände zu waschen.

"Sturer Hund" Heinz Schaden

Von den Kollegen aus Werbewirtschaft und „Kronen Zeitung“ wissen wir, dass Nackerte, Kinder und Tiere immer funktionieren. Hans Dichand, selbst kynophil, hob sogar linke Emanzen aufs „Krone“-Cover, wenn sie mit Bello, Waldi oder Wastl posierten. Absoluter Höhepunkt der tierischen Politwerbung war ein Plakat im Jahr 2014, das den damaligen SPÖ-Bürgermeister von Salzburg, Heinz Schaden, mit seiner Berner Sennenhündin Leni zeigte. Der dazugehörige Slogan: „Ein sturer Hund, aber ein total verlässlicher.“

Rechte Politiker tun sich mit Kötern seit jeher leicht. Die FPÖ gleicht derzeit einer einzigen Hundezone. Norbert Hofer legte sich schon im Präsidentenwahlkampf gegen Van der Bellen Jessy zu. Die neue Außenminister Karin Kneissl brachte zur jüngsten Regierungsklausur in der Steiermark gleich drei überflüssige Begleiter mit: ihren Lebensgefährten und die zwei Boxer Winston und Jackie. Die drei beschäftigten einander wechselseitig – der eine passte auf die zwei anderen auf – und störten so die Klausur-Koalitionäre nicht weiter. Kneissl und ihr Chef Heinz-Christian Strache beanspruchen für sich ja jeweils, Kreiskys wahre Erben zu sein. Vielleicht hat der Neo-Vizekanzler seine Dogge deswegen auch Bruno genannt. Für ein profil-Interview nahm Strache unlängst das schmächtige Hündchen seines Pressesprechers auf den Schoß. Kreisky hielt sich weiße Boxer, insofern hat Kneissl also recht.

Dem US-Komiker und Schauspieler W.C. Fields (1880–1946) wird gemeinhin das Zitat „Wer Hunde und kleine Kinder hasst, kann kein ganz schlechter Mensch sein“ zugeschrieben. Als Politiker wäre er mit dieser Einstellung erledigt. Die Wähler verzeihen viel: Korruption, Alkoholismus, außereheliche Affären. Wer aber als Politiker vor laufender Kamera Welpen (oder kleine Kinder) tritt, hat seine Karriere verwirkt. Hunde und Kinder sind zwar nicht wahlberechtigt, ihre Besitzer aber schon. Laut Schätzungen gibt es in Österreich etwa 750.000 Hunde. Eine imposante Zielgruppe: 750.000 Wähler hätten bei der Nationalratswahl fast 15 Prozent, den vierten Platz und mehr Stimmen als NEOS, Liste Pilz und Grüne zusammen bedeutet. Eine neue Österreichische Vierbeiner-Partei wäre also durchaus nicht chancenlos. Etwa in Wien: Allein in der Bundeshauptstadt leben offiziell 55.0000 Hunde, was – rechnet man die U-Boot-Hunde dazu – in etwa dem Ergebnis der ÖVP bei der Gemeinderatswahl 2015 (77.000 Stimmen) entspricht.

Hundeparadies Wien

Hunde würden in Wien allerdings eher die SPÖ wählen. Schließlich ist Wien auch hundetechnisch die mit Sicherheit bestverwaltete Stadt der Welt. Durchschnittlich stehen einem Wiener Hund im Stadtgebiet 19,2 Quadratmeter Auslauffläche zur Verfügung. Dazu kommen 150 Hundezonen. Zur Stadthygiene tragen – theoretisch – 3164 Hundekot- sackerlspender bei. (Quellen: MA 6, MA 42, MA 48)

Keine Hundekotsackerlspender befinden sich vor oder in österreichischen Amtsgebäuden. Wo öffentlicher Parteienverkehr stattfindet, gilt hierzulande ein generelles Hundeverbot. In Amtsgebäuden ohne Parteienverkehr entscheidet die jeweilige Hausordnung. So ist etwa im Verwaltungsgerichtshof und im Bundesverwaltungsgericht die Mitnahme von Hunden verboten, es sei denn, es handelt sich um Dienst- oder Blindenhunde. Im Verfassungsgerichtshof kann dessen Präsident Ausnahmen vom generellen Hundemitbringverbot bewilligen.

Die in der Bundesverwaltung herrschende Hundeskepsis veranlasste den niederösterreichischen FPÖ-Abgeordneten Bernhard Vock 2011 zu einer Anfrageserie an alle Ministerien, ob sie sich liberalere Hundemitbringregelungen vorstellen könnten. Allgemeine Antwort der Ministerialbürokratie: nein. Ausgangspunkt für Vocks Anfragen war eine Initiative des Wiener Tierschutzvereins zur Förderung von Hunden am Arbeitsplatz.

First Dog Kita

Im Gegensatz zu den Ministerien pflegt die Präsidentschaftskanzlei einen lockeren Umgang mit Bürohunden. Laut Auskunft aus Alexander Van der Bellens Kabinett sieht die Hausordnung in der Hofburg – im Gegensatz zum Kanzleramt – kein Hundeverbot vor. First Dog Kita und ihr Besitzer verhalten sich also regelkonform. Allerdings berichtete die Wiener Gratiszeitung „heute“ im Oktober, unterfüttert mit Bildmaterial, der Bundespräsident hätte Kita beim Gassigang verbotenerweise auf Rasenflächen am Heldenplatz nebst der Hofburg geführt. Völlig gerechtfertigt warf „heute“ zwei naheliegende Fragen auf: „Hat der First Dog auch ein größeres Geschäft gemacht, ein Staatsgeschäft quasi? Und wurden die Ergebnisse davon dann beseitigt?“ Zumindest tat Kita, was auch immer sie tat, im Freien. Nemo, der Labrador-Griffon-Mischling des französischen Staatschefs Emmanuel Macron, brunzte vor einigen Monaten indoor im Élysée-Palast.

Mächtige Männer wie Macron mit Knöpfen auf dem Schreibtisch, mit denen sie Atomraketen verschicken können, wirken dank Hunden sanfter. Nemo erfüllt damit auch eine PR-Funktion. In den USA wurde die Frage, warum Donald Trump als erster Präsident seit fast 130 Jahren keinen First Dog ins Amt mitbrachte, sogar von Qualitätsmedien wie der „Washington Post“ erörtert. Sein Vorgänger Barack Obama hatte sogar zwei portugiesische Wasserhunde (Bo und Sunny) im Weißen Haus gehalten. Lässt Donald Trumps Hunde-Aversion auf Amtsunfähigkeit, Misanthropie und Menschenhass schließen? Der Sender CNN riet dem US-Präsidenten unlängst dringend, sich zum Stressabbau einen Hund zuzulegen.

Ist Alexander Van der Bellen gestresst, greift er erst zur Zigarette und vielleicht dann zur Leine. Der „Krone“ verriet der Bundespräsident in einem Weihnachtsgespräch, das von ihm zuletzt gelesene Buch handle von „einem einsamen Menschen, der mit seinem Hund alleine im Wald lebt.

Eines Tages findet er den Hund tot auf, und es beginnt ein Rachefeldzug gegen die vermeintlichen Täter.“

Dagegen ist die Geschichte vom Grolli fast ein Lustspiel.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.