CORONAVIRUS-PRESSEKONFERENZ: "AKTUELLE LAGE": ANSCHOBER

profil-Morgenpost: Achtung, Corona-Witze!

Offenbar stecken wir schon mitten in der zweiten Welle – von Corona-Witzen. Manchen Menschen mag das helfen, mich nervt es. Nicht, weil ich finde, dass man über ein tödliches Virus nicht lachen darf, im Gegenteil, ich täte das sehr gerne. Nur gelingt es mir selten.

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Ja, es gibt auch ein Bier namens Corona. Im Witz versetzt es andere Bierflaschen in Angst und Schrecken und wird auf Ebola umgetauft (höhö). Und ja, Scherze über Klopapier sind mittlerweile ein einiges Sub-Genre der Corona-Witze. Darüber zu lachen, dazu fehlt mir aber offenbar die humoristische Ausstattung.

Angefangen hat es mit Wort- und Bildspielen über das Hamstern von Klopapier (Österreich, Deutschland), Kondomen (Frankreich) oder Wein (Italien) sowie Memes von Trump und anderen alten weißen Männern, die sich gegen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus wehren. Dann, mit dem Lockdown, kamen die Scherze übers Daheimbleiben, über Einsamkeit und Gewichtszunahme. Aktuell zieht mit der zweiten Welle an Infektionen eine neue Generation von Corona-Witzen durch die Sozialen Medien.

Die Dichte an Posts, die sich satirisch mit dem Virus auseinandersetzen, entspricht der Kurve an Erkrankungen: Mit den ersten Fällen in Europa tauchten einzelne Memes auf, als die Zahl der Erkrankungen plötzlich anstieg wurden auch die Witze mehr, dann flachten beide Kurven gemeinsam ab. Seit die Neuerkrankungen wieder steigen, gibt es auch wieder mehr Corona-Witzbolde. Scheinbar hat auch der ironische Umgang mit Covid-19 einen Reproduktionsfaktor.

Klar, Humor ist in Krisenzeiten besonders wichtig, Lachen kann als Ventil dienen und zumindest für den Moment vom Ernst der Lage ablenken. Corona-Witze dienten der Bewältigung, heißt es dazu aus der Psychologie, es helfe, das Virus auszulachen. Aber was, wenn man die allermeisten Witze nicht lustig findet? Ist es nicht auch eine Belastung für die Gesundheit, wenn man permanent schlechtem Humor ausgesetzt ist?

Dabei gibt es etwas, das noch schlimmer ist als flache Corona-Witze: seichte Corona-Weisheiten. Der Planet habe uns „auf unser Zimmer geschickt“, um darüber nachzudenken, „was wir falsch gemacht haben“, war etwa während des Lockdowns auf einem Meme zu lesen. Und der ein oder andere Gartenbesitzer freute sich über die unverhoffte „Zeit der Entschleunigung“, in der man unter blühenden Obstbäumen sitzend sinnieren könne – ganz ohne Alltagsstress und Verkehrslärm. Klar, für viele brachten Lockdown und Homeoffice tatsächlich eine gewisse Ruhe. Doch in den Kommentarspalten klang das mitunter zynisch. „Die Zeiten, in denen wir uns morgens durch den Straßenverkehr drängten, mit einem viel zu heißen Espresso-to-go in der einen und dem Smartphone in der anderen Hand“, seien vorerst vorbei, stand etwa in einer bekannten Modezeitschrift. Dass die Krise für die meisten Menschen weniger eine „Chance zur Entschleunigung“ war als ein von wachsender Existenzangst geprägter Schreckmoment, will nicht in die Welt der gut gemeinten Nutze-die-Zeit-für-Yoga-Ratschläge passen. Vielleicht lesen die von Angst Geplagten keine Modezeitschriften. Wahrscheinlich gehen sie auch nicht mit einem „Espresso-to-go in der einen und dem Smartphone in der anderen Hand“ in die Arbeit.

Ich fürchte mich nicht nur vor der zweiten Welle an Neuinfektionen, der sich das aktuelle profil in seiner Titelgeschichte ausführlich widmet, sondern auch vor den Witzen, sollte es einen zweiten Lockdown geben. Ich kann die Fotos vom Zweitwohnsitz mit Garten nicht mehr sehen und die guten Ratschläge nicht mehr hören, die Zeit fürs Faszien-Training zu nutzen. Corona wird uns wohl noch lange begleiten. Das wird hart.

 

Siobhán Geets

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