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„Saufen und gangrapen“: Wie eine Facebook-Gruppe Yung Hurn bis heute nachhängt

Auf welchen Facebook-Seiten sich der Austro-Rapper Yung Hurn früher herumgetrieben hat – und was wir daraus über die aktuelle Sexismus-Debatte lernen können.

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Guten Morgen!

Haben Sie die Debatte rund um den Austro-Rapper Yung Hurn mitbekommen? Der 27-Jährige trat vergangene Woche bei der Eröffnung der Wiener Festwochen am Rathausplatz auf. Viele hätten ihn am liebsten gar nicht eingeladen, weil seine Texte sexistisch sind – hier eine Auswahl.

Nicht alle finden die Texte problematisch. Die Tageszeitung „Die Presse“ nannte Yung Hurns Musik unlängst „rotziges Imponiergehabe.“ Fast so, als stecke der kleine Schlingel noch immer in der Pubertät. Kunst sei kein „Tatsachenbericht“ heißt es in dem Kommentar weiter und Kunst dürfe auch nicht als „Handlungsanleitung“ missverstanden werden.

Ich würde der „Presse“ gerne widersprechen. Mit einem Vorfall aus meiner Studentenzeit, den damals viele, die in Wien am Wochenende auf Partys oder Konzerte gegangen sind, mitbekommen haben. Offenbar ist er in Vergessenheit geraten. Blicken wir also zurück in das Jahr 2015.

Julian Sellmeister, aufgewachsen in Wien, ist 20 Jahre alt und steht am Anfang einer erfolgreichen Rap-Karriere. Die Postleitzahl seines Heimatbezirks Donaustadt (1220) wird er sich später auf den Bauch tätowieren. In seiner frühen Jugend spielt er Fußball und bricht die Schule ab, um unter seinem Künstlernamen „Yung Hurn“ Musik zu machen. 2015 veröffentlicht er sein erstes Mixtape. Instagram war damals noch kein so großes Ding wie heute, aber die „Cancel-Culture“ gab es schon. Aufgrund einer Debatte über frauenfeindliche Postings musste ein Konzert von Yung Hurn im Club Celeste abgesagt werden. Und das kam so.

Der Österreich-Ableger des Musik-Magazin „Noisey“ plant einen Artikel über „Cloud Rap“. Verfassen soll ihn eine junge Journalistin im Rahmen ihres Praktikums. Sie ist damals 18 Jahre alt. Im Zuge ihrer Recherche kontaktiert sie eine geschlossene Facebook-Gruppe mit 793 Mitgliedern und schickt eine Presseanfrage. „Was wollt ihr mit eurer Musik und euren Styles aussagen?“ fragt sie unter anderem. Ihre Nachricht endet mit: „Ich würde mich sehr über eure Hilfe und baldige Antwort freuen.“

Der Name der Facebook-Gruppe: „Bergmoney Gang“. Darin tummeln sich junge, noch unbekannte Rapper, darunter auch Yung Hurn. Er steht am Anfang seiner Karriere, soll aber damals schon für viele ein Idol gewesen sein.

„Nicht aufhören, auch wenn sie schreit“

Die Praktikantin wird also in die besagte Facebook-Gruppe aufgenommen, in der auch Yung Hurn aktiv ist. Und realisiert: Die Inhalte drehen sich nicht nur um Musik. Sie sieht Memes von Vergewaltigungsfantasien und einen Post, in dem sie selbst namentlich genannt und als „Hure“ beschimpft wird. Noisey stellte die Screenshots daraufhin ins Netz, wo man sie bis heute lesen kann. User posten unter anderem:

„Nicht aufhören, auch wenn sie schreit und dich wegdrückt. Einfach dranbleiben, dann fängt die Magic an. Gön dir Bruda.“

„Soll mit der saufen und gangrapen“

„Sie will 1fach diesen Hurn“

„Frauen sind dumm“

Das Magazin „the gap“ veröffentlichte damals eine Stellungnahme und sprach von „halbherzigen Distanzierungsversuchen von Yung Hurn.“ Das VICE-Magazin wies darauf hin, dass Yung Hurn die Sätze zwar nicht selbst gepostet habe, aber in der Gruppe aktiv war, als die junge Journalistin „fertig gemacht“ wurde.

Für mich ist diese Geschichte mehr als eine Jugendsünde, die lange zurückliegt. Sie passiert Frauen jeden Tag und bis heute. Kaum eine Hassnachricht kommt ohne sexualisierte Gewalt aus. Nicht minder brutal sind die Texte in der Rap-Szene, in der Frauen verbal erniedrigt werden.

Wo ist die Grenze zwischen Kunst und Realität? Zum Beispiel, wenn eine Horde User in einer Facebook-Gruppe im Rap-Slang über eine junge Frau herziehen. Ist das dann auch noch ironisch gemeint? Ich kann ihnen jedenfalls sagen, wie diese Geschichte für die Praktikantin ausgegangen ist. Sie bekam, auch noch Jahre später, immer wieder Hassnachrichten.

Die Berg Money Gang gibt es übrigens bis heute. Man bereue den Vorfall aufrichtig, so ein Sprecher gegenüber profil: "Es tut uns sehr Leid, dass es damals zu der Aktion gekommen ist." Die Witze seien nicht "infantil" und "dumm" sondern schlichtweg falsch gewesen. 

Und Yung Hurn? Warum hat er sich nie aufrichtig für den Vorfall entschuldigt? Zum Beispiel, als in Deutschland eine #MeToo-Debatte im Hip-Hop losbrach. Es wäre ein guter Zeitpunkt gewesen. Yung Hurn hat immerhin eine riesige, weibliche Fanbase. Frauen stehen in der ersten Reihe und jubeln ihm zu.

Es kam anders. Bei einem ausverkauften Konzert im Wiener WUK im Jahr 2017 nannte Yung Hurn den Namen der Praktikantin öffentlich und bedankte sich bei ihr („Ich bekomme jetzt Geld!“) Kein Wort darüber, wie die junge Frau unter seinen Fans zu leiden hatte.

Franziska Tschinderle

PS:  Mittlerweile hat uns eine ausführliche Stellungnahme von der Berg Money Gang erreicht, in der ein Sprecher den Vorfall bedauert. "Dieser sexistische Müll spiegelt nicht unsere wirklichen Ansichten wider", heißt es darin unter anderem. Und: "Leider haben wir damals zunächst sehr unreflektiert reagiert, was natürlich überhaupt nicht in Ordnung war und wofür ich stellvertretend ebenso um Verzeihung bitten möchte. Mit künstlerischer Freiheit hatte das wenig zu tun."

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.