Wiener Festwochen: Die Maschine lebt!

Diese Woche nehmen die Wiener Festwochen am Rathausplatz wieder ihren Betrieb auf – ausgerechnet mit dem sexistischen Rapper Yung Hurn? Die Aufreger, Highlights und Neuerungen des traditionsreichen Festivals.

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Die Wiener Festwochen wollten nie ein elitäres Kunstevent sein. Anders als die repräsentationssüchtigen Salzburger Festspiele sollten sie ein großes Fest für alle Wienerinnen und Wiener werden. „Festwochen für den armen Jedermann“, titelte die „Wiener Presse“ 1952. In den Anfangsjahren wusste man oft nicht, wo die Kunst aufhörte und der Tourismusplan anfing. Spaziergänge durch die Stadt wurden da angeboten, ein Preis für das schönste Schaufenster vergeben, eine Blumen- und Gartenschau organisiert, ein Festwochen-Pokal am Trabrennplatz Krieau ausgetragen. Niederschwelliger geht es kaum.  

Bis auf die alljährlich pompöse Eröffnung der Festwochen auf dem Rathausplatz ist davon nichts geblieben. Nach wie treten dort jedes Jahr Acts bei freiem Eintritt auf, die mit dem inzwischen durchaus elitären Rest des Programms wenig bis nichts zu tun haben. Der feierliche Auftakt wirkt wie ein Blinddarm: Er gehört zwar zum Festwochenkörper, lebenserhaltende Funktionen erfüllt er aber nicht mehr. Er ist ein Versöhnungsangebot für eine Klientel, die den Rest des Festwochenprogramms bestenfalls vom Hörensagen kennt. 

Dementsprechend undankbar ist das Programmieren dieses Opening-Events, schließlich sollen alle Alters- und Geschmacksgruppen angesprochen werden. Ein bisschen Pop, ein wenig Ballett, Musical, Sängerknaben, Zirkus. Jede Festwochen-Leitung muss da einen eigenen Weg finden, Christophe Slagmuylder hat heuer den umtriebigen Autor und Regisseur David Schalko als Kurator beauftragt. „Last Night on Earth“ nennt sich die Eröffnung am 13. Mai, die Electronic-Altmeister Kruder & Dorfmeister fungieren als musikalische Masterminds, angekündigt werden „echt fette Visuals“. 

Ein Problem neben so viel abgeschmacktem Jugendsprech: Auch der notorische Provokateur Yung Hurn steht auf der Bühne. Die einen feiern ihn als Dadaisten, der alles bloß ironisch meint, die anderen kritisieren seine sexistischen Deutschrap-Texte. „Sie hat Wichse auf ihrem Gesicht, sie braucht Zewa (ups) / Wisch weg, weil da klebt was (wups)“, singt er in dem Song „Ponny“. Mit Zeilen wie „S-Bahn, Backjump, Hietzing / Asia-Bitch heißt Ling-Ling / Ich bin hoch, ich sing, sing / Für deine Bitch, sie rinnt, rinnt“ zeige der Wiener nicht nur sexistische, sondern erstmals auch sehr deutlich rassistische Züge, befand der Radiosender FM4 bereits 2019. Spätestens nach #MeToo wirkt Yung Hurns fragwürdige Ironie endgültig aus der Zeit gefallen. 

„Yung Hurn hat seine Karriere sprachlich auf postdigitale dadaistische Provokation des Establishments aufgebaut – sexistische, Drogen verherrlichende Sprachfetzen, die ein Publikum reflektieren kann oder nicht. Diese Schere zwischen Form und Inhalt erscheint revolutionär, dahinter versteckt sich aber in Wahrheit eine uralte Reproduktion von patriarchalen Klischees, die es schon im Rock gab“, analysiert die österreichische Musikkuratorin Marlene Engel, die seit 2021 an der Berliner Volksbühne zum dramaturgischen Team von René Pollesch gehört. „Wie sich das im Rahmen der Eröffnung des mit 40,2 Millionen Euro subventionierten wichtigsten Kunst- und Kulturfestivals der Stadt Wien auf dem Rathausplatz mit Liveübertragung im ORF dramaturgisch auflösen wird, bleibt abzuwarten.“

Zudem treten Bilderbuch auf, die Tanzkompagnie Liquid Loft wird eine Intervention absolvieren, und, um doch inhaltlich einen Bogen zu den Festwochen zu spannen, auch Schauspielerin Caroline Peters ist hier mit von der Partie. Sie bestreitet ab 2. Juni im Theater Nestroyhof Hamakom die Produktion „Die Maschine steht nicht still“ – einen dystopischen Monolog mit Videobild. Auch die schwedische Sängerin Sofia Jernberg, Spezialistin für Hymnen und Klagelieder, tritt nicht nur am Rathausplatz auf, sondern hat auch eine Festwochenproduktion im Rennen: „Hymns and Laments One“ ist ab 9. Juni im Jugendstiltheater am Steinhof zu besuchen. 

Der Belgier Slagmuylder hat ein Faible für kleinteiliges Musiktheater, schräge Liederabende und Tanz, was mitunter problematisch ist, weil kurz nach Ende der Festwochen ohnehin das große Sommerfestival ImPulsTanz startet. Schmählich vernachlässigt wurde bisher deutschsprachiges Stadttheater. Ein wenig lenkt heuer Slagmuylder ein, indem er erstmals den gefeierten deutschen Regisseur Christopher Rüping mit „Der Ring des Nibelungen“ (ab 1. Juni, Halle E) vorstellen wird. Wagners Untergangsfantasie wird da eine menschliche Utopie entgegengesetzt. Bloß: Warum hat man Rüping keine Uraufführung für die Festwochen machen lassen?

Ein Highlight ist die Produktion „L’Étang / Der Teich“ (ab 25. Mai, Jugendstiltheater Steinhof), eine Adaption von Roberts Walsers kurzem Drama, in dem ein junger Mann seinen Tod fingiert, um die Reaktionen seiner Umwelt zu beobachten. Regisseurin Gisèle Vienne verstärkt das surreale, verstörende Setting mit lebensgroßen Puppen. Der französische Filmstar Adèle Haenel („Porträt einer jungen Frau in Flammen“) spricht die Rollen der sich ungeliebt fühlenden Kinder. 

Unheimlich geht es auch bei Susanne Kennedy zu, in ihren Inszenierungen wirken Menschen wie traurige Überreste einer Welt, die von Robotern beherrscht wird. Mit „Einstein on the Beach“ (ab 10. Juni, Halle E) von Robert Wilson und Philip Glass inszeniert sie erstmals eine Oper. Von den kleineren Produktionen sollte man Mónica Calles „Só Eu Tenho a Chave Desta Parada Selvagem“ (ab 16. Juni, Jugendstiltheater) im Auge behalten. 2019 avancierte die Spanierin zum Geheimtipp des Festivals. In ihrer neuen Arbeit geht es um das Verhältnis von Körper und Musik. Erfreulich ist, dass es heuer wieder eine Festwochen-Bar geben wird: erstmals im Café-Restaurant Resselpark am Karlsplatz. In lauen Sommernächten wird man dort ab 21 Uhr endlich wieder diskutieren und gemeinsam feiern können.

Karin   Cerny

Karin Cerny