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profil-Morgenpost: Schlampige Verordnung

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Hat die Regierung aus ihren Fehlern überhaupt nichts gelernt? Dieser Eindruck entsteht, wenn man sich den Vorschlag des Gesundheitsministeriums für das neue Epidemiegesetz ansieht. Ob bei den Ausgangsbeschränkungen während des Lockdowns (teilweise verfassungswidrig) oder bei der jüngsten Verordnung zur Einreise nach Österreich (Megastau an der Grenze): die Juristen des Gesundheitsministeriums sorgen, wie Rosemarie Schwaiger im aktuellen „profil“ schreibt, regelmäßig für Chaos. Auch jetzt, beim Entwurf des neuen Epidemiegesetzes, haben Verfassungsrechtler massive Einwände.

Kurz gefasst würde es das Gesetz erlauben, die Bevölkerung zu Hause einzusperren – auch, wenn es heißt, dass ein neuer Lockdown derzeit nicht geplant sei. Immerhin das sollte wohl klar sein.

Es war ja auch nicht vorgesehen, dass die Zahl der positiv Getesteten wieder steigt. Ebensowenig dürften die Entscheidungsträger planen, Kindergärten und Schulen wieder zu schließen.

Doch so ist das eben in der neuen Welt, könnte man jetzt sagen: Im Ernstfall muss eben schnell reagiert werden.

Was das für die Bürger bedeutet? Einen massiven Eingriff ins Privatleben. Im Entwurf zum neuen Maßnahmengesetz heißt es: „Beim Auftreten von Covid-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten oder öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit geregelt werden.“

Man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass diese Formulierung ungenau und verwirrend ist. Was ist etwa der Unterschied zwischen einem „bestimmten“ und einem „öffentlichen Ort“? Können auch Wohnungen als „bestimmte Orte“ gelten? Man weiß es nicht.

Die neue Verordnung sei viel zu vage formuliert, sagt auch der Rechtsanwalt Florian Horn im profil-Gespräch. So sei fraglich, was „beim Auftreten von Covid-19“ bedeute. Denn das Virus ist sowieso nie ganz verschwunden – und wird das voraussichtlich auch so nicht so schnell.

Doch es kommt noch besser. Geplant ist auch, dass Betreiber von Gastronomiebetrieben und Veranstalter die Daten ihrer Gäste speichern sollen, um später bei Verdachtsfällen Contact-Tracing zu ermöglichen. Der Protest der Wirte ist massiv.

Die Juristen im Gesundheitsministerium, so viel ist sicher, werden den Entwurf noch einmal überarbeiten müssen. In seiner aktuellen Version klingt er, als hätten sie im Eilverfahren einen Text produziert, der später ausgelegt werden kann, wie es gerade passt. Das ist verblüffend – immerhin waren schon die Beschränkungen während des ersten Lockdowns teilweise verfassungswidrig. Viele Strafen, die damals verhängt wurden, mussten später wieder zurückgezogen werden.

Doch zum Ende noch eine gute Nachricht: Im Sommer 2021 wird die Krise vorbei und alles wieder normal sein –  zumindest, wenn man Sebastian Kurz glaubt. Woher der Bundeskanzler das weiß, bleibt sein Geheimnis. Auffällig ist jedenfalls Kurz' Wandlung: Wo er früher Schreckensszenarien an die Wand gemalt hat („Bald kennt jeder wen, der am Virus gestorben ist“), gibt er sich nun optimistisch. Das könnte dazu gedacht sein, den Menschen über die harten Wintermonate zu helfen, aber auch an den Wien-Wahlen am 11. Oktober liegen: Während das Chaos um die Corona-Verordnung an Gesundheitsminister Anschober – und damit an den Grünen – hängenbleibt, kann Kurz ein neues Narrativ einleiten: Alles wird gut.

Siobhán Geets

PS: Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.