ÖBAG-Chef Thomas Schimd medial zuletzt im Fokus

profil-Morgenpost: Thomas Schmid, ein saudischer Gärtner

Guten Morgen!

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Geschätzte Leserin, lieber Leser!

Was ist mir bei der routinemäßigen und nicht immer schmerzfreien Lektüre der gestrigen Tageszeitungen ins Auge gestochen? Sie können es nicht erraten, zumal sich die Art und Weise, wie Journalisten durch Medien pflügen, von normalem Medienkonsum deutlich unterscheiden. Es ist eher ein Suchen nach der Nadel im Heuhaufen – nein, das passt nicht zum Bild vom „Pflügen”–, also ein Suchen nach der Saat in der Ackerfurche, als dass es dem alltäglichen Auffüllen unseres Informationstanks diente. Informiert im oberflächlich-klassischen Sinne sind wir ohnehin, wenn nicht sogar zugeballert vom immerwährenden Nachrichtenbeschuss.

Jedenfalls: Mir fiel ein gerahmter Text auf, nur fünf mal vier Zentimeter groß, an der linken unteren Ecke auf einer Seite des „Standard”. Offensichtlich eine entgeltliche Einschaltung, also ein Inserat, und mit folgendem, sehr kleingedruckten Text: „Öffentliche Ausschreibung für die Durchführung von allgemeinen Putz- und Wartungsarbeiten, sowie allgemeinen Gartenarbeiten inklusive Insektenbekämpfung im Botschaftsgebäude der Botschaft des Königreichs Saudi Arabien in Wien. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen sind in der Botschaft gegen eine Gebühr von Euro 100.- erhältlich.”

Ich will hier keinesfalls Platz schinden, da es ja keine Last ist, eine Morgenpost zu schreiben, sondern ein Vergnügen. Dennoch gestehe ich, dass ich zu diesem Inserat keine Fragen habe, keine Antworten, keine Erklärungen. Wir könnten es also bei der offensichtlichen Skurrilität der Einschaltung belassen – und Sie könnten sich denken, dass der profil-Herausgeber vom Medienkonsum tatsächlich sehr gelangweilt sein muss, wenn ihm unter den zigtausenden Buchstaben aller österreichischen Zeitungen nur jene in Erinnerungen geblieben sind. Oder ich erzähle Ihnen doch von zwei Assoziationen, die ich hatte.

Erstens: Offensichtlich muss sich selbst das Königreich Saudi Arabien an gesetzliche Vorgaben halten. Zum Beispiel wenn es Aufträge vergibt, auch wenn sie noch so klein sind – daher eine öffentliche Ausschreibung. Dabei drechseln die saudischen Juristen dann Texte, die in Verschwurbelung, Detailverliebtheit und Unverständlichkeit für die Zielpersonen (zum Beispiel für einen potenziellen Gärtner) an all das erinnern, was österreichische Juristen in den vergangenen Monaten zu, für und gegen Corona als Gesetze und Verordnungen (zum Beispiel für den durchschnittlichen Mann, die durchschnittliche Frau auf der Straße) produziert haben. Diese Rechtsschöpfung beherrschte gestern – anders als das kleine Inserat – die Tageszeitungen: Der Verfassungsgerichtshof hat große, wichtige, zentrale Teile der Bestimmungen wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben.

Meine zweite Assoziation: Möglicherweise hat die saudische Botschaft längst einen Putzer, Warter und Gärtner im Auge (oder sie will den derzeitigen behalten), der einem heimlich gehegten Anforderungsprofil entspricht. Daher vielleicht die wirklich lustige und für eine Bewerbung prohibitive Anmerkung, man müsse 100 Euro auslegen um „die allgemeinen Geschäftsbedingungen” (für das halāl-gemäße Mähen eines Rasens?) zu erhalten. Das wiederum hat mich an eine andere größere Geschichte im dieswöchigen Nachrichtengetöse erinnert: an die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef, also zum Herrn über die wichtigsten Unternehmensbeteiligungen der Republik. Da hatte die Republik von vornherein auch einen bestimmten Gärtner im Auge, der den Job bekommen sollte: nämlich eben diesen Thomas Schmid, den Diener vieler Herren im Finanzministerium. Und um sicherzustellen, dass Schmid den Posten auch wirklich erhält, durfte er sogar selbst beim Ausschreibungstext Hand anlegen.

Falls Sie dennoch Interesse an der Arbeit in der saudischen Botschaft haben: Der letzte Einreichungstermin ist der 14. 8. 2020.

Einen schönen Tag wünscht Ihnen,

Christian Rainer
Herausgeber und Chefredakteur

PS: Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie sich von einem Newsletter auf jeden Fall erwarten? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.

Christian   Rainer

Christian Rainer

war von 1998 bis Februar 2023 Chefredakteur und Herausgeber des profil.