Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)

Der Meister der Beharrung: Rudolf Anschober im Porträt

Der Grüne Rudolf Anschober wird als Meister der Beharrung geschätzt und gefürchtet. Wer ist der Oberösterreicher, der als Gesundheitsminister in Zeiten von Corona durchstartet? Die Spurensuche führt zurück zu seinen politischen Anfängen.

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Anmerkung: Dieser Artikel erschien ursprünglich in der profil-Ausgabe 11 / 2020 vom 8.3.2020.

Vor einem Monat im Haus der Barmherzigkeit in Wien-Ottakring: Das Corona-Virus ist noch weit weg. Am Podium drängen sich Mikrofone und Aufnahmegeräte, die Kameraleute haben sich postiert. Es geht um Pflege. Die Sprecherin des Gesundheitsministers erzählt zur Einstimmung eine persönliche Geschichte und gibt an ihren Chef weiter -"Rudolf Anschober","für viele auch Rudi Anschober". Der Angesprochene, der noch seine Unterlagen ordnet, murmelt: "Er ist immer derselbe. "

Die kleine Szene ist bezeichnend. Eine Woche zuvor hatte Gottfried Hirz, Klubobmann der oberösterreichischen Grünen, seinen langjährigen Weggefährten im Linzer Landtag mit den Worten verabschiedet: "In Wien bist du jetzt der Rudolf Anschober, aber in Oberösterreich wirst du immer der Rudi bleiben."

Woher kommt der 59-jährige Grüne, der als Corona-Krisenminister im Bund durchstartete? Wer war er in den 1980er-Jahren in Schwanenstadt, wo seine politischen Anfänge liegen? Ist er 40 Jahre später noch derselbe?

Pressekonferenzen, Arbeitsgespräche, Gipfel

"Gespräche, Gespräche, Gespräche", hatte Anschober am 7. Februar im Haus der Barmherzigkeit versprochen. Er werde mit mobilen Pflegerinnen mitfahren, stationäre Einrichtungen in den Ländern abklappern, sich mit Bewohnern und Patienten, mit Pflegerinnen und Ärzten austauschen. Das war, bevor der Erreger SARS-CoV-2 im italienischen Norden auftauchte und sich kurz darauf in Tirol zwei Erkrankungen bestätigten. Seither jagen einander Pressekonferenzen, Arbeitsgespräche und Gipfel mit europäischen Amtskollegen. Noch ist unklar, ob es gelingt, die aufkeimende Pandemie niederzuhalten.

Die Regierung blickt der Gefahr so demonstrativ entschlossen wie geschlossen ins Auge, Regierungschef Sebastian Kurz stets voran, flankiert von Innenminister Karl "Der Einsatzstab tagt in Permanenz"-Nehammer und Gesundheitsminister Rudolf "Die nächsten Wochen entscheiden, wir sind vorbereitet"-Anschober. Vergangene Woche spitzte sich auch noch die Lage der Flüchtlinge an der türkischgriechischen Grenze zu. In die perfekt orchestrierten Auftritte mischten sich vernehmliche Dissonanzen. Gegen das Corona-Virus konnte Türkis-Grün "wie ein Mann" ausrücken, nicht jedoch gegen verzweifelte, frierende Menschen, die an die Festung Europa klopfen. Anfang vergangener Woche hatte Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler dafür plädiert, notfalls Frauen und Kinder ins Land zu holen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen pflichtete bei. Anschober schloss sich "zu 100 Prozent an": Seine Partei sei in dieser Frage mit der ÖVP uneins, "und das kann man so stehen lassen".

Wer Anschobers Büro am Wiener Stubenring kennt, der weiß, das ist nicht bloß so dahingesagt. Eindrückliche moderne Kunst sucht man vergeblich. Als profil den Sozial-und Gesundheitsminister vor zwei Monaten interviewte, schien sich hier gerade jemand einzurichten, der es nicht darauf anlegte, Besuchern ein "Wow!" zu entlocken. Eher schien sich hier jemand seiner eigenen Anliegen zu vergewissern: Über dem Schreibtisch das Foto der siebenjährigen, in einer Wasserfontäne tanzenden Dunja. Es entstand an einem brütend heißen Tag des Sommers 2015, als die Feuerwehr in Feldkirchen an der Donau Flüchtlingskindern ein wenig Kühlung verschaffte. Vis-à-vis ein gerahmtes "Falter"-Cover. Die Wiener Stadtzeitung hatte Anschober 2018 für seine Lehrlingsinitiative "Ausbilden statt Abschieben" zum Menschen des Jahres erkoren. Im halbleeren Bücherregal "Das Grüne Wirtschaftswunder", für das Anschober 2011 einen deutschen Preis bekam. Und auf einem Podest ein grüner Sessel.

Anspruch, zu gestalten

Natürlich nicht irgendeiner. Mit diesem Sessel hatten die oberösterreichischen Grünen im Wahlkampf ein Regierungsamt angestrebt. Erfolgreich. 2003 wurde Anschober Landesrat. Seither schleppt er das Möbelstück wie einen zu groß geratenen Glücksbringer überall mit hin. Es symbolisiert seinen Anspruch, zu gestalten. Glaubt man Gottfried Hirz, einem seiner langjährigen Vertrauten, wollte Anschober das bereits zu einer Zeit, als viele Grüne vor allem protestierten. Hirz, der heute den Landtagsklub führt, traf "den Rudi" in den frühen 1980er-Jahren in Schwanenstadt. Anschober war hier als Sohn eines ÖVP-Stadtrats und Schuldirektors aufgewachsen und in die beruflichen Fußstapfen seines Vaters getreten. Er begann als Springer, unterrichtete ein paar Wochen in Ungenach, danach in Schwanenstadt, in Timelkam und in Schörfling, schließlich einige Monate am Attersee. Als er 1984 fix an der Volksschule in Bach zu arbeiten anfing, benotete er alle Kinder seiner Klasse mit "sehr gut". Im Konferenzzimmer gingen die Wogen hoch.

Hirz unterrichtete in der Hauptschule nebenan. Er stammte aus Linz. Doch weil im Nachkriegs-Proporz Junglehrer, die sich weder dem christlichen noch dem sozialistischen Gewerkschaftslager anschlossen, automatisch versetzt wurden, fand er sich - "ziemlich unglücklich" - im Hausruckviertel wieder. Politisch erwies sich die behördliche Disziplinierung jedoch als Glück im Unglück. In Schwanenstadt war 1979 mit der "Partei für Umweltschutz und Menschlichkeit" (PUM) ein früher Vogel der Grünbewegung in den Gemeinderat gekommen. Laut Hirz sammelten sich hier "Grüne, die gar nicht wussten, dass sie Grüne sind, weil es den Namen noch nicht gab". Bald kristallisierte sich "um die PUM herum" eine bunte, alternative Szene heraus. Man lief sich über den Weg. Anschober stand bei PUM-Faschingsfesten auf der Bühne oder half an der Bar aus.

Am 5. November 1982 pilgerten Anschober und Hirz nach Graz, wo sich die Alternative Liste Österreich gründete. Hirz sagt, er sei frustriert zurückgekehrt, überzeugt, dass aus dem zersplitterten Haufen "nie im Leben eine Partei wird", während Anschober schon damals "ungebrochen optimistisch nach vorn geschaut hat". In Oberösterreich, wo sich das Spektrum von extrem rechten Umweltschützern bis zu linken Fundis erstreckte, zog sich das Ringen um politische Strukturen lange hin. Anschober trat als Fürsprecher einer Grünen-Einigung auf und drängte, die ökologisch und die sozial motivierten Flügel zusammenzuführen. Bei allen Realo-Fundi-Zerwürfnissen, die in der wechselvollen Geschichte der Grünen noch folgten, verhielt er sich abwartend. Er selbst hatte sich zunächst in einer Friedensgruppe in Schwanenstadt engagiert und als Laiendarsteller in gesellschaftspolitischen Stücken mitgespielt. Nun mobilisierte er - gemeinsam mit Hirz -gegen die örtliche Waffenfabrik Arges, für die Friedensmärsche in Wien, gegen die Rodung der Hainburger Au, gegen die Stationierung von Atomraketen in Westdeutschland - und gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf im benachbarten Bayern, wo Franz Josef Strauß mit eiserner Hand regierte.

"Notwehr gegen Temelin"

Zu Ostern 1986 mischten sich in Wackersdorf gewaltbereite Autonome unter die 100.000 Demonstranten. Strauß, der das Budget für die Polizei massiv aufgestockt hatte, schickte Hundertschaften mit Maschinengewehren, Wasserwerfern und Hunden los. "Wir haben gedacht, da bauen wir jetzt Tipis, wie in Hainburg, und dann hat die Polizei angefangen Bäume umzuschneiden, auf denen noch Leute gesessen sind", sagt Hirz. Auch Anschober blieb die "erstaunliche Erfahrung in Erinnerung, wie hart ein Staat auf seine eigenen Bürger losgeht". Wochen später explodierte in Tschernobyl ein Reaktor. Anschober erhielt den Hinweis, dass in der Tschechoslowakei ein riesiges Atomkraftwerk entstehen soll. Im westlichen Medien war darüber nichts zu erfahren. Gemeinsam mit Hirz fuhr er los, um hinter dem Eisernen Vorhang das ominöse Temelin zu suchen. Sie stießen auf eine gigantische Baustelle, schossen mit einem Teleobjektiv heimlich Bilder davon und schmuggelten sie außer Landes. Die Anti-Atom-Bewegung ließ Anschober nicht mehr los. Er gründete die Initiative "Notwehr gegen Temelin".

Vormittags stand er brav im Klassenzimmer, in der Freizeit schrieb er Presseaussendungen und verfasste Aufdeckergeschichten, die unter Pseudonymen erschienen, weil er als Lehrer nicht in Erscheinung treten durfte. Erst als die Grünen 1986 im Parlament landeten und er in Oberösterreich Landessprecher wurde, gab er das Unterrichten auf. Vier Jahre später legten die Grünen im Bund auf zehn Mandate zu. Anschober wechselte in den Nationalrat. Es folgten "lehrreiche Jahre, in denen ich mir einiges von Leuten wie Peter Pilz abschauen konnte", sagt er. Pilz hatte sich zur Verstärkung seiner parlamentarischen Arbeit Rudi Leo geholt, Gründer des Vereins "Bürger beobachten die Polizei". Leo dokumentierte 100 Fälle von Polizeigewalt und bereitete damit den Boden für Anschobers erstes Buch auf. Es hieß "Die Prügelknaben der Nation" und erschien 1995. Ein halbes Dutzend Bücher folgten.

In Oberösterreich waren die Grünen immer noch eine außerparlamentarische Partei. 1997 wurde hier gewählt. Anschober kehrte aus Wien zurück, um die Hürde in den Landtag zu überspringen. Die Übung gelang, nicht zuletzt, weil die Auseinandersetzungen um das Kraftwerk Lambach die Umweltbewegten einten. 2003 stand die nächste Etappe an. Die oberösterreichischen Grünen verspürten nun Lust mitzuregieren. Die Öko-Partei hatte ordentlich zugelegt (auf 9,1 Prozent), dazu kam, dass bei den schwarz-roten Regierungsverhandlungen der Wurm drin war. Landeshauptmann Josef Pühringer wagte die erste schwarz-grüne Koalition Österreichs, nachdem er die eigenen Reihen überzeugt hatte, "dass es der ÖVP nicht schadet, wenn sie ökologischer wird, und den Grünen nicht, wenn sie ökonomischer werden". Die Allianz lief nicht immer friktionsfrei, hielt aber zwölf Jahre. So hasste Pühringer die Windkraft. "Lasst mich mit euren Vogelhäckslern in Ruhe", pflegte er zu poltern. Auch beim Straßenbau war man notorisch uneins. Pühringer: "Gott sei Dank haben wir uns durchgesetzt, Oberösterreich wäre ohne die Phyrnautobahn ins Verkehrschaos gestürzt."

Bis heute fühlt sich Pühringer von dem Sessel, mit dem Anschober vor 17 Jahren in das Landhaus einzog, "an den roten Sessel von Möbel Lutz" erinnert. Anschobers Faible für "runde Tische" stellte die Geduld der ÖVP, die das Land seit Ende des Zweiten Weltkrieges durchgängig regierte, auf harte Proben. "Ein berühmter Spruch von Anschober war: 'Na, ich möchte das noch einmal abklopfen.' Ich gebe zu, dass in solchen Prozessen Geduld nicht meine Stärke war ", erzählt Pühringer. Das Anschober'sche Credo -"Gespräche, Gespräche, Gespräche" - konnte fallweise sogar Mitarbeiter fassungslos machen. Rudi Leo, von 2008 bis 2013 Anschobers Pressesprecher, erinnert sich: "Er war sogar auf Reden aus, als Anti-Atom-Aktivisten unser Büro besetzten und uns beschimpften. Ich hätte längst aufgegeben." Anschober gilt als fleißig. "Kein Tag ohne Anschober-Pressekonferenz", stöhnten Journalisten.

"Ein pragmatischer Humanist"

In der NGO-Szene steht der Grüne im Ruf, sich für Anliegen in der Bevölkerung ernsthaft zu interessieren. Mit vielen - etwa der Kosovarin Arigona Zogaj, die sich im Herst 2007 vor der Polizei versteckte, um ihrer Abschiebung zu entgehen - blieb er bis heute in Kontakt. "Anschober hält große Stücke auf die Sozialpartnerschaft, fasst sie aber so weit, dass die Zivilgesellschaft darin auch Platz hat", sagt Christian Schörkhuber, der die Flüchtlingshilfe der Volkshilfe in Oberösterreich leitet: "Vor allem die Betroffenen gehören dazu." In seinem früheren Leben war Schörkhuber Vorsitzender der Sozialistischen Jugend. Anschober kennt er noch aus dieser Zeit. Wie ordnet er ihn ideologisch ein? Schörkhuber: "Wenn er in einer Weltanschauung gefestigt ist, dann im Humanismus. Das macht ihn für mich zu einer Persönlichkeit. Ich habe viele erlebt, die einmal links waren und sich in der Politik verändert haben. Er nicht." Der Wiener Grüne Niki Kunrath präzisiert: "Ein pragmatischer Humanist. Er fragt sich wirklich: Was bringt das für die Sache, nicht nur, was bringt es für die Grünen?"

Im Herbst 2012 verließ den Grünen-Landesrat die Kraft. Nun war er selbst ein Betroffener. Er redete offen darüber. "Ich rede über Grippe oder ein gebrochenes Bein, warum nicht über Burn-out?", habe er sich damals gesagt. Natürlich sei ihm mulmig dabei gewesen, öffentlich an dem Tabu zu rühren. Verkriechen war jedoch keine Option. Er saß eine Viertelstunde im Büro des Landeshauptmanns - "Sepp, tust du mir einen Gefallen?" - und war für drei Monate weg. Die Lektion aus der Krise habe er nicht vergessen, erzählte er kürzlich Claudia Stöckl in der Ö3-Sendung "Frühstück bei mir":"Ich achte seither auf die Balance zwischen dem, was an Energie hereinkommt, und dem, was ich abgeben kann. Wir sind ja keine Maschinen, wir sind Menschen." Jeden Morgen Qi Gong, ab und zu daheim arbeiten und abends kochen, drei bis vier Mal in der Woche laufen.

Pühringer führte vorübergehend Anschobers Geschäfte. Der Grüne rechnet es seinem Ex-Koalitionspartner bis heute hoch an, dass er die Lage nie ausnützte. Letztlich stimmte zwischen dem gelernten Religionslehrer und dem Lehrerkind aus Schwanenstadt die Chemie. Das änderte sich auch nicht mit Anschobers Wechsel in den Bund. Als der Grüne am 7. Jänner angelobt wurde, war der Erste, der sich mit Glückwünschen per SMS einstellte, der Alt-Landeshauptmann von Oberösterreich. Pühringer erzählt, er habe seinem Ex-Landesrat "gratuliert und gesagt, dass ich ein bisschen stolz bin: Immerhin habe ich ihn ordentlich geschliffen." Anschober räumt ein, von Pühringer "viel vom Handwerk des Regierens und Umsetzens" mitgekriegt zu haben. 2015 aber war selbst Beharrungsmeister Anschober knapp davor, alles hinzuschmeißen. Nach der Landtagswahl im Frühherbst, als Zehntausende Flüchtlinge Richtung Deutschland zogen, legte die FPÖ beträchtlich zu, die ÖVP stürzte um zehn Prozentpunkte ab. Anschobers Bemühungen, eine Allianz aus SchwarzRot-Grün einzufädeln, scheiterten. Pühringer stand parteiintern unter Druck, mit der FPÖ zu koalieren. Anschober verlor die Energie-Agenden - sein Steckenpferd - und sollte Asyl und Integration übernehmen .

Unerschütterlicher Optimist

Mission impossible. Unter einer schwarz-blauen Koalition eine grüne Handschrift durchzusetzen, schien Anschober zu viel der Herausforderung. "Er war ordentlich angefressen, konnte sich aber schlecht wehren, nachdem er vorher ständig öffentlich erklärt hatte, was wir bei den Flüchtlingen alles falsch machen", erinnert sich Pühringer. Die NGO-Szene signalisierte: Rudi, übernimm! Der Grüne biss die Zähne zusammen. Die Zahl der Asylwerber ging zurück. Die ÖVP ließ den Grünen, der für jeden Antrag über 25.000 Euro eine Regierungsmehrheit brauchte, so gut wie nie anrennen. Es wäre nicht Anschober, hätte er der vermeintlich aussichtslosen Lage nicht eine Chance abgetrotzt. Er setzte die Lehrlingsoffensive "Ausbilden statt Abschieben" auf, holte ÖVP-Granden wie Christian Konrad und Erwin Pröll an Bord und brachte eine Gesetzesänderung durch. Sein unerschütterlicher Optimismus - "Wenn man dem Rudi von fünf Häferln vier wegnimmt, sagt er immer noch, dass man ihm nicht alle weggenommen hat", so ein Wiener Grüner - hatte die Oberhand behalten.

Spätestens seither wird Anschober als "Mann für schwierige politische Konstellationen" gehandelt. ÖVP-Klubobmann August Wöginger, selbst gebürtiger Oberösterreicher, lief dem Grünen in den vergangenen Jahren oft bei Veranstaltungen und Eröffnungen von Altstoffsammelzentren über den Weg. Näher kennen lernte man sich bei den türkisgrünen Sondierungsgesprächen. "In Oberösterreich hätte ich gesagt, er ist ein bürgerlicher Grüner, jetzt auf Bundesebene würde ich sagen, er ist breiter aufgestellt", sagt Wöginger. Aus Anschobers Umfeld heißt es, er habe nicht gerade einen Luftsprung vollführt, als Grünen-Chef Kogler ihm das ausgeräumte Sozial- und Gesundheitsressort antrug. Doch für das türkis-grüne Experiment waren Leute mit Erfahrung dringend gefragt. Der Appell fruchtete.

Am 21. Jänner fährt Anschober mit dem Zug zu einer Lehrlingskonferenz nach Linz. Als Landesrat hätte er sie moderiert, als Ex-Landesrat sitzt er auf einem Ehrenplatz in der ersten Reihe. Flüchtlingshelfer aus allen Bundesländern reisten an, in den Sesselreihen sieht man die Gesichter junger Afghanen , Pakistani und Syrer. Anschober spricht ein paar Grußworte: Man habe "viel geschafft, aber es wären nicht wir, würden wir nicht weiter kämpfen". Initiativen wie "Ausbildung statt Abschiebung" würde es weiter brauchen. Die Botschaft: Auf mich könnt ihr immer noch zählen. Nach der Veranstaltung wird im Nebenraum ein Buffet eröffnet. Anschober kommt nicht zum Essen. Er ist im Nu umringt. Ein Asylwerber aus Pakistan ist verzweifelt. "Servus, erzähl!", sagt der Minister.

Er wird an diesem Abend noch lange im Redoutensaal stehen und mit Betroffenen reden. "Typisch Rudi", kommentiert ein NGO-Vertreter. Vielleicht hat Anschober ja recht: "Er ist immer derselbe."

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges