Sebastian Kurz, geladen im U-Ausschuss

Der ehemalige Kanzler und ÖVP-Chef sagte im Untersuchungsausschuss wenig. Atmosphärisch sagte das viel.

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Dass Sebastian Kurz nicht mehr dazugehört, merkt man vor allem in den Pausen. Wenn die Befragung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss kurz unterbrochen wird, steht er abseits da. Er zupft dann sein Sakko zurecht,  gestikuliert mit seinem Anwalt, Werner Suppan. Er schlendert zu den Schreibtischen der ÖVP-Fraktion und plaudert mit dem Abgeordneten Andreas Hanger. Wenn Zeit bleibt, spaziert er mit Mandatar Friedrich Ofenauer aus dem Ausschusslokal nach draußen. Kein Trubel um ihn herum, kein Tross aus Mitarbeitern. Den Medien nickt er im Vorbeigehen zu und fragt: „Und, spannend?“

Die Frage ist rhetorisch. Kurz sieht die Befragung im ÖVP-Untersuchungsausschuss als lästige Unterbrechung seiner Freizeit als Privatmann und seiner Tätigkeit als Unternehmer. Seit seinem Rücktritt im Vorjahr, zuerst als Regierungschef, dann als ÖVP-Obmann, wählt Kurz seine öffentlichen Auftritte sorgsam aus. Die Ladung ins Parlament konnte er zwar nicht ausschlagen. Es soll aber offenbar so wenig wie möglich übrig bleiben, inhaltlich und optisch. Kurz verweigert Fotos im Ausschusslokal – eine Möglichkeit, die eigentlich für unbekannte Auskunftspersonen geschaffen wurde. Nach sechs Stunden verlässt er den Saal, ohne mit den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Klubs ein freundliches Wort gewechselt zu haben (einzige Ausnahme ist FPÖ-Mann Christian Hafenecker) – das Handy am Ohr, den neuen ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker an der Seite.
 

Dazwischen fragt man sich, wie FPÖ und Grüne jemals mit der ÖVP unter Kurz koalieren konnten. Es wirkt länger her, als es eigentlich ist: Nicht einmal ein Jahr bei den Grünen, nicht einmal vier bei den Freiheitlichen. Jetzt verbringt Kurz den Tag in einem Raum mit rund 40 Menschen, die er nicht ausstehen kann. Und umgekehrt. Die gemeinsame Abneigung verbindet an diesem Tag sogar die FPÖ mit den anderen Klubs. Die Befragung dauert erst wenige Minuten, da steht Stephanie Krisper von den NEOS schon erschöpft auf. Ihr Mitarbeiter bietet den Grünen Schokolade als Nervennahrung an. SPÖ-Mandatarin Julia Herr greift sich an den Kopf.  

Hier läuft das Spiel, wer die Befragung am stärksten beeinflussen oder behindern kann. Mitarbeiter aus den Klubs stehen mit dem Handbuch für Untersuchungsausschüsse im Saal und zeigen auf Passagen. Die ÖVP will den Fragefluss unterbrechen, damit Kurz nicht zu oft antworten muss. Wenn er es doch tut, dann ausschweifend, ohne ins Detail zu gehen. Nach vier Stunden Fragezeit – netto, ohne Stehungen – ist die Anwesenheitspflicht beendet. „Die Auskunftsperson filibustert hier“, ruft Jan Krainer von der SPÖ aus der letzten Reihe hervor, wenn Kurz zu lange spricht. „Ich frage mich, wo in der Geschäftsordnung steht, dass die Auskunftsperson nur eine Antwort geben darf, die dem Abgeordneten Krainer passt“, antwortet Stocker. Als Generalsekretär ist es auch seine Aufgabe, ehemalige Parteichefs zu verteidigen.

Stellenweise verweigert Kurz die Aussage, weil gegen ihn in der Umfrageaffäre und wegen mutmaßlicher Falschaussage im U-Ausschuss ermittelt wird. Dann provoziert ihn Krisper: Sie verlangt von ihm, jedes Mal die Paragrafen für die Entschlagung zu zitieren. Kurz, sichtlich genervt, liest dann von einem Zettel ab. Sein Anwalt hat ihm die paar Zeilen zuvor auf einen Zettel geschrieben.

Es ist ein unbefriedigendes Wiedersehen, auch wenn niemand hohe Erwartungen hatte. Bald soll das nächste folgen: Die Zeit reicht nicht für die Fragen von Grünen und FPÖ.
Die nächste Ladung für Kurz, jetzt Privatmann und ehemals Kanzler, ist schon in Vorbereitung.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.