Wer wird Vizebürgermeisterin?
Es ist Mittwochnachmittag, Wiener Rathaus, zweiter Stock, Klub der Neos. Arapović hat ein enges Zeitkorsett, die Neuauflage der Koalition zwischen der SPÖ und den Neos soll in den kommenden Wochen stehen. Bei der Gemeinderatswahl am 27. April verlor die SPÖ vergleichsweise wenig und kam auf 39,4 Prozent. Die Neos erreichten mit zehn Prozent ihr bisher bestes Ergebnis. Trotz der Verhandlungshektik wird Arapović ihrem Ruf gerecht: Sie redet und erklärt ruhig, lässt sich mit einem strahlenden Lächeln für Social Media filmen, wo sie zuletzt auch recht staatstragend Sujets postete mit der Zusicherung: „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen!“
Nachdem Bildungsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr am 3. März als Minister das Bildungsressort übernommen hatte, wussten nicht einmal eingefleischte Politikexperten so recht zu sagen, wer denn nun der Spitzenkandidat der Wiener Neos bei der Gemeinderatswahl am 27. April sei. Sie war jedoch nicht die einzige Spitzenkandidatin der Neos – was für die Verwirrung vor der Wahl sorgte und nach der Wahl die Frage nach der künftigen Machtverteilung bei den Neos bestimmt.
Denn mit Arapović ging auch Bettina Emmerling ins Rennen, langjährige Bildungssprecherin der Wiener Neos und Wiederkehrs interimistische Nachfolgerin auf dem Stadtrats- und Vizebürgermeisterposten. Arapović, bislang einfache Gemeinderatsabgeordnete, wurde Klubchefin. Sie genießt jedoch innerhalb der Wiener Neos mehr Zuspruch als Emmerling. Zumindest zeigten dies die Ergebnisse der Listenerstellung für die Wien-Wahl vergangenen Februar. Damals bekam Arapović von der Neos-Basis nach ihrem ausgetüftelten Wahlsystem um 15 Prozent mehr Unterstützung als die zweitplatzierte Emmerling. Bei der Wien-Wahl jedoch kam Emmerling mit 1437 auf mehr Vorzugsstimmen als Arapović (sie hatte 1177).
Keine politische Allrounderin
„Arapović hat etwas Michael-Ludwig-Mäßiges“, sagt einer ihrer Kollegen, „sie ist gerne mit der Basis und genießt das sichtlich. So konnte sie die vielen Stimmen innerhalb der Partei auf sich vereinen.“ Die Architektin hat jedoch, wenn man so will, einen politischen Makel: Sie sei zuweilen noch nicht trittfest bei anderen Themen als ihrem, heißt es vielerorts. Sie sei keine politische Allrounderin und vor allem – im Gegensatz zu Emmerling – nicht auf das Thema Bildung gebucht. Und das ist, sowohl in der Wiener Stadtregierung als nun auch in der Bundesregierung, das Hauptthema der Neos.
Dabei sei Bildung das, was sie an den Neos inspiriert habe, sagt sie. Lange klassische Wechselwählerin, deren Ziel es immer gewesen sei, die FPÖ zu schwächen, wählt sie im Jahr 2013 die Neos, die es damals ins Parlament schaffen. Ihr politisches Engagement beginnt mit einem Mail an die Neos in der Wiener Leopoldstadt, wo sie mit ihrer Familie wohnt.
Ohne Bekenntnis
Sie wächst im oberösterreichischen Lohnsburg auf, später studiert sie Architektur in Graz. Dass ihr Vorname unter bosnischen Musliminnen verbreitet ist, heißt nicht, dass sie selbst Muslimin ist. „Ich bin ohne Bekenntnis“, sagt sie. Religiöse Themen haben in ihrem Leben keine allzu große Rolle gespielt. „Meine Familie hat Silvester gefeiert, den 1. Mai und den 8. März, den internationalen Tag der Frauen. So wie ich mich zu Österreich bekenne, bekenne ich mich auch zu Bosnien, zu Teilen Kroatiens und auch Serbiens.“ Die Frage nach der Religion sei ein schmaler Grat und generell etwas Persönliches, sagt sie, „genauso wie die Frage nach der sexuellen Orientierung“. Sie beantworte sie deswegen nur zögerlich.
Trotz ihrer persönlichen Erfahrung und der Empathie für das Thema Flucht und Migration, die ihr allseits zugeschrieben wird, könnte man ihren Zugang zuweilen auch als etwas geschäftsmäßig interpretieren: Sie befürwortet das geplante Kopftuchverbot für Mädchen ebenso wie den Stopp des Familiennachzugs, den die schwarz-rot-pinke Koalition im Bund beschlossen hat. „Ja, ein vorläufiger Stopp war aus unserer Sicht notwendig – nicht, weil wir gegen Familienzusammenführung sind, sondern weil dadurch Städten und Gemeinden Integration ermöglicht wird.“ Gerade Wien sei an seine Grenzen gestoßen, deshalb brauche es eine Residenzpflicht.
Selma Arapović sagt, sie sei nicht nur Migrantin, sondern auch Mutter zweier Kinder, als Architektin oft auf der Baustelle, Planungssprecherin. Viele verschiedene Themen und Bereiche beschäftigen und interessieren sie. „Herkunft“, sagt sie, „sollte eigentlich nicht so ein großes Thema sein.“