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Spionageverdacht: Welche Daten TikTok tatsächlich sammelt

Immer mehr Länder und Institutionen verbieten ihren Mitarbeitenden TikTok auf dem Diensthandy. Österreich evaluiert noch. Der Grund: Spionageverdacht. Zu Recht?

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Tanzen, Singen, Schminken, Essen. 15 Sekunden Aufmerksamkeit. Die ganze Welt sieht zu. Das macht TikTok aus – und beliebt. Mehr als die Hälfte der Zwölf- bis 19-Jährigen hierzulande nutzt die App regelmäßig, Tendenz steigend. 

Dieser Erfolg hat vor allem den Social-Media-Konzern Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp) kalt erwischt. Seit Monaten versucht der Silicon-Valley-Gigant rund um Mark Zuckerberg mit einem ähnlichen Konzept TikTok aus dem Rennen um Nutzerinnen und Nutzer zu werfen. Bisher erfolglos. 

Im Westen tickt die Uhr für TikTok

US-Expertinnen und -Experten sehen die App, die dem chinesischen Tech-Riesen ByteDance gehört, schon länger kritisch. Der Vorwurf aus Washington: China soll die USA mittels der beliebten App ausspionieren können und stelle damit “eine Gefahr für die nationale Sicherheit” dar. Deshalb hat das Weiße Haus TikTok auf allen Dienstgeräten der US-Bundesbehörden verboten; Kanada, mehrere europäische Länder wie Belgien, Lettland, Irland, Großbritannien und die EU-Institutionen haben ähnliche Schritte eingeleitet. Tschechische Beamtinnen und Beamte im Staatsdienst müssen ebenfalls bald TikTok von ihren Diensthandys löschen. Und Österreich? Hier wird “evaluiert”, heißt es aus dem zuständigen Innenministerium. Ein Verbot könnte bald folgen. Wie profil erfuhr, müssen in manchen Ministerien Geräte des chinesischen Herstellers Huawei bei Konferenzen und Terminen vorab abgegeben oder gar in Mikrowellen gelegt werden, um hier eine mögliche Abhörung auszuschließen – unabhängig davon, welche Apps installiert sind.  

Das Erfolgsrezept von TikTok ist, dass es etwas anderes ist, als das, wo die alten Knacker herumhängen.

Lena Doppel-Prix

Social-Media-Expertin

Manche – vor allem republikanische – Stimmen in den USA gehen aber noch weiter und fordern ein generelles Verbot der App. Ein Gesetzesentwurf dafür liegt bereits vor. "TikTok ist ein modernes trojanisches Pferd der Kommunistischen Partei Chinas, das dazu verwendet wird, persönliche Informationen von Amerikanern zu überwachen und auszunutzen", so der republikanische Abgeordnete Michael McCaul.

“Ich halte die Anschuldigungen der Spionage für einen geopolitisch motivierten Sturm im Wasserglas”, ist Social-Media-Expertin Lena Doppel-Prix überzeugt. “Der Spionagevorwurf bei Hardware, wie 5G-Antennen oder anderen Geräten, erschließt sich mir sofort. Bei Software erscheint mir der Spionagevorwurf aber überzogen. Es ist nur eine Mutmaßung, die man aber genauso über Meta anstellen könnte.”

TikTok liest mit – Facebook aber auch 

Einige der Daten, die TikTok sammelt, überraschen wenig; sie werden direkt durch die Nutzung der App generiert: Angesehene Inhalte, Likes und Personen, denen man folgt. Das machen übrigens auch Facebook, Instagram und Co. 

Einen großen Unterschied zu anderen sozialen Medien gibt es allerdings: Private Nachrichten auf TikTok sind, anders als beispielsweise bei WhatsApp, nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt. Das heißt: Theoretisch liest die chinesische App mit. “Ich würde generell keine privaten Nachrichten auf Social-Media-Plattformen verschicken”, rät Doppel-Prix. Private Nachrichten auf Facebook oder Instagram sind nämlich ebensowenig verschlüsselt. 

Die Fänge der Datenkralle gehen aber noch weiter. Auch auf Kontakte und Standorte hat TikTok Zugriff. Ebenso wird das Nutzungsverhalten anderer installierter Apps erfasst, zumindest jener, die demselben Werbenetzwerk angehören oder vom selben Mutterkonzern programmiert wurden. Aber: Die Inhalte anderer Anwendungen sind sicher. TikTok kann somit keine privaten E-Mails aus dem Mailprogramm mitlesen. Das soziale Netzwerk weiß aber sehr wohl, welche Apps man wie lange benutzt, um Werbung besser personalisieren zu können. 

Die größte Datenfalle lauert im In-App-Browser – und das ist nicht nur bei TikTok ein Problem. Klickt man in der App auf einen Link, um zum Beispiel ein neues Paar Schuhe bei einem Online-Store zu bestellen, werden Daten wie Benutzernamen oder Passwörter gespeichert. Das machen andere Apps wie Facebook oder Instagram zwar auch, die große Sorge – aktuell vor allem vieler Regierungsinstitutionen: Die gesammelten Daten könnten über Umwege nach Peking gelangen. “Die berufliche Nutzung TikToks durch Politiker dient dem Marketing und der Werbung. Hier wird mit bereits öffentlichen Informationen PR betrieben. Im Sinne der Spionage ist das wenig interessant”, so Expertin Doppel-Prix. Hier sei daher klar zu unterscheiden, zu welchem Zweck die chinesische App in Regierungsinstitutionen verwendet werde. 

Unsere Daten landen in Singapur – noch 

Jene Daten, die TikTok in Europa erfasst, werden auf Servern in Singapur und in den USA gespeichert. Um das Vertrauen der Behörden in der EU zurückzugewinnen, baut TikTok derzeit in Irland ein Rechenzentrum. Zwei weitere in Europa sind angekündigt. Sogenannte Treuhänder sollen den sicheren Umgang mit sensiblen Daten in Europa garantieren. Dazu, wer diese Rolle einnehmen könnte, macht TikTok keine Angaben.

In den USA lässt der Mutterkonzern ByteDance den Softwarecode seiner App in einer ähnlichen Struktur von dem Konzern Oracle prüfen. Facebook wiederum betreibt Server in Irland, um die Daten europäischer Userinnen und User zu speichern. Und Washington kann diese abrufen. “Die USA haben einen gesetzlich verankerten Zugriff ihrer staatlichen Institutionen auf Daten US-amerikanischer Firmen, egal wo diese sind”, sagt Doppel-Prix. “Das wird China ähnlich handhaben, egal wo die Daten gespeichert werden.” 

Was sagt TikTok? 

TikTok ist somit bemüht, das Vertrauen des Westens zurückzugewinnen. Der Mutterkonzern ByteDance beteuert immer wieder, die Firmenzentrale in Peking habe keinen Zugriff auf die Daten ausländischer Userinnen und User, da TikTok ein unabhängiges Unternehmen im Konzern sei. Datenabfragen der chinesischen Regierung habe man ebenso wenig erhalten. Diese Beteuerungen erleben in Regierungskreisen in Washington, aber auch in Europa, wenig Anklang. 

TikTok selbst ist in China nicht aktiv. Die Mutter ByteDance bietet in der Volksrepublik allerdings die hauseigene App Douyin an. TikTok und Douyin haben mit jeweils rund 650 Millionen Nutzerinnen und Nutzern eine beinahe ähnliche Reichweite. Der Unterschied: Während TikTok fast weltweit downgeloadet werden kann, ist Douyin lediglich in China verfügbar. Das chinesische Pendant verwendet für seinen Algorithmus auch Gesichtserkennung, um im eigenen Feed mehr Videos jener Influencer anzuzeigen, denen man folgt. 

“Das Erfolgsrezept von TikTok ist jenes, dass es etwas anderes ist, als das, wo die alten Knacker herumhängen”, ist Lena Doppel-Prix überzeugt. “Das waren Facebook und Instagram jedoch auch einmal.” Jede Generation werde durch ein neues Tool, eine App oder ein Netzwerk erschlossen, dem sich immer mehr Menschen unterschiedlichster Altersgruppen anschließen. Die Uhr tickt für TikTok somit in zweifacher Hinsicht. 

Maximilian Mayerhofer

Maximilian Mayerhofer

war bis Mai 2023 Online-Redakteur bei profil. Davor war er beim TV-Sender PULS 4 tätig.