Beten und sparen: Stift Melk ignoriert Vergnügungssteuer

Das Stift Melk zahlt seit Jahren keine Ticket-Abgabe an die Stadt. Inzwischen machen die Außenstände über zwei Millionen Euro aus.

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Als Bürgermeister der Kleinstadt Melk sollte man es sich mit dem örtlichen Benediktinerstift nicht verscherzen. Das weiß auch der amtierende Stadtchef Thomas Widrich: "Die Stiegen zum Stift sind abgetreten von den Bürgermeistern, die hinaufgegangen sind, um ihre Anliegen vorzutragen", sagt er. In den vergangenen Tagen beschritt Widrich mehrmals den Treppenweg zum barocken Stift, das auf einem Felsplateau über die Stadt ragt. Das Melker Rathaus steht am Fuße des Stiftbergs – eine sinnfällige Metapher für die realen Machtverhältnisse in der Wachau-Gemeinde an der Donau.

Beharrlich ignoriert das Stift Melk – nun schon das vierte Jahr in Folge – die Zahlungsaufforderungen der Stadt nach der Vergnügungssteuer. Diese fällt üblicherweise etwa für Konzerttickets an, aber auch für Eintrittskarten ins Stift. Die Steuer war 2014 in Melk eingeführt worden, um die marode Stadtkasse zu sanieren. Das Kloster mit der gelben Fassade zählt jährlich knapp 500.000 Besucher, die Kartenerlöse summieren sich auf geschätzte 3,4 Millionen Euro. Davon müsste das Stift rund 600.000 Euro an die Stadt abtreten. Doch das passiert nicht. Die Außenstände sind inzwischen auf über zwei Millionen Euro angewachsen – eine beträchtliche Summe für eine Kleinstadt wie Melk mit einem Jahresbudget von 15 Millionen Euro. Stellt sich das Stift weiter quer, wird es kommendes Jahr eng für die Melker Finanzen.

Nun verhandeln Bürgermeister und Abt unter Ausschluss der Öffentlichkeit über etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: die Zahlung von Steuern. Die Verhandlungsposition des reichen Stifts ist gut – denn ohne den Willen der Mönche geht in der Stadtpolitik wenig.

Die Reichtümer des Melker Stifts sind ein gut gehütetes Geheimnis. Ein Blick in die Gemeinderatsprotokolle offenbart den Einflussbereich der Benediktinerabtei: Grundstücke und Immobilien. Egal, ob es um die Lückenschließung des Donauradweges, eine neue Linksabbiegespur auf einer Gemeindestraße oder Großbauprojekte wie das Fußballstadion geht – Verhandlungspartner für Grundankäufe ist meist das Stift. Der Landbesitz des Klosters erstreckt sich über ganz Niederösterreich, vom Mostviertel über das Weinviertel bis ins Industrieviertel. Dazu zählen Wälder, Äcker, Weingärten und Marillenplantagen in der Wachau. Auch das Wohnhaus Melker Hof im 1. Wiener Gemeindebezirk ist Teil des Stiftsbesitzes. Zu den Miet- und Pachteinnahmen kommen Restaurierungszuschüsse vom Land (2017: 150.000 Euro) und EU-Agrarförderungen (2016: 347.000 Euro).

Seit 1089 besiedeln die Melker Benediktiner den Klosterfelsen. Ihr Vermögen ist historisch gewachsen, und ihr Credo gilt bis heute: "Bete und arbeite und lies." Tatsächlich waren die Mönche stets arbeitsam. In den 1980er-Jahren soll ein gewiefter Abt der Stadt Melk ein Grundstück überlassen haben, wird im Melker Rathaus erzählt – Gegenleistung: eine jahrzehntelange Befreiung von der Kanalgebühr. Der Vertrag gilt bis heute.

Auch die Brunnenanlage, die Melk mit Wasser versorgt, steht auf einem Grundstück des Stifts. Der Gemeinde ist das Wassernutzungsrecht auf unbestimmte Zeit eingeräumt worden – für 3600 Euro im Jahr.

Wir haben die Bescheide bisher nicht dem Bezirksgericht zur Exekution vorgelegt. Wir bemühen uns, dass wir das nicht tun müssen

Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass der Melker Bürgermeister um ein gutes Einvernehmen mit dem Stift bemüht ist.

Der Stadtchef steht bei den Verhandlungen doppelt unter Druck: Solange er die Kommunalsteuer vom Stift nicht einhebt, hält das Land Niederösterreich Bedarfszuweisungen für Sonderprojekte zurück. Das verschärft die budgetäre Krise weiter. Bis Mitte Dezember will Widrich dem Gemeinderat einen Kompromissvorschlag mit dem Stift vorlegen: "Wir haben die Bescheide bisher nicht dem Bezirksgericht zur Exekution vorgelegt. Wir bemühen uns, dass wir das nicht tun müssen", sagt er.

Das Stift will zu den Zahlungsausständen nichts sagen – und verweist auf "vertrauliche Gespräche mit der Stadt". Nur so viel verlautet aus der klösterlichen Wirtschaftsdirektion: Die Mehrzahl der 200 Sitftsmitarbeiter sei im Tourismusbetrieb tätig. Neben den Betriebsausgaben fallen laut Stift jährlich Restaurierungskosten von 750.000 Euro an. "Jeder sonstige Mittelabfluss in Form einer zusätzlichen 'Umsatzsteuer auf Einnahmen' macht derartige zukünftige notwendige Instandhaltungs- und Investitionstätigkeiten unmöglich", sagt das Stift.

Das lässt sich freilich schwer überprüfen. Denn zum Gewinn des Vorjahres hielt sich das Benediktinerkloster bedeckt.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.