Österreich

Streit um Kassenarztstellen zwischen Gesundheitsstadtrat Hacker und ÖGK: Wer hat Recht?

Fast jede Kassenarzt-Planstelle soll laut der Österreichischen Gesundheitskasse in Wien besetzt sein – für Gesundheitsstadtrat Hacker sind diese Zahlen nicht nachvollziehbar. Wie viele Ärzt:innen es tatsächlich gibt. 

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Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) war sehr empört: „Das ist doch ein glatter Hohn“, echauffierte er sich doch recht deutlich via Aussendung in Richtung ÖGK. Der Hintergrund: Zahlen, die die Gesundheitskasse am vergangenen Wochenende im ORF vorgebracht hatte.

Laut ÖGK sind demnach 99,4 Prozent aller Kassen-Planstellen in Wien besetzt, im Bereich Allgemeinmedizin sind nur sechs von 800 Planstellen unbesetzt. Dieser „skurrile Stellenplan“ würde sich Hacker nicht erschließen, seien doch aktuell weitaus weniger Stellen besetzt. Recht haben beide Streitparteien – sie ziehen nur jeweils unterschiedliche Statistiken und Definitionen heran. 

Die ÖGK verteidigte ihre Angaben folgendermaßen: „Die Zahlen entsprechen auch dem mit der Stadt Wien vereinbarten Regionalen Strukturplan Gesundheit“, so ÖGK-Arbeitnehmer:innen-Obmann Andreas Huss. Das stimmt grundsätzlich: Im Regionalen Strukturplan Gesundheit, kurz RSG, sind tatsächlich 800 Stellen für Kassen-Allgemeinmediziner:innen vorgesehen, wie auch das Büro Hacker bestätigt.

Besetzt sind davon allerdings deutlich weniger, so das Stadtratsbüro, das sich auf die Ärzteliste der Wiener Ärztekammer beruft. Auf profil-Anfrage wurde die genaue Aufstellung übermittelt: Demnach sind Stand Ende Juli 688 Allgemeinmediziner:innen mit Kassenverträgen in Wien aktiv. 

Die ÖGK konkretisiert ihre Angaben auf Anfrage: Die angegeben 800 Stellen würden auch jene inkludieren, die zwar noch nicht aktiv besetzt, aber vorgesehen seien; darunter fallen beispielsweise die geplanten Primärversorgungszentren. In Wien sollen bis 2025 insgesamt 36 PVEs geben, in denen Allgemeinmediziner:innen mit Fachärzt:innen und anderen medizinischen Berufsgruppen zusammenarbeiten sollen. Derzeit gibt es elf Primärversorgungszentren, und die geplante Verdreifachung ist durchaus ambitioniert: Zuletzt gab es Anfang Juli scharfe Kritik der Ärztekammer, da die Anmietung von Praxis-Räumlichkeiten aufgrund der unechten Umsatzsteuerbefreiung schwierig sei. Ärztinnen und Ärzten darf nämlich keine Umsatzsteuer verrechnet werden, für Vermietende führe dies mitunter zu finanziell empfindlichen Vorsteuerkorrekturen, so die Ärztekammer. Schon jetzt hinkt man bei den PVEs hinterher: Ende 2021 hätten bereits 16 Versorgungszentren in Wien stehen sollen.

Besetzt, gebunden, geplant?

Der Stellenplan der ÖGK weist also die besetzten sowie die gebundenen Stellen zusammen aus. Eine Planstelle wird als gebunden bezeichnet, sobald ein Bewerber oder eine Bewerberin gefunden wurde, sich aber der Arbeitsbeginn – zum Beispiel durch Umbauten – verzögert. Als „unbesetzt“ werden lediglich jene Stellen bezeichnet, die gerade ausgeschrieben sind. Im Praxisplan der Ärztekammer werden indes die aktiv tätigen Ärzt:innen genannt.

Im Büro von Gesundheitsstadtrat Hacker zeigt man sich jedenfalls verwundert darüber, warum die ÖGK aktuell nicht besetzte, aber geplante Stellen inkludiere. „Wenn ich jetzt einen Arzt oder eine Ärztin brauche, dann hilft mir eine geplante Stelle nicht“, so ein Sprecher des Stadtrates.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.