Karl Nehammer und Sebastian Kurz im September 2020

Streit zwischen Kanzleramt und WKStA eskaliert

Die Staatsanwaltschaft will Mails dutzender Mitarbeiter einsehen. Das Kanzleramt wehrt sich. Kommt eine Hausdurchsuchung?

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Die Grundfrage lautet: Wie kommunizieren zwei Ministerien? Wenn zum Beispiel das eine vom anderen Informationen will, sagen wir: das Justizministerium vom Kanzleramt. Das normale Verfahren dazu ist das so genannte Amtshilfeersuchen. Die eine Stelle fragt an, die andere schaut nach und übermittelt, was notwendig ist. Der Hintergrund dieses Verfahrens ist, dass der Staat davon ausgeht, dass seine Behörden rechtmäßig miteinander kooperieren. Allerdings dürfte das Misstrauen zwischen dem Justizministerium, konkret: der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), und dem Bundeskanzleramt (BKA) ziemlich ausgeprägt sein. Anstelle eines Amtshilfeersuchens richtete die WKStA am 16. August in Zusammenhang mit der Inseratenaffäre eine so genannte Sicherstellungsanordnung an das Kanzleramt. Das Begehr: Übermittlung von E-Mails, Dokumenten, Laufwerken inklusive Backups dutzender Mitarbeiter des Kanzleramts aus der Zeit von Dezember 2017 bis Oktober 2021.

Doch das Kanzleramt will vorerst nicht kooperieren und teilte der WKStA am Mittwoch mit, dass sie die Anordnung für rechtswidrig halte. Denn diese beinhalte keine konkreten Namen und sei zu allgemein formuliert, als dass man in die Rechte von bis zu hundert Mitarbeitern eingreifen könne. Die WKStA hätte den Weg über ein Amtshilfeersuchen gehen sollen. Auch die Personalvertretung im BKA sehe das Vorgehen der WKStA äußerst kritisch. Diese prüft nun die Einwände.

Drohende Eskalation

Allerdings hat das BKA ein Problem. Gegen eine Sicherstellungsanordnung kann es keinen Einspruch einlegen. Nun droht eine Eskalation: Beharrt die WKStA auf der Anordnung, und weigert sich das BKA, diese umzusetzen, könnte die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung beantragen, die vom zuständigen Richter wohl genehmigt würde. Zur Erinnerung: Bereits vor einem Jahr kam es in Zusammenhang mit der Inseratenaffäre zu Hausdurchsuchungen im Kanzleramt und in der ÖVP-Parteizentrale. Viel gefunden haben die Staatsanwälte offenbar nicht. Denn die meisten Mails der betroffenen direkten Mitarbeiter des damaligen Kanzlers und ÖVP-Chefs Sebastian Kurz waren gelöscht worden. Nun versuchen die Staatsanwälte einen neuen Anlauf und hoffen wohl, in einem der zahlreichen Accounts der Beamten im Kanzleramt belastendes Material zu finden. Dazu passt, dass in Wiener Juristenkreisen erneut spekuliert wird, dass der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, der im Mittelpunkt der diversen Affären steht, einen Kronzeugen-Status erhalten könnte.

Die Hausdurchsuchung im Oktober 2021 führte zum Rücktritt von Kanzler Kurz. Marschiert demnächst die WKStA mit Kriminalbeamten erneut im Kanzleramt ein und stellt Computer und Unmengen an Daten sicher, dann bedeutet dies wohl nicht nur das Scheitern der Kommunikation zweier Ministerien, sondern möglicherweise sogar das Ende der ÖVP-Grünen-Koalition.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.