Dubiose Syrien-Kontakte von Wiener NGO

Eine Wiener Spendenorganisation kooperierte in der Syrien-Hilfe ausgerechnet mit einer NGO, die Kontakte zu dschihadistischen Kämpfern hatte.

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Human Relief setzt auf Transparenz. Die 2003 in Wien unter dem Namen "Irakhilfswerk" gegründete Organisation veröffentlicht im Internet ihre Tätigkeitsberichte. Gefördert werden etwa Waisenhäuser im Irak und in Syrien. In Somalia, Togo und Ghana wurden Brunnen errichtet. In Österreich organisiert Human Relief (früher: "Humanic Relief") Deutschkurse für Flüchtlinge und arbeitete mit dem aus dem Irak stammenden Wiener SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi zusammen. Gemeinsam wurden ein Fußballturnier organisiert und ein Konzert gesponsert. Finanziert werden die Aktivitäten über Spenden. Im Jahr 2015 beliefen sich diese auf 488.000 Euro. Der Verein führt das Spendengütesiegel und steht auf der Liste begünstigter Einrichtungen des Finanzministeriums. Mit einem Wort: eine Vorzeige-NGO.

Landeten Spenden auch bei dschihadistischen Kämpfern in Syrien?

Doch nun trüben Geschehnisse aus dem Jahr 2012 das Gesamtbild. Laut profil vorliegenden Dokumenten kooperierte Human Relief in der Syrien-Hilfe mit einer Organisation mit Kontakten zu islamistischen Gruppen. Landeten Spenden aus Österreich womöglich nicht nur bei Witwen und Waisen, sondern auch bei dschihadistischen Kämpfern in Syrien?

Auf seiner Website rühmt sich Human Relief für sein "schnelles und effizientes Handeln". Auch zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 war man schnell vor Ort. Laut Jahresbericht 2012 organisierte Human Relief vier Lkw-Ladungen mit Winterbekleidung, Decken und Medikamenten für Flüchtlinge in Syrien und den Nachbarstaaten. Überdies wurden sechs Krankenwagen und medizinische Geräte an Spitäler in Syrien geschickt.

Dabei kooperierte Human Relief mit der in Istanbul ansässigen Organisation Higher Commission for Syrian Relief. Im Internet finden sich Bilder mit den Logos von Human Relief und Higher Commission for Syrian Relief. Wie eng die Verbindung war, zeigt ein profil vorliegendes, vom Dezember 2011 stammendes Schreiben der Higher Commission an Imame und Vorsitzende von islamischen Organisationen in Europa, in dem um Spenden für Syrien gebeten wird. Als Bankverbindung wird ausgerechnet ein Konto von Human Relief bei der BawagPSK angeführt (siehe Faksimile).

"Es wurde niemals Geld von uns an die besagte Organisation übergeben oder überlassen"

Entgegen dem offiziösen Namen handelt es sich bei Higher Commission for Syrian Relief um eine private Organisation - und eine dubiose: In einem Bericht des Washingtoner Thinktanks Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden wird ein Funktionär der Higher Commission mit der islamistischen Muslimbruderschaft in Verbindung gebracht. Aus früheren Facebook-Einträgen der Higher Commission geht hervor, dass auch militärische Kleidung finanziert und "Mudschaheddin", also islamistische Kämpfer, mit Lebensmitteln unterstützt wurden.

Auf YouTube finden sich Videos von bewaffneten Männern, die vor Plakaten der Higher Commission posieren. Ein Clip aus 2013 zeigt, dass die Organisation auch dschihadistische Kämpfer mit Hilfslieferungen versorgte. Dabei handelt es sich um eine Gruppe namens Kata'eb rejal allah-Atarib (etwa: "Allahs Milizen in Atarib). Diese steht der Ahrar-al-Sham nahe, einer der größten dschihadistischen Kampftruppen in Syrien.

Ahmed Elmatbouly, Geschäftsführer von Human Relief, bestätigt gegenüber profil die Zusammenarbeit mit der Organisation: "Higher Commission for Syrian Relief war ein Dachverband für viele Organisationen, die humanitäre Hilfe an Flüchtlinge am Anfang der Krise 2012 geleistet haben." Bei der Kooperation habe es sich "um ein einmaliges Ereignis aus dem Jahr 2012" gehandelt. Elmatbouly: "Es wurde niemals Geld von uns an die besagte Organisation übergeben oder überlassen. Wir kümmerten uns selbst um die Besorgung und Verteilung der Hilfsgüter."

Warum im Spendenaufruf von Higher Commission ausgerechnet ein BawagPSK Konto von Human Relief angeführt wird, kommentiert Elmatbouly so: "Als sich 2011 die Katastrophe in Syrien anbahnte, wurden wir als humanitäre Organisation von vielen Leuten kontaktiert und um Hilfe gebeten." Es sei eine Bedingung von Human Relief gewesen, dass "Spenden ausschließlich über unser Konto laufen durften, um transparent nachweisen zu können, von wem und an wen die Spenden kommen und gehen."

Dass die Wiener NGO von den Kontakten der Higher Commission zu dschihadistischen Gruppen wusste, ist wohl auszuschließen. Wahrscheinlich war man aber zu arglos. SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi: "Ich kann mir persönlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie wissentlich Kontakte zu dschihadistischen Gruppen unterhalten."

Weiterführende Recherchen auf Basis dieses Artikels finden sich auch auf dem Blog semiosis.at.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.