Cobra Beamte am Montag, 25. November 2021, im Rahmen eines Szenarios wo das Einschreiten in einem "Active-Shooter-Einsatz" dargestellt wurde.
Innenministerium

Terrorwarnstufe: Instrument ohne rechtliche Grundlage

Die Erhöhung der Terrorwarnstufe soll die Bevölkerung alarmieren und Polizeiarbeit intensivieren. Seit wann es das Warnsystem in Österreich gibt, will das Innenministerium nicht verraten, rechtliche Grundlagen für das Instrument gibt es keine.

Drucken

Schriftgröße

Es ist zweieinhalb Wochen her, da verkündete Innenminister Gerhard Karner die Erhöhung der Terrorwarnstufe von der dritten auf die vierte und damit zweithöchste Stufe. Die Gefahr eines Anschlags sei nicht mehr „erhöht“, sondern „hoch“, erklärte er. Tags darauf veröffentliche das Innenministerium (BMI) einen Ratgeber, wie sich die Bevölkerung nun am besten verhalten soll.

An der Welle antisemitischer Gewalt änderte das nichts. Erst in der Nacht auf Mittwoch legten Unbekannte einen Brand im Vorraum der Zeremonienhalle des jüdischen Teils des Wiener Zentralfriedhofs. An die Außenwand schmierten sie Hakenkreuze.

Es ist fraglich, ob sich derartige Taten von der Polizei verhindern lassen, absolute Sicherheit wird es in freien Gesellschaften nicht geben. Die anstehenden Veranstaltungen zum Gedenken an den 85. Jahrestag des Novemberpogroms alarmieren die Behörden zusätzlich. Doch was die Erhöhung der Terrorwarnstufe konkret bedeutet, ist einigermaßen unklar.

Wann eine Terrorwarnstufe ausgerufen wird – oder eben auch nicht, unterliegt der sogenannten ISO-Norm, der gewisse Risikofaktoren hinterlegt sind, auf denen eine komplexe Berechnungsformel fußt. Ob eine Terrorwarnstufe hochgesetzt wird, ist international also genormt. Was damit einhergeht, regelt allerdings jedes Land selbst. In Frankreich beispielsweise, wird ab einer gewissen Stufe das Internet gedrosselt, damit sich gewisse Informationen weniger schnell verbreiten können.  In Österreich hat eine erhöhte Terrorwarnstufe nur eine Konsequenz: Die Polizeipräsenz soll erhöht werden. Die Polizeidienststellen diese Aufforderung umsetzen, ist allerdings wieder ihre Sache. Gesetz liegt dem Warnsystem keines zugrunde, die zuständigen Behörden geben über

Verschlusssachen

Die Unklarheiten, die die Terrorwarnstufen betreffen, beginnen bei deren Einführung. Noch im Frühjahr 2016 erklärte Peter Gridling, damals Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, dass es in Österreich kein solches System gebe. Weder die heute zuständige Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), noch das BMI möchten die Frage, wann es eingeführt wurde, beantworten. „Die ,Terrorwarnstufen' und deren Analyse- und Auswertungsmöglichkeiten beruhen auf internationalen Normenstandards, auf die wir aber nicht näher eingehen können“, heißt es aus dem BMI.

Beim Terroranschlag in der Wiener Innenstadt am 2. November 2020 dürften die Terrorwarnstufen aber bereits existiert haben. Damals wurde die vierte Stufe „hoch“ ausgerufen, ab März 2021 galt dann wieder „erhöhtes“ Risiko – es blieb bis zum 18. Oktober 2023 aufrecht. Die unmittelbaren Auswirkungen der Erhöhung, so das Ministerium, betreffen vorbeugende Schritte. Es werde also der Objektschutz und Streifendienste verstärkt, die Präsenz von bewaffneten Einheiten im öffentlichen Raum erhöht.

Wer sich aber auf die Suche nach den gesetzlichen Grundlagen dieser Maßnahmen macht, wird nichts finden. Es gibt sie auch nicht, bestätigte ein Sprecher des Innenministeriums auf Nachfrage, es gebe auch keinen Grund dafür. Da es sich bei den Warnstufen lediglich um eine Information an die Öffentlichkeit handle, an die sich keine verstärkten Befugnisse der Polizei knüpfen, brauche es kein Gesetz. Das deckt sich mit dem Bericht eines Polizeiinsiders, mit dem profil gesprochen hat. Es gebe, sagt er, keine Richtlinien oder automatischen Konsequenzen, die aus der Erhöhung der Terrorwarnstufe folgen. Es handle sich um ein rein „politisches Instrument“.

Nicht alle Länder gehen derart geheimnistuerisch mit den Terrorwarnstufen um. In Großbritannien listet die dafür zuständige Behörde auf ihrer Webseite nicht nur auf, welche Parameter für die Gefahrenanalyse verwendet werden, sondern auch eine Zeitleiste, welche Warnstufen seit 2009 wann gegolten haben. In Belgien sind online alle Gesetzestexte einsehbar, die den Warnstufen zugrunde liegen. Und in Schweden ist klar geregelt, dass über die Erhöhung und Senkung die Chefin der Sicherheitspolizei entscheidet.

Warnstufen „zu starr“

Deutschland und die Schweiz verzichten auf die Verwendung eines derartigen Schemas. Das deutsche Innenministerium begründet das damit, dass die Gefahr innerhalb eines Landes – sogar innerhalb einer Stadt – je nach Aufenthaltsort ganz unterschiedlich sein kann, der Schweizer Bundesrat erklärte 2018, dass ein Warnstufensystem „zu starr “ sei.

Auch in Frankreich gab es Kritik an der Systematik – dort kommt sie allerdings zur Anwendung. Denn zwischen Herbst 2014 und Dezember 2016 galt die höchste Terrorwarnstufe in einigen Regionen durchgehend. Damit verbunden waren Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs sowie die Präsenz des Militärs und schwer bewaffneter Polizei in der Öffentlichkeit.

Keine Zwischenfälle

So weit ist es in Österreich noch nicht gekommen. Zwar kontrollierten am Tag nach dem Anschlag am Zentralfriedhof acht Polizisten mit Sturmgewehren den Zugang zum jüdischen Teil, solche Bilder stellen allerdings die Ausnahme dar. Künftig wird das Objekt „im Rahmen des Streifendienstes“ und technischen Hilfsmittel verstärkt überwacht, teilte die Wiener Polizei mit. Welche Hilfsmittel das sind, konnte die Sprecherin allerdings nicht sagen.

Am Donnerstagabend trotzten am Wiener Heldenplatz mehrere Tausend Menschen Wind und Wetter, um ein Lichtermeer gegen Antisemitismus abzuhalten. Es war ursprünglich als Kundgebung für die Befreiung der Geiseln, die sich noch in Gefangenschaft der islamistischen Hamas, geplant, erhielt aber wegen dem Brandanschlag eine noch eine aktuelle Ebene. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer leuchteten mit ihren Handys, elektronischen Lämpchen und – so es der Regen zuließ – auch mit Kerzen. An den Zufahrtsstraßen stand eine Vielzahl an Polizeiautos, Beamte in zivil und in Uniform waren da. Zu Zwischenfällen kam es nicht.

Moritz Ablinger

Moritz Ablinger

ist seit Mai 2023 Redakteur im Österreich Ressort. Schreibt gerne über Abgründe, spielt gerne Schach und schaut gerne Fußball. Davor beim ballesterer.