Weißer TikTok-Schriftzug
Digitales

Trotz TikTok-Verbot: Experte sieht Gefahren bei Politiker-Accounts

Die Nutzung von TikTok auf Diensthandys ist Beamt:innen seit vergangener Woche untersagt. Das Verbot packt das Problem jedoch nicht an der Wurzel.

Drucken

Schriftgröße

Was haben Karoline Edtstadler, Alma Zadić und Johannes Rauch gemeinsam? Sie sind, wie die meisten Regierungsmitglieder, auf der chinesischen Kurzvideoplattform TikTok vertreten. Und das hat einen guten Grund: Eine deutliche Mehrheit der österreichischen Jugendlichen nutzt Social Media als primäre Informationsquelle – in dieser Zielgruppe hat Tiktok eine Reichweite von 73 Prozent. 

Müssen die Regierungsmitglieder ihre Accounts nun stilllegen, nachdem das Innenministerium ein Verbot von TikTok auf Diensthandys von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst verordnet hat? Nein, sie haben eine Umgehungsmöglichkeit gefunden, die zwar rechtlich halten dürfte - aber laut Datenschutzexperten trotzdem Gefahren birgt.

Laut Einschätzung von Sicherheitsexperten in mehreren Ländern besteht die Gefahr, dass über die App auf sensible dienstliche Daten wie etwa Kontakte, Mails und Kalendereinträge zugegriffen werden kann. Und zwar vom chinesischen Mutterkonzern Bytedance. Die Befürchtung westlicher Sicherheitsexperten: Diese sensiblen Daten von Regierungshandys könnten von China für Spionagezwecke genutzt werden.

Scheinverbot durch Nutzung auf privaten Handys 

Doch die Regierungspolitiker wollen nicht auf ihre TikTok-Reichweite verzichten: ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm gab vergangene Woche im profil-Interview bekannt, trotz Verbots auf TikTok zu bleiben - sie nutze es nur auf ihrem Privathandy. Auch aus dem Büro von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) heißt es auf Anfrage: „Um den geäußerten Sicherheitsbedenken in Bezug Auf Tik-Tok zu begegnen wurde der Auftritt der Justizministerin auf der Plattform bereits in der Vergangenheit von privaten Mobiltelefonen aus organisiert und abgewickelt.” Alle Regierungsmitglieder, die auf TikTok aktiv sind, bleiben weiterhin auf der Plattform.

"Diese Produkte sollten nicht verboten, sondern rechtskonform angeboten werden."

Datenschutzjurist Marco Blocher vom Europäischen Zentrum für digitale Rechte

Datenschutzjurist Marco Blocher vom Europäischen Zentrum für digitale Rechte sieht diese Umgehung äußerst skeptisch: “Informationen über öffentlich relevante Personen lassen sich auch über deren Privathandys sammeln.” Die Wirksamkeit des Verbots hänge stark von der individuellen Nutzung ab, erklärt er. Nur wenn Politiker keine beruflichen Tätigkeiten mit dem Privathandy abwickeln, sei das Verbot wirksam. Wenn allerdings am Privathandy Nummern oder Nachrichten von anderen öffentlich relevanten Personen gespeichert sind, könnte TikTok theoretisch darauf zugreifen. 

FPÖ will Verbot ignorieren

Die FPÖ denkt nicht daran, dem Innenministerium zu folgen. Mitarbeiter der Partei würden TikTok weiterhin auf dienstlichen Telefonen nutzen. Begründung: „Wir sehen das Verbot einzelner Plattformen problematisch, weil dadurch die freie Meinungsäußerung eingeschränkt wird. Die ÖVP will offenbar nur noch Medien oder Plattformen, die sie kontrollieren kann.” Entscheidend wird wohl sein, auf wen die Handys der freiheitlichen Klubmitarbeiter angemeldet sind. 

Kritik am Vorgehen kommt auch von der SPÖ, allerdings aus ganz anderen Gründen: Julia Herr (SPÖ) findet es „dreist”, dass das Verbot laut Ministerratsantrag nur für Diensthandys von Mitarbeitern gilt, jedoch nicht für Telefone von Ministern. Diese könnten laut Herr weiter TikTok auf ihren Geräten nutzen. „Es soll also ein Verbot kommen - und zugleich nicht kommen“, kritisiert sie auf profil-Anfrage. Außerdem öffne der Antrag das Tor dafür, dass die offizielle Kommunikation künftig über Privathandys geführt wird. „Was dabei rauskommen kann, kennen wir aus dem Untersuchungsausschuss von einem Ex-Kanzler und Ex-Finanzminister.“

Potential gewaltig

„Diese Produkte sollten nicht verboten, sondern rechtskonform angeboten werden“, sagt Datenschutzjurist Blocher. Am Mittwoch gab Montana als erster US-Bundesstaat bekannt, die in China entwickelte Social-Media-App zu verbieten – das ist aus Blochers Sicht scheinheilig. Auch in den Vereinigten Staaten kommt es zu Datentransfers, die zu Überwachbarkeit führen. „In den USA sieht man in Europa aber eher einen Verbündeten als in China“, doch TikTok ist datenschutzrechtlich laut Blocher nicht problematischer als Facebook.

„Man muss fairerweise sagen, dass die Datenverarbeitung kein TikTok-spezifisches Problem ist, sondern generell für alle Apps gilt, die auf Mobilfunkgeräten von öffentlichen Funktionären installiert sind“, gibt Blocher zu bedenken. Die Konsequenz ist, dass personenbezogene Daten und sonstige sensible Informationen in Länder übermittelt werden, die eine gewisse geheimdienstliche Tätigkeit haben. Das Potential, dass Regierungen diese Daten zu Spionage-Zwecken verarbeiten, sei „gewaltig“. Im autoritär geführten China sei es aber eine Spur „pikanter“, so Blocher.

Das ist laut Datenschutzexperte Marco Blocher eine „einseitige und kurz gegriffene“ Entscheidung. Die strukturellen Probleme werden durch ein App-Verbot nicht behoben. Es brauche laut Marco Blocher eine europäische Lösung, die darüber hinausgeht und ausländische Plattformen zwingt, sich an die Datenschutzregeln zu halten – so, dass andere Regierungen keinen Zugriff auf in Europa gespeicherte Informationen haben. 

Bis es soweit kommt, werden Rauch, Edtstadler und Zadić weiter versuchen, junge Wähler auf TikTok anzusprechen. Und dafür ein großes Risiko eingehen.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.