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(Un)Einiges Russland: Kremlkritische Diaspora in Österreich

Österreichs Politik und Wirtschaft knüpfte über die Jahre gute Kontakte nach Moskau. Die hier lebenden Russinnen und Russen geben sich gleichzeitig kremlkritischer als anderswo in Europa.

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Karl Nehammers umstrittener Moskau-Trip beherrschte die Berichterstattung der vergangenen Tage. Während der deutsche Kanzler Olaf Scholz Nehammers Reise vorab begrüßte, gab es skeptische bis irritierte Stimmen aus Kiew oder Brüssel. Nehammer selbst erzählte von einem „harten“, „korrekten“ Treffen, das „kein Freundschaftsbesuch“ gewesen sei. Der österreichische Russlandexperte Gerhard Mangott wiederum kritisierte, der Besuch sei redlich, aber realitätsfremd gewesen. Eine ausführliche Nachbesprechung von profil-Chefredakteur Christian Rainer und Auslandschef Robert Treichler über die Russlandreise können Sie im aktuellen profil-Podcast hören.

Wie ticken Austro-Russ:innen?

Ganz abseits der hohen Politik wollten Kollege Clemens Neuhold und ich für die aktuelle Ausgabe herausfinden, wie die Russinnen und Russen ticken, die in Österreich leben. Das Ergebnis der Recherche hat mich sowohl auf quantitativer, als auch auf qualitativer Ebene überrascht. So wählten Russinnen und Russen, die in Österreich leben, in der Vergangenheit weit Putin-kritischer als anderswo in Europa. Eine Auswertung der Wahlergebnisse von Auslandsrussen der Präsidentschaftswahl von 2018 ergab, dass Putin von in Österreich lebenden Staatsbürgern 63,7% der Stimmen erhielt. Das mag nach einer satten Mehrheit klingen, ist im Vergleich zur Diaspora in anderen EU-Staaten aber wenig: Nur in Dänemark (63%) und den Niederanden (53%) war die Zustimmung zum Staatschef geringer. In Deutschland (82,2%), Italien (78,5%), Belgien (73,7%), Spanien (70,5%) oder auch Schweden (69%) fiel das Ergebnis deutlicher pro Putin aus. Diese Stimmung setzte sich bei anderen Wahlen fort: 60% der in Österreich lebenden Russinnen und Russen stimmten 2020 gegen eine Verfassungsänderung, die Putins Macht an der Staatsspitze zementierte. Bei den Parlamentswahlen 2021 siegten in Österreich die Kommunisten vor der Putin-Partei Einiges Russland.

In den vielen Gesprächen mit hier lebenden russischen Staatsbürgern festigte sich das Bild einer kremlkritischen Diaspora. Da ist etwa die 77-jährige Tatiana Vatnitskaya, die mit ihrem Mann – er arbeitete bei der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien – seit über zwanzig Jahren in Österreich lebt. Von ihr hört man Sätze wie „Putin ist der größte Lügner“ oder „Wenn ich in Russland wäre, würde ich protestieren.“ Auch Unternehmerinnen wie die 57-jährige Daria Müller verurteilen Russlands Krieg auf das Schärfste, auch wenn sie von den westlichen Sanktionen stark betroffen ist. Die ganze Geschichte können Sie hier lesen.

Kommen Sie gut durch die restliche Woche!

Thomas Hoisl