Angespannte Entspannung
In Wien hat sich die Hochwassersituation leicht entspannt. Wie ein Sprecher der MA 45 (Wiener Gewässer) am Montag berichtete, sind die Pegel entweder gleich geblieben oder zum Teil sogar leicht zurückgegangen. Die Auffangbecken für den Wienfluss haben aber wieder Kapazitäten. Denn sie seien inzwischen wieder vollständig geleert worden, sagte der Sprecher, um weitere Regenmengen aufnehmen zu können.
Wenig entspannt bleibt die Situation für Öffi-Fahrgäste. Es gibt wegen des Hochwassers im Wienfluss und am Donaukanal weiterhin eingeschränkten U-Bahnbetrieb. Betroffen sind nach wie vor die Linien U2, U3, U4 und U6. An neuralgischen Punkten wurden Schutzmaßnahmen mit Dammbalken oder Sandsäcken errichtet. Aktuell rechnen die Wiener Linien weiter mit keinem regulären Betrieb vor Mittwoch. Sobald die Pegel nachhaltig gesunken sind, wird mit den Abbauarbeiten der Flut-Sicherungsmaßnahmen begonnen. Das kann laut den Verkehrsbetrieben bis zu zwölf Stunden dauern.
Die Berufsfeuerwehr Wien hat innerhalb von 24 Stunden bis Montagfrüh mehr als 1.300 Einsätze abgearbeitet. Zu Spitzenzeiten langten mehr als 100 Einsatzanforderungen pro Stunde bei der Feuerwehr ein. Die Einsätze waren etwa zu zwei Dritteln auf den Niederschlag und zu einem Drittel auf den Wind zurückzuführen. Es handelte sich dabei etwa um Einsätze wegen umgestürzter Bäume oder Wassereintritte in Kellern, berichtete Feuerwehrsprecher Gerald Schimpf.
Niederösterreich
Von Entspannung ist in Niederösterreich noch nicht die Rede, auch wenn der Pegelstand der Donau seit den Nachtstunden wieder sinkt. „Niederösterreich ist weiter im Krisenmodus“, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Montagvormittag. Man sehe den weiteren prognostizierten Regenfällen mit Spannung entgegen: „Es bleibt kritisch, es bleibt dramatisch.“
Das Hochwasser in Niederösterreich hat zudem zwei weitere Todesopfer gefordert. Nach Angaben von Polizeisprecher Johann Baumschlager starben ein 70- und ein 80-Jähriger in ihren Wohnhäusern. Bereits am Sonntag war der Tod eines Feuerwehrmannes im Einsatz in Rust im Tullnerfeld in der Gemeinde Michelhausen (Bezirk Tulln) bekannt geworden.
Für die Stadt Krems wurde am Montag Entwarnung gegeben und die Aufräumarbeiten begannen. Am Vormittag wurde aufgrund sinkender Wasserstände der Donau und der Krems der Zivilschutzalarm aufgehoben. „Im Laufe des Tages werden die Pegel zwar wieder steigen, Hochwassergefahr besteht aber nicht mehr“, teilte der Magistrat mit.
Aus dem Stausee Ottenstein, wo am Sonntagnachmittag die Hochwasserklappen der Staumauer abgesenkt worden waren, wurde der kontrollierte Ablauf von zunächst 130 Kubikmetern Wasser pro Sekunde „in Abstimmung mit der Behörde“ auf etwa 250 erhöht, teilte EVN-Sprecher Stefan Zach Montagfrüh mit. In den Nachtstunden seien bei einem Zufluss von bis zu 330 Kubikmetern pro Sekunde weitere 2,5 Millionen Kubikmeter eingespeichert worden. Das freie Volumen in dem Waldviertler Stausee bezifferte Zach mit vorerst sechs Millionen Kubikmeter. Am Freitag seien es noch 32 Millionen gewesen.
Oberösterreich
Nach einer relativ ruhigen Nacht sind die Feuerwehren am Montag in Oberösterreich wieder in Alarmbereitschaft. Neuerlich intensive Niederschläge lassen die Pegel wieder ansteigen. „Aktuell beobachten wir die Lage und warten auf eine mögliche zweite Welle“, sagte der Sprecher des Landes-Feuerwehrkommandos Markus Voglhuber. Kleinere Einsätze und auch schon Aufräumarbeiten werden natürlich durchgeführt.
Die wieder intensiver werdenden Niederschläge lassen die kleineren und mittleren Gewässer in Oberösterreich am Montag im Laufe des Nachmittags bzw. der Nacht ansteigen. Geosphere Austria erwartete für Oberösterreich bis Montag Mitternacht Regenmengen von 20 bis 50 Millimeter, im gesamten Gebirge bis zu 70 Millimeter, bevor sich der Niederschlag in der Nacht abschwächen sollte. Am Dienstag soll es mit dem Starkregen und auch der Regenwarnung vorbei sein.
Burgenland
Entlang der Leitha im Burgenland besteht weiterhin die Gefahr einer Überschwemmung, teilte das Landesmedienservice mit. Die Zahl der Feuerwehreinsätze ging zumindest zurück, da sich Sturm und Regen etwas legten.
Steiermark
In der Obersteiermark sind die aufgrund der Hochwassersituation befürchteten Evakuierungen im Raum St. Barbara im Mürztal (Bezirk Bruck-Mürzzuschlag) am Sonntagabend unterblieben. Das Bezirksrettungskommando sei jedoch weiterhin in Alarmbereitschaft, weil im Laufe des Tages noch Niederschläge erwartet werden. Die landesweite Stromversorgungslage besserte sich: Montagfrüh waren noch rund 800 Haushalte ohne Strom, hieß es vonseiten der Energie Steiermark.
Infrastruktur
Am Wochenenden mussten etliche Bahnstrecken in Österreich aufgrund des Unwetters gesperrt werden. Der Bahnverkehr blieb in weiten Teilen Niederösterreichs wegen rund 40 Streckenunterbrechungen massiv eingeschränkt. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben ihre seit Freitag aufrechte Reisewarnung bis zum Donnerstagabend verlängert und ersuchen „eindringlich, von nicht unbedingt notwendigen Reisen abzusehen“.
Die Weststrecke war unwetterbedingt zwischen Wien Hauptbahnhof/Wien Westbahnhof und St. Valentin unterbrochen. Zwischen St. Valentin und Salzburg fahren die Fernverkehrszüge der ÖBB. Die Züge der Westbahn seien zwischen Linz und Salzburg in Betrieb, hieß es. Eine gegenseitige Ticketanerkennung zwischen ÖBB und Westbahn sei vereinbart worden. So könnten Fahrgäste mit einem ÖBB-Ticket zwischen St. Valentin und Salzburg auch Züge der Westbahn nutzen, Fahrgäste mit Westbahn-Ticket könnten auch Züge der ÖBB nutzen.
Der ÖBB-Fernverkehr auf der Südstrecke war bereits um 18.00 Uhr zwischen Wien und Mürzzuschlag eingestellt worden. Intercity-Züge und Railjets von und nach Kärnten beginnen und enden laut ÖBB in Bruck an der Mur. Railjets von Graz nach Wien endeten aufgrund der Unwetter bereits in Mürzzuschlag.
Wie die Bundesbahnen kurz vor Mitternacht mitteilten wurde ein Bus-Notfahrprogramm für die gesperrten Abschnitte der Süd- und Weststrecke gestartet. Das Angebot sei zudem abhängig von den aktuellen Straßenverhältnissen sowie der Verfügbarkeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und Bussen.
Tschechien, Polen und Rumänien
Von der aktuellen Regenfront und damit den Hochwasserereignissen sind auch Tschechien, Polen und Rumänien stark betroffen.
In Tschechien standen nach sintflutartigen Regenfällen ganze Landstriche unter Wasser. Die Behörden berichteten über den ersten Todesfall im Zusammenhang mit dem Hochwasser, zudem Montagvormittag von mindestens sieben Vermissten. Wegen akuter Überflutungsgefahr wurden mittlerweile in Ostrava, der drittgrößten Stadt Tschechiens, die Evakuierungen ausgeweitet. „In mehreren Stadtteilen ist es offensichtlich zu Deichbrüchen gekommen“, sagte Umweltminister Petr Hladik nach einer Krisensitzung. Die Bewohner wurden teilweise mit Schlauchbooten in Sicherheit gebracht. Die Trinkwasserversorgung brach vielerorts zusammen.
In Polen berief Regierungschef Donald Tusk angesichts der schweren Verwüstungen im Südwesten des Landes sein Kabinett zu einer Krisensitzung ein, um die Ausrufung des Katastrophenzustands abzusegnen. In der niederschlesischen Kleinstadt Klodzko standen ganze Straßenzüge unter Wasser, hier gab es auch ein Todesopfer. Das Dorf Glucholazy in der Region Oppeln wurde von Wassermassen verwüstet. Die Stadt Breslau (Wroclaw) in Niederschlesien bereitete sich indes auf eine Flutwelle vor, die am Mittwoch erwartet wurde.
Auch in Rumänien blieb die Hochwasserlage angespannt. Bei Starkregen und schweren Überschwemmungen kamen in dem Karpatenland mindestens sechs Menschen ums Leben. Betroffen waren vor allem die Regionen Galati, Vaslui und Iasi im Osten des Landes. Unter den Opfern sind hauptsächlich ältere Menschen. Die höchste Hochwasser-Warnstufe galt zunächst noch bis Mittag. Von den Wassermassen sind meist abgelegene Dörfer betroffen.
Klimawandel als Beitragstäter
Der Klimawandel ist bei den aktuellen Extremniederschlägen quasi „Beitragstäter". Ursache dürften aber mehrere Faktoren sein, etwa eine Kombination aus einer bestimmten meteorologischen Wetterlage mit Kaltlufteinbruch und dem extrem warmen Mittelmeer. Letzteres ist zum Teil auf die Klimaerwärmung zurückzuführen.
Generell führe ein wärmeres Klima zu stärkeren Extremniederschlägen, weil warme Luft deutlich mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, erklärt Douglas Maraun, Leiter der Forschungsgruppe Regionales Klima am Grazer Wegener Center for Climate and Global Change: „Im aktuellen Fall bedeutet das, dass die Wetterlage, die jetzt über Mitteleuropa zieht, mehr Feuchtigkeit mit sich nimmt, als sie das vielleicht vor 50 Jahren gemacht hätte. Derzeit kommen aber noch andere Faktoren dazu". Neben der Wetterlage mit einem Kaltlufteinbruch sei das Mittelmeer im Moment extrem warm, wodurch deutlich mehr Feuchtigkeit verdunsten kann.
Die Erwärmung des Mittelmeers wiederum ist laut dem Experten teilweise auf den Klimawandel zurückzuführen, aber auch auf die deutlich reinere Luft über Europa. Wegen verschärfter Schadstoffregelungen für die Schifffahrt gelange nicht mehr so viel Dreck in die Luft, wodurch weniger Sonnenlicht ins Weltall zurückgestreut werde. Das heize zusätzlich auf.