Reformpädagogik

Warum die FPÖ in der Steiermark Seriensiege feiert

FPÖ. Warum die Freiheitlichen in der Steiermark Seriensiege feiern

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Der letzte große Erfolg dürfte nur Flora-Feinspitzen bekannt sein und stammt aus dem Jahr 2010: Damals wurde Knittelfeld zur „schönsten Blumenstadt der Steiermark“ gekürt. Ansonsten ist die Kleinstadt einer der typischen Orte in der Mur-Mürz-Furche, die für stolze Industrievergangenheit und wenig Zukunft bekannt sind. Das lässt sich am besten an den Bevölkerungszahlen ablesen: Jedes Jahr ziehen oder sterben 95 Einwohner weg, die Einwohnerzahl ist heute mit 11.331 gleich hoch wie im Jahr 1923 – der Rest Österreichs wuchs in diesem Zeitraum um zwei Millionen Einwohner.

FPÖ auf Tuchfühlung
Wer dageblieben ist, murrt, weiß Bürgermeister Gerald Schmid zu berichten: „Das Hauptthema bei den Leuten ist, wie mit der Bankenkrise umgegangen wurde – nach dem Motto: Wir können nichts dafür, müssen aber zahlen.“ Schmid ist SPÖ-Bürgermeister, wie all seine Vorgänger in Knittelfeld. Noch 2005 waren in der Arbeiterhochburg SPÖ-Ergebnisse von 63 Prozent normal. Bei der EU-Wahl reichte es nur noch für 39 Prozent – und die FPÖ rückte mit 30 Prozent auf Tuchfühlung heran.

Knittelfeld ist kein Einzelfall, die Steiermark ist die neue Hochburg der FPÖ. Während ihr Aufstieg in Wien gebremst erscheint, setzte sie hier zum dritten Mal binnen weniger Monate zu Höhenflügen an: Quer durch Österreich kamen die Freiheitlichen bei der EU-Wahl in 190 Gemeinden auf Platz eins – mit 115 liegen fast zwei Drittel davon in der Steiermark. Landesweit konnte die ÖVP mit ihren 25,1 Prozent nur haarscharf den obersten Stockerlplatz retten, 0,9 Prozentpunkte dahinter folgt bereits die FPÖ. Bei der Nationalratswahl vergangenen Herbst war sie stärkste Partei gewesen. Besonders bitter für die Landeshauptmannpartei SPÖ ist das Ergebnis der Arbeiterkammerwahl vom April, bei der sich die Steiermark als Sonderfall erwies: Von Wien bis Klagenfurt legten die roten AK-Präsidenten zu, in Kärnten sogar um satte zehn Prozentpunkte – nur in der Steiermark wurde die SPÖ-Kammerführung mit einem Minus von acht Prozentpunkten abgestraft, während sich die FPÖ verdoppelte.

Kein Wunder, dass die steirischen Koalitionäre Franz Voves (SPÖ) und Hermann Schützenhöfer (ÖVP) nervös werden, auch bei der Landtagswahl in eineinhalb Jahren einen Wähler-Orkan befürchten und sich die bange wie bittere Frage stellen: Ist die dreifache blaue Siegesserie der Preis für die Reformen? Werden SPÖ und ÖVP dafür abgestraft, dass sie die Verwaltung umstellen, Gemeinden zusammenlegen, das Landesbudget sanieren – kurz: all das machen, wovon die Bundesregierung nur redet?

Überschätzter Zorn?
Zumindest die Bürgermeister in der Steiermark antworten darauf mit einem entschiedenen Nein. „Die Gemeindefusion regt bei uns nicht auf“, sagt Michael Viertler im Brustton der Überzeugung. Er ist ÖVP-Bürgermeister in Deutschfeistritz im boomenden Umland von Graz, wo die FPÖ Nummer eins ist. Auch in Deutschfeistritz verdoppelten sich die Blauen auf 35 Prozent. Viertler hat seit der Wahl mit vielen der 4071 Gemeindebürger geredet und eine interessante Theorie entwickelt: „Das Ergebnis der Wahl bildet die Reformverweigerung im Bund ab. Die Leute sind anzipft, dass nie etwas weitergeht, bei der Steuerreform, bei der Bürokratie und so weiter. Gerade weil in der Steiermark jetzt endlich Reformen angegangen werden, fällt der Stillstand im Bund umso mehr auf.“ Viertler ist Bürgermeister und Bäckereibesitzer und kann nachvollziehen, dass sich gerade Kleinbetriebe nach der versprochenen Entfesselung sehnen: „Große Unternehmen wie die Voest können drohen, nach Amerika zu gehen. Kleinen bleibt als Protest, die FPÖ zu wählen.“

Derart gefühlte Wählervermessung mag täuschen, sie zieht sich aber quer durch die Basis. Die Steiermark war stets ein guter Boden für die Blauen, schon Jörg Haider kam in seinen Glanzzeiten in den 1990er-Jahren hier auf 29 Prozent. Auch Hermann Dullnig, Bürgermeister von Zeltweg, hält das Gerede von der Ohrfeige für Reformen für Blödsinn und glaubt zu wissen, warum in seiner Kleinstadt die FPÖ auf 32 Prozent kam: „Wir haben zu wenig Arbeitsplätze. Das ist das Thema, das die Leute wirklich aufregt.“
Es mag bequem sein, die Schuld für die Wahlschlappe möglichst weit weg zu schieben – also nach Wien und auf den Bund. Der Grazer Politologe Klaus Poier hält das Erklärungsmuster, wonach der Reformstau der Bundesregierung gerade im Kontrast zu den Reformen im Bundesland besonders auffällt, für mindestens so wahrscheinlich wie die viel gängigere Schablone, dass sich Reformen rächen.

Wird der Zorn über die Gemeindezusammenlegung überschätzt? Ein Beleg dafür mag Sinabelkirchen im Bezirk Weiz sein, wo die FPÖ auf 40 Prozent kam. Dort gab es zwar eine Gemeindefusion – der Grant darüber müsste allerdings verdaut sein. Sie fand bereits im Jahr 1968 statt.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin