200 Jahre "Stille Nacht"
200 Jahre "Stille Nacht"

Weihnachtslied: 200 Jahre "Stille Nacht"

Von der Gelegenheitskomposition zum Welthit.

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Das möglicherweise bekannteste Weihnachtslied der Welt, "Stille Nacht! Heilige Nacht!", wird 200 Jahre alt. Am Heiligen Abend 1818 wurde es in der Salzburger Gemeinde Oberndorf im Flachgau komponiert und noch am selben Tag erstmals aufgeführt, vermutlich nach der Christmette bei der Krippenfeier in der Kirche. Damals ahnte noch niemand, dass aus der Gelegenheitskomposition ein Welthit wird.

Die Entstehung des Liedes ist schnell erzählt: Der Hilfspriester Josef Mohr hatte bereits zwei Jahre davor das Gedicht verfasst. Am 24. Dezember 1818 überreichte er es dem Arnsdorfer Dorflehrer Franz Xaver Gruber, der sich in der Oberndorfer Pfarrkirche St. Nicola als Organist ein Zubrot verdiente, "mit dem Ansuchen eine hierauf passende Melodie für 2 Solo-Stimmen sammt Chor und für eine Guitarre=Begleitung schreiben zu wollen", wie Gruber dreieinhalb Jahrzehnte nach der Uraufführung schriftlich festhielt.

"Letztgenannter überbrachte am nämlichen Abend noch diesem Musikkundigen Geistlichen, gemäß Verlangen ... seine einfache Composition, welche sogleich in der Heiligen Nacht mit allen Beifall produziert wurde." Mohr sang die Tenorstimme und spielte Gitarre, Gruber übernahm die Bassstimme, erinnerte sich Grubers Sohn in einem Schreiben.

Die Verbreitung des Liedes setzte bereits in den darauffolgenden Jahren ein. Der Zillertaler Orgelbauer Carl Mauracher war 1819 zur Reparatur der Orgel in Arnsdorf und 1825 zum Bau einer neuen Orgel in Oberndorf und brachte es in seine Heimat. Und dort schnappten es auch die Geschwister Strasser aus Laimach (Gemeinde Hippach) auf, die als Handschuhmacher zu verschiedenen Messen und Märkten fuhren und mit Gesang ihre Waren anpriesen. Außerdem traten sie als "Tiroler Nationalsänger" auf. Im Winter 1831/32 führten sie in Leipzig auch "Stille Nacht" auf. Das dürfte der sächsische Verleger August Robert Friese gehört haben, der wenig später den Erstdruck des Liedes als eines von vier "Ächten Tiroler-Liedern" herausgab. "Stille Nacht" wurde damit zum Volkslied, Komponist und Dichter wurden nicht überliefert.

Stille Nacht wurde zum Welthit

Durch Auftritte verschiedener "Tiroler Nationalsänger", darunter auch die Geschwister Rainer aus Fügen, und etliche Veröffentlichungen in Gesangsbüchern und Liedersammlungen breitete sich das Salzburger Weihnachtslied vor allem in den evangelischen Gebieten Deutschlands aus, durch Konzerte, Auswanderer und Missionare aber letztlich über den ganzen Globus. Aus der in wenigen Stunden entstandenen Komposition wurde allmählich ein Welthit.

Inzwischen soll das Lied in rund 300 Sprachen übersetzt worden sein, auch die Zahl 350 wird genannt. Angaben, die sich allerdings nicht seriös überprüfen lassen. Der Tiroler Heimatforscher Martin Reiter listet in seinem "Stille-Nacht"-Buch rund 120 Übersetzungen auf, darunter etwa auch Zulu, Inuit oder die Gebärdensprache. Auf jeden Fall wird auch hier die Verbreitung des Liedes durch katholische wie evangelische Missionare sichtbar, denn Versionen gibt es in vielen Sprachen indigener Völker; alleine für Maori sind sieben Versionen bekannt.

Als "Stille Nacht" auch im preußischen Königshaus angekommen war, schickte die Berliner Hofmusikkapelle 1854 eine Anfrage an das Erzstift St. Peter in Salzburg, weil man Johann Michael Haydn (1737-1806, Bruder Joseph Haydns) als Verfasser vermutete, der in Salzburg gewirkt hatte. Die Anfrage gelangte hier an den wirklichen Komponisten Franz Xaver Gruber, dem erst dadurch die überregionale Bedeutung seines Liedes bewusst wurde, die es inzwischen erreicht hatte. Er verfasste daraufhin eine "Authentische Veranlassung zur Composition des Weihnachtsliedes 'Stille Nacht! Heilige Nacht!'", in der er die Entstehung niederschrieb. Außerdem legte er der Antwort ein Notenblatt seiner Originalkomposition bei, weil im Lied inzwischen aus der D-Dur ein C-Dur und aus dem 6/8- ein 3/2-Takt geworden war. Auch im Text hatte es inzwischen Änderungen gegeben.

Zahlreiche Mythen um die Entstehung

Manche Mythen rund um die Entstehung des Weihnachtslieds "Stille Nacht" sind beinahe so alt wie das Lied selbst. Denn im Wesentlichen stützt sich die Forschung auf ein einziges Dokument, das Komponist Franz Xaver Gruber 1854 - also 36 Jahre nach der Entstehung und Erstaufführung - hinterließ: seine "Authentische Veranlassung zur Composition des Weihnachtsliedes 'Stille Nacht, heilige Nacht!'"

Vielleicht waren es auch die Fragen, die dieses Dokument offen ließ, die zur Legendenbildung beigetragen haben. Besonders hartnäckig gehalten hat sich bis heute die Ansicht, dass am Heiligen Abend 1818 in der Pfarrkirche St. Nicola in Oberndorf die Orgel ausgefallen sei. Später wurden dann sogar Kirchenmäuse dafür verantwortlich gemacht, die den Blasebalg des Instruments angenagt und dadurch außer Gefecht gesetzt haben sollen. Tatsächlich ist der Ausfall der Orgel historisch nicht belegt. Laut Thomas Hochradner, dem Leiter des wissenschaftlichen Beirates der Stille-Nacht-Gesellschaft, war das Instrument zu Weihnachten 1818 vermutlich sehr wohl bespielbar. Laut einem Protokoll einer Kirchenvisitation (1821) war die Orgel allerdings für den Kirchenraum zu klein dimensioniert. Und Grubers Sohn Felix sprach 1873 in einem Brief von einer "sehr schlechten, fast unbrauchbaren Orgel".

Dass "Stille Nacht" mit Gitarrenbegleitung und nicht mit der Orgel uraufgeführt wurde, ist für die Forschung vielmehr der Hinweis darauf, dass das Lied nicht direkt während der Mette, sondern anschließend bei einer Krippenandacht gesungen wurde; diese waren damals durchaus üblich. Und diese Krippe ist auch eines der wenigen Originale von dieser Weltpremiere. Sie steht heute in einem Museum in Ried im Innkreis.

Notenblatt verschollen

Das von Gruber wenige Stunden vor der Mette beschriebene Notenblatt mit "Stille Nacht" ist hingegen verschollen. Er hat es allerdings einige Zeit später noch einmal mit Bleistift auf die Rückseite eines Hochzeitsliedes notiert, allerdings ohne instrumentale Begleitung, und dann noch drei Mal Jahrzehnte später, jeweils mit unterschiedlichen Begleitungen. Das älteste Autograph ist zugleich die einzige Niederschrift von Textautor Josef Mohr. Sie entstand 1820 und weist in zwei Takten eine minimale Abweichung von Grubers Abschriften auf.

200 Jahre "Stille Nacht"

Die Pfarrkirche St. Nicola in Oberndorf selbst steht längst nicht mehr. Diese war erst 20 Jahre vor der Uraufführung neu eingeweiht worden, wurde aber nach der Begradigung der Salzach immer wieder von Hochwassern heimgesucht. Ende des 19. Jahrhunderts verursachten zwei knapp aufeinanderfolgende Überschwemmungen so große Schäden, dass das Gotteshaus gesperrt werden musste und 1910 schließlich abgetragen wurde. Die Einrichtung der alten St.-Nicola-Kirche wurde in der - an anderer Stelle errichteten - neuen Oberdorfer Pfarrkirche wieder verwendet. Am ursprünglichen Standort des ursprünglichen Gotteshauses wurde die Stille-Nacht-Kapelle gebaut und 1937 eingeweiht.

Ziemlich sicher noch im Original erhalten sein dürfte dafür die Gitarre, auf der Mohr vor 200 Jahren das Lied begleitete. Dokumente, die das belegen, gibt es zwar nicht, die Stationen des Instruments sind aber nachvollziehbar. Bei einer Wirtshausrauferei wurde es auch einmal beschädigt. Heute ist es im Halleiner Stille-Nacht-Museum zu sehen.

Der Text

"Stille Nacht!"

Text: Joseph Mohr, 1816 Melodie (Komposition): Franz Xaver Gruber, 1818

Stille Nacht! Heilige Nacht! Alles schläft; einsam wacht Nur das traute heilige Paar. Holder Knab im lockigten Haar, Schlafe in himmlischer Ruh! Schlafe in himmlischer Ruh!

Stille Nacht! Heilige Nacht! Gottes Sohn! O wie lacht Lieb´ aus deinem göttlichen Mund, Da uns schlägt die rettende Stund`. Jesus in deiner Geburt! Jesus in deiner Geburt!

Stille Nacht! Heilige Nacht! Die der Welt Heil gebracht, Aus des Himmels goldenen Höhn Uns der Gnaden Fülle läßt seh´n Jesum in Menschengestalt, Jesum in Menschengestalt

Stille Nacht! Heilige Nacht! Wo sich heut alle Macht Väterlicher Liebe ergoß Und als Bruder huldvoll umschloß Jesus die Völker der Welt, Jesus die Völker der Welt.

Stille Nacht! Heilige Nacht! Lange schon uns bedacht, Als der Herr vom Grimme befreit, In der Väter urgrauer Zeit Aller Welt Schonung verhieß, Aller Welt Schonung verhieß.

Stille Nacht! Heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht Durch der Engel Alleluja, Tönt es laut bei Ferne und Nah: Jesus der Retter ist da! Jesus der Retter ist da!