"Neue Ära"

Wie Katastrophen künftig (nicht mehr) eingedämmt werden können

Extremwetter-Ereignisse wie in Kärnten und der Steiermark häufen sich. Wie gut ist Österreich auf die Klimakrise vorbereitet?

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In der Steiermark verschwanden Häuser in den Fluten, in Kärnten rutschten Hänge in Täler und in Slowenien verwüstete ein Tornado Ortschaften. Das extreme Wetter der letzten Wochen verursachte unfassbares Leid und Milliarden an Schäden. Vor allem im Süden Österreichs mussten Menschen i zusehen, wie die Naturgewalten ihr Hab und Gut vernichteten.

„Hier bricht leider, was Katastrophen betrifft, eine neue Ära an“, befand Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) – und forderte eine Aufstockung des Katastrophenfonds durch den Bund. Länder und Gemeinden könnten die durch die Klimakrise immer größer werdenden Schäden nicht mehr allein bewältigen, so Kaiser.

Hier bricht eine neue Ära der Katastrophen an.

Peter Kaiser

Kärntner Landeshauptmann

Inwiefern einzelne Katastrophenereignisse direkt mit der Klimakrise zusammenhängen, ist schwer nachweisbar. Als Folge der Erderhitzung nehmen Extremwettereignisse aber weltweit und auch in Österreich zu. Die wärmere Luft nimmt mehr Wasserdampf auf, dadurch wächst etwa die Zahl der Tage mit viel Regen in den warmen Jahreszeiten und die Gefahr und Intensität kleinräumiger Unwetter. „Die Gefährdung durch den Klimawandel steigt“, sagt Marc Olefs, Leiter des Departments Klima-Folgen-Forschung der GeoSphere Austria in Wien.

In der Steiermark und in Kärnten dürfte allein der Sachschaden im privaten Bereich im zweistelligen Millionenbereich liegen. Länder und Gemeinden sind dabei nicht auf sich alleingestellt: Rund 600 Millionen Euro stellt das Finanzministerium jedes Jahr aus dem Katastrophenfonds zur Verfügung. Neben Entschädigungen werden daraus auch Ausrüstung für die Feuerwehr, Entgeltfortzahlungen für freiwillige Helferinnen und Helfer und vor allem präventive Maßnahmen bezahlt. Fast drei Viertel des Fonds werden jedes Jahr genutzt, um künftige Katastrophen zu bändigen.

Vorbeugende Erfolge

Und: Die Schutzbauten wirken. Während das Wetter immer extremer wurde, stiegen die ausgezahlten Schadenssummen etwa aus dem Katastrophenfonds (siehe Grafik) in den letzten Jahren nicht. Und obwohl sich Starkregen häuft, blieb die Zahl der schadhaften Murenabgänge zwischen 1961 und 2017 gleich, wie eine Studie von GeoSphere und der Universität für Bodenkultur zeigt. „Die einzige Erklärung ist, dass die Schutzmaßnahmen mit der Gefährdung gestiegen sind“, sagt Klimaforscher Olefs: „Das Wetter wird gefährlicher, unsere Verletzlichkeit nimmt ab.“

Das sei „durchaus ein Erfolg“, findet auch Florian Rudolf-Miklau. Als Leiter der Abteilung für Wildbach- und Lawinenverbauung im Landwirtschaftsministerium ist er mit dafür zuständig, den Naturgewalten Einhalt zu gebieten. 240 Millionen Euro investiere man jedes Jahr allein in die Wildbachverbauung – und jeder Euro in der Prävention verhindere in etwa das Doppelte an Sachschäden. Der Schutz von Menschenleben ist noch gar nicht eingerechnet. Wichtig sei zudem: „Wir schaffen es in Österreich aus eigenen Kräften, Katastrophen zu bewältigen und danach wieder aufzubauen. Das ist die Dimension, in der man denken muss.“

Das Wetter wird gefährlicher, unsere Verletzlichkeit nimmt ab.

Marc Olefs

Leiter des Departments Klima-Folgen-Forschung der GeoSphere Austria

Katastrophen-Kaskaden

Grund für Entwarnung sieht Klimaforscher Olefs nicht, im Gegenteil: In der Steiermark und in Kärnten hätten manche Schutzmaßnahmen nicht ausgereicht. Und die Gefährdung wächst durch den Klimawandel weiter. Bisher sei die Temperatur im Alpenraum um 2 Grad gestiegen, „wir erwarten derzeit fünf Grad“, sagt Olefs – und schon durch kleine Veränderungen dramatische Auswirkungen: „Es macht einen riesigen Unterschied, ob das Wasser bis zur Türe steht oder in das Gebäude fließt.“

Durch den Klimawandel treten außerdem bisher in dieser Konstellation kaum bekannte Gefahren auf. Die Hangrutschungen und Sturzfluten, die zuletzt in der Steiermark und Kärnten ganze Häuser erfassten, seien in dieser Intensität etwa ein vergleichsweise neues Phänomen, sagt Rudolf-Miklau. Hinzu kämen „kaskadische Ereignisse“. Durch den Gletscherrückgang werden lockere Materialien auf den Bergen freigelegt und beginnen zu rutschen: „Irgendwann spürt man das im Tal.“ In Osttirol seien auch große Teile der Schutzwälder durch Gewitterstürme zerstört worden. Die Gemeinden darunter seien nun im Winter vor Lawinen schlechter geschützt.

Nahende Anpassungsgrenzen

Die heimischen Äcker leiden indes verstärkt unter Trockenheit: Gab es zwischen 1961 und 1990 im Schnitt jedes Jahr noch zehn Hitzetage mit mehr als 30 Grad, hat sich deren Anzahl seither mehr als verdoppelt. Auch Waldbrände treten vermehrt auf. Schon jetzt sorgen sich drei Viertel aller Bäuerinnen und Bauern um Ernteausfälle aufgrund von Unwettern, Hagelschäden, Dürre und Co, zeigt eine Befragung im Auftrag der Österreichischen Hagelversicherung.

Der Gesamtschaden in der Landwirtschaft im heurigen Jahr beträgt bisher 220 Millionen Euro, 150 Millionen Euro davon sind Dürreschäden. Aufgrund der globalen Erwärmung seien immer weniger Rückversicherer bereit, dieses Risiko zu tragen, sagt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Hagelversicherung. Setze sich diese Entwicklung fort, könne man Dürre nicht mehr versichern, warnt er, und: „Wenn das Risiko nicht mehr versicherbar ist, muss der Staat den Schaden zahlen.“

Auch für den Katastrophenschutz fordert Marc Olefs mehr Geld. Man müsse die Dimensionierung der Schutzbauwerke aufgrund des Klimawandels überdenken: Rücklaufbecken, die in den letzten Wochen gefüllt waren und so Schlimmeres verhinderten, werden etwa zu klein für die Wassermassen der nächsten Jahre sein. Vor allem fordert der Klimaforscher aber Maßnahmen zum Klimaschutz: „Das ist der einzige Weg, um die Ursachen der vermehrten Katastrophen zu bekämpfen. Mit Schutzmaßnahmen stoßen wir an technische und ökonomische Anpassungsgrenzen.“

Selbstschutz

Wie groß die Gefahr für einen selbst ist, lässt sich auf hora.gv.at überprüfen. Dort werden Wettergefahren wie Schneelast, Stürme oder Hochwasser dargestellt. HORA 3D zeigt plastisch, wie tief Straßen oder Häuser bei verschieden schweren Überschwemmungen unter Wasser stehen würden. Durch die Eingabe der eigenen Adresse lässt sich das Risiko bei einer Flut besser abschätzen und etwa berechnen, ob das Grundstück durch Sandsäcke geschützt werden kann oder wie hoch Schutzmauern sein müssten.

links: © APA/KEVIN HARKAM

rechts: © hora.gv.at

Für die Betroffenen in der Steiermark und Kärnten kommt das zu spät. Sie müssen nun auf ihre Versicherungen, Unterstützung aus Bund, Ländern und Gemeinden und Spenden hoffen. Immer noch sind zahlreiche Freiwillige im Einsatz, um die Spuren der Verwüstung zu beseitigen. Gewiss ist: Das nächste Unwetter kommt bestimmt. Und durch den Klimawandel wohl eher früher als später.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.