Interview

Wolfgang Sobotka: „Nicht mit der FPÖ, dafür lege ich meine Hand ins Feuer“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka weitet die Koalitionsansage aus: Die Kickl-FPÖ kommt als Regierungspartner nicht in Frage – und eine andere FPÖ gebe es nicht. Als Innenminister hat Sobotka den mutmaßlichen Spion Egisto Ott suspendiert, laschen Umgang mit Spionage sieht er nicht.

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Sie haben Jan Marsalek, mittlerweile einer der meistgesuchten Männer der Welt, 2017 bei einem Essen in Moskau getroffen. Wie haben Sie ihn erlebt?
Sobotka
Er wurde mir im Rahmen eines Abendessens mit mehr als 20 anderen Personen vorgestellt. Als Politiker trifft man tagtäglich viele Menschen. Er hat keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Gäbe es das Foto und die Berichterstattung rund um Marsalek nicht, würde ich mich nicht an ihn erinnern.
Egisto Ott soll im Auftrag Marsaleks für Russland spioniert haben. Sie waren Innenminister, kennen Sie Ott?
Sobotka
Ich habe ihn seinerzeit suspendiert. Ich kenne ihn nicht, ein Minister setzt sich nicht mit jedem einzelnen Mitarbeiter auseinander. Später wurde die Suspendierung wieder aufgehoben.
Während Ihrer Zeit als Innenminister gab es Warnungen vor intensiver Tätigkeit der russischen Nachrichtendienste. Haben Sie die Warnungen zu wenig ernst genommen?
Sobotka
Wir haben nach bestem Wissen darauf reagiert. Aber uns fehlen die notwendigen Instrumente, etwa die Überwachung von Online-Diensten wie Messenger. Österreich hat weniger Möglichkeiten als andere Geheimdienste.
Online-Überwachung ist kein Wundermittel.
Sobotka
Aber sie wäre ein wesentlicher Schritt. Österreich war immer ein Zentrum der Spionage, der Film der „Dritte Mann“ ist bekanntlich in Wien gedreht worden. Spionage passiert aber nicht wie in einem James-Bond-Film, es wird eine Fülle von Einzeldaten zusammengetragen. Man muss immer wissen, worum es einem anderen Land geht. Russland geht es um die Destabilisierung Europas.
Österreich hat nach dem Angriff auf die Ukraine weniger russische Diplomaten ausgewiesen als andere Staaten, war das ein Fehler?
Sobotka
Sie können nur jemanden ausweisen, wenn es konkrete Verdachtslagen gibt. Viel wichtiger ist die Zusammenarbeit mit befreundeten Nachrichtendiensten. Daher werfe ich Herbert Kickl vehement vor, dass er als Innenminister Österreichs Ruf bei den befreundeten Diensten ruiniert hat. Das schädigt Österreichs Sicherheit. Darum ist Kickl für mich ein Sicherheitsrisiko.
Kickl war nicht einmal zwei Jahre Innenminister – die ÖVP besetzt seit 24 Jahren das Innenministerium. Sie können doch nicht Kickl allein für den Spionageskandal verantwortlich machen.
Sobotka
In der konkreten Affäre Ott gab es zu wenig Anhaltspunkte, um früher zu handeln. Ich war zwei Jahre lang Innenminister. Ich habe damals gesehen, dass sich im BVT einiges verändern muss. Aber Kickl ist mit einer absurden Aktion dort einmarschiert. Seine Absicht war klar erkennbar: an Informationen des Rechtsextremismus-Referats zu gelangen und Verbindungen zwischen Identitären und FPÖ zu verwischen. Keine Partei davor hat versucht, die Nachrichtendienste für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Kickl tat das. 
Braucht es einen Spionage-Untersuchungsausschuss?
Sobotka
Ich bin der Letzte, der einen U-Ausschuss verhindert. Aber in dem Fall würde ich zuerst die Gerichte arbeiten lassen. Denn wen sollen wir vor den U-Ausschuss laden, die Russen? Die werden nicht kommen.
Bei den derzeit laufenden Untersuchungsausschüssen sagen serienweise Auskunftspersonen ab. Sollen Menschen wie René Benko vorgeführt werden?
Sobotka
Die U-Ausschüsse laufen nur über einen kurzen Zeitraum, daher müssen Ladungen befolgt werden. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass Menschen wegen wichtigen und schon länger geplanten Terminen verhindert sind. Ob konkrete Personen vorgeführt werden, das werden die Parteien entscheiden.
Sie sind Vorsitzender der U-Ausschüsse.
Sobotka
Die Funktion des Vorsitzenden wird überschätzt. Ich habe das zu tun, was die Parteien beschließen. Ich mische mich inhaltlich nie ein.
Sie treffen Entscheidungen – oft zugunsten der ÖVP.
Sobotka
Das stimmt nicht. Ich halte mich immer an den Verfahrensrichter. Prinzipiell ist ein U-Ausschuss das schärfste Instrument der Opposition. Es ist sicher keine gute Entwicklung, Auskunftspersonen derart unter Druck zu setzen und ins Kreuzverhör zu nehmen wie in einem Gerichtsprozess. Es täte allen Parteien gut, da weniger scharf vorzugehen. Ich würde mir wünschen, zu einer neuen Verfahrensordnung zu kommen.
Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin