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Green Jobs: Welche Talente in Zukunft gefragt sind

Das AMS treibt die Ausbildung in Green Jobs voran, die Nachfrage ist jedoch überschaubar. Der Arbeitsmarkt steht laut Experten erst am Beginn der Transformation.

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17,5 Millionen Euro für die Green-Jobs-Offensive: So viel Geld soll in den nächsten drei Jahren in die Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit fließen. Mit diesem Plan startete das Arbeitsmarktservice AMS im April eine Initiative, um arbeitssuchende Personen zu schulen. Aber was sind Green Jobs eigentlich, und welche Qualifikationen werden am Arbeitsmarkt gesucht?

"Einerseits umfassen die grünen Berufe Tätigkeiten, die die Umwelt schützen", zitiert Pressesprecher Mathieu Völker aus dem AMS-Berufslexikon. Das wären zum Beispiel Berufe, die Luftverschmutzung und Müll vermeiden, Gewässer schützen oder Abwassersysteme entwickeln, aber auch zum Schutz von Tieren und Pflanzen beitragen. "Andererseits fallen unter die grünen Berufe Tätigkeiten, die natürliche Ressourcen schonend nutzen" - also Berufe, die sich zum Beispiel mit Energieeffizienz oder der Wiederverwertung von Materialien beschäftigen.

40 offene Green Jobs beim AMS

Global gesehen haben diese Berufsfelder großes Potenzial. Die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen berichtet in ihren jüngsten Zahlen, dass im Jahr 2021 12,7 Millionen Menschen in Green Jobs tätig waren und bezieht sich dabei in erster Linie auf die Energiebranche. Zwei Drittel dieser Arbeitsplätze sind demnach Asien zuzurechnen, Europa macht zehn Prozent aus. Mit 4,3 Millionen Beschäftigten wächst der Sektor Photovoltaik am stärksten. Bis 2030 erwartet die Internationale Arbeitsorganisation 38,2 Millionen Erwerbstätige im Bereich Erneuerbare Energien. In Österreich waren laut Statistik Austria im Jahr 2020 198.146 Menschen in der umweltbezogenen Produktion und Dienstleistung tätig. Den größten Anteil des jährlichen Produktionswerts in der Umweltwirtschaft macht die Produktion Erneuerbarer Energien aus, gefolgt von Wärme-und Energieeinsparung.

Und so will das AMS Personen für diese Berufsfelder ausbilden: Die Umsetzung passiert in einer Umweltstiftung, die das AMS gemeinsam mit dem Arbeitsministerium, dem Klimaministerium und den Sozialpartnern ÖGB und WKÖ initiiert hat. In den drei Jahren Projektlaufzeit sollen 1000 Teilnehmende ausgebildet werden, 40 Prozent davon Frauen. Von dem vorgesehenen Budget kommen zehn Millionen Euro aus öffentlicher Hand, 7,5 Millionen Euro sollen die beteiligten Arbeitgeber beisteuern. AMS-Sprecher Völker nennt erste Zahlen: "Die Umweltstiftung zählt aktuell 62 Teilnehmer, 35 davon im Alter bis 25 Jahre und 24 zwischen 25 und 45 Jahren. Mehr als die Hälfte haben nur Pflichtschulausbildung. Bislang haben 13 Unternehmen die Umweltstiftung beauftragt, für insgesamt 40 offene Stellen. Eine Person wurde bereits vermittelt." Da die Organisation erst seit April aktiv ist, befinden sich die meisten Personen laut AMS noch in Ausbildung, die meisten davon in den Bereichen Energieaufbringung und Gebäudetechnik.

Der Bedarf ist erst im Entstehen, wir stehen am Beginn der Klima-Bildung.

Andreas Tschas

Glacier-CEO

Völker bewertet die ersten sieben Monate so: "Das Interesse sowohl der Wirtschaft als auch der Arbeitsuchenden ist vorhanden, dennoch wäre es sicherlich wünschenswert, wenn sich noch mehr Betriebe für diese sehr sinnvolle Initiative finden."Die überschaubare Nachfrage erklärt er sich mit der üblichen Anlaufzeit für solche Projekte. Außerdem: "Eine mögliche Ursache ist die aktuelle Arbeitsmarktlage mit relativ niedriger Arbeitslosigkeit und vielen offenen Stellen. Dies kann dazu führen, dass Menschen sich eher für den Eintritt in die Erwerbstätigkeit als für eine Aus-oder Weiterbildung entscheiden. Dennoch ermutigen wir Betriebe, die im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit Mitarbeiter suchen bzw. ausbilden lassen möchten, sich mit dem AMS in Verbindung setzen."

Weiterbildungsangebote für Klimaschutz

Auch Andreas Tschas, Gründer der Plattform Glacier, sieht den Arbeitsmarkt für grüne Jobs in der Frühphase: "Der Bedarf ist erst im Entstehen, wir stehen am Beginn der Klima-Bildung." Mit Glacier berät er Unternehmen im Bereich Klimaschutz und bietet Weiterbildungsprogramme an. Tschas: "Alle reden über Klima, aber die wenigsten haben eine Ahnung davon. Es reicht nicht, dass sich nur wenige im Unternehmen damit beschäftigen. Jeder Job ist ein Klimajob." Der Glacier-Geschäftsführer will deshalb Aufklärung und Bewusstsein für den Klimawandel auf allen Ebenen anbieten, vom Fließband bis zum Top-Management. "Die Rolle von Nachhaltigkeitsmanagern wurde in der Vergangenheit etwas vernachlässigt, das ändert sich gerade. Jetzt sprechen wir von Climate-Leadern, die die Verantwortung tragen, und Climate-Rangern, die den Wandel im Unternehmen gemeinsam vorantreiben."

Während Arbeitgeber erst langsam die Notwendigkeit für klimaspezifische Fachkräfte erkennen, ist Nachhaltigkeit auf Arbeitnehmerseite ein wichtiges Kriterium für die Jobwahl. Das geht aus einer Umfrage hervor, die der Personaldienstleister Deloitte vergangenes Jahr gemeinsam mit der Wien Energie durchführte. Darin gaben 40 Prozent der Befragten an, nicht für einen Umweltsünder arbeiten zu wollen. "Junge Menschen wollen einen Arbeitgeber und einen Job, bei dem Klimaschutz eine Rolle spielt. Es reicht nicht, wenn Unternehmen nur über Nachhaltigkeit sprechen und Strategien aufschreiben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen sehen, wie Nachhaltigkeit gelebt wird", resümiert Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte, die Studienergebnisse.

Die ursprüngliche Idee von Glacier war es, einen CO2-Rechner für Unternehmen zu entwickeln. "Davon sind wir aber abgekommen, weil das nur eine Momentaufnahme ist. Eigentlich braucht es viel mehr Wissen",erklärt Nachhaltigkeitsexperte Tschas: "Es gibt zwar Studienangebote, doch die richten sich vor allem an das Management." Um echte Transformation zu schaffen, müsse man aber in die Breite gehen. Tschas rechnet damit, dass es in Zukunft in jeder Abteilung Nachhaltigkeitsverantwortliche geben und jeder Bereich den Klimaschutz mitdenken werde. Die erwähnte Transformation kann in Unternehmen von allen Ebenen angestoßen werden, nicht nur von der Geschäftsführung: "50 Prozent unserer Kunden sind zu uns gekommen, weil Mitarbeiter eigenständig einen Kurs von uns besucht haben. Sehr oft fängt der Wandel mit einer Person an."

Neues Climate Lab für Vernetzung

Einer, der die Transformation auf persönlicher Ebene angestoßen hat und sie jetzt zu einem Vollzeitjob gemacht hat, ist Gebhard Ottacher. Mehr als neun Jahre leitete er die Geschäfte bei der gemeinnützigen Bildungsinitiative Teach for Austria. "Dann war es Zeit, mich neu zu verorten",erinnert sich Ottacher. Heute leitet er das im Herbst offiziell eröffnete Climate Lab in Wien. Das Lab ist eine gemeinsame Initiative des Klimafonds, der Wien Energie und des Co-Working-Space Impact Hub. Wie Ottacher dazu kam? "Ich war schon mit 19 Jahren umweltbegeistert und war auch frustriert, weil damals schon zu sehen war, dass wir uns in die falsche Richtung bewegen. Diese Begeisterung hat mich wieder eingeholt, und ich habe zwölf Monate lang gelernt und mit vielen Menschen aus dem Klima-und Nachhaltigkeitsbereich gesprochen. Daraufhin habe ich beschlossen, die nächsten 20 Jahre meines Lebens diesem Thema zu widmen." Durch diese Findungsphase entstand schließlich mit den erwähnten Partnern das Climate Lab. Dessen Ziel ist es, die großen Player und Regulatoren im Bereich Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft bei Themen zusammenzubringen, die nicht allein lösbar sind. Konkret sind das die Branchen Energie, Verkehr sowie Bauen und Wohnen, erläutert Manager Ottacher.

Nicht nur durch seine persönliche Erfahrung, sondern auch durch den Austausch mit der Wirtschaft am Climate Lab sieht Ottacher die Herausforderung am Arbeitsmarkt: "Es wird ein Profil gesucht, das es nicht gibt: universitärer Abschluss plus substanziell Arbeitserfahrung. Aber viele dieser Studien gibt es noch nicht so lange. "Hier spricht der Klima-Netzwerker vor allem das Angebot an den österreichischen Fachhochschulen an. Die FH Burgenland führt zum Beispiel im Herbst 2023 einen neuen Bachelor-Studiengang für Nachhaltiges Management ein, zudem bieten weitere FHs und Universitäten Masterprogramme und Lehrgänge an.

ESG-Expertise

"Auf oberster Ebene werden vor allem Leute gesucht, die sich mit Environment Social Governance beschäftigen, da diese Kriterien immer wichtiger für Unternehmen werden", berichtet Ottacher. Im Operativen bestehe der Fachkräftemangel zum Beispiel bei der Installation von Photovoltaik-Anlagen. Verantwortung sieht der Climate-Lab-Chef auch bei der Schulbildung: "Es fehlt noch das Bewusstsein bei den Lehrkräften."

Glacier-Geschäftsführer Andreas Tschas rät allen Interessierten, die vorhaben, in einen Green Job zu wechseln, sich zu überlegen, welchen Beitrag sie in ihrem jetzigen Tätigkeitsfeld für den Klimaschutz leisten können. Gebhard Ottacher empfiehlt, nicht sofort den Job zu wechseln, sondern in einem ersten Schritt mit Veränderungen im persönlichen Bereich zu beginnen: "Der wichtigste Beruf ist eigentlich Klimaaktivist."