Panorama

Hohe Strompreise treiben Energiegemeinschaften voran

Die regionalen Zusammenschlüsse sollen den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben und auf lokaler Ebene Kosten sparen.

Drucken

Schriftgröße

Die Energiekrise setzt den Österreichern hart zu. Nicht zuletzt sind die gestiegenen Energiepreise für eine Inflationsrate von 10,5 Prozent im September verantwortlich. Doch der Mensch hat gelernt, dass man Krisen am besten gemeinsam bewältigt. Im Energiesektor boomen daher Energiegemeinschaften. Dieser Zusammenschluss von mindestens zwei Teilnehmern zur gemeinsamen Produktion und Verwertung von Energie erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Die rechtliche Grundlage dafür wurde mit der "kleinen Ökostrom-Novelle 2017" gelegt. Diese schuf die Möglichkeit, dass mehrere Personen auf einem Grundstück gemeinschaftlich Strom produzieren und verwerten. Der wirkliche Startschuss für die Energiegemeinschaften fiel jedoch mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket, das im Juli 2021 im Österreichischen Nationalrat beschlossen wurde. Mit diesen neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen können sich Personen zusammenschließen und über Grundstücksgrenzen hinweg Energie produzieren, speichern, verbrauchen und verkaufen.

Regionaler Energiemarkt

Hatte man mit der Gründung von Energiegemeinschaften ursprünglich die Forcierung der Energiewende bis 2030 im Auge, so hat die gegenwärtige Situation am Energiemarkt diesen Projekten noch mehr Brisanz verliehen. Denn als Teilnehmer einer Energiegemeinschaft kann man nicht nur den nächstmöglichen grünen Strom beziehen, man kann auch Kosten sparen. Mittlerweile sind mehr als 50 Energiegemeinschaften in Österreich registriert. "Die Strompreise galoppieren nach oben, und Energiegemeinschaften schaffen eine bessere Planbarkeit der Energiekosten. Außerdem bieten sie weit mehr Möglichkeiten als das reine Handeln mit Strom-zum Beispiel die Sektorkopplung mit Wärme oder Mobilität", so Eva Dvorak, die Leiterin der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften des Klimafonds.

Das steigende Interesse daran zeigt auch das jährliche Stimmungsbarometer der Universität Klagenfurt, WU Wien, Deloitte Österreich und Wien Energie. Laut Umfrage kommt für zwei Drittel der Österreicher eine solche Beteiligung infrage. Nahezu jeder fünfte Studienteilnehmer könnte sich sogar vorstellen, selbst eine Energiegemeinschaft zu gründen. Dazu erklärt Michael Strebl, Vorsitzender der Wien-Energie-Geschäftsführung: "Wir sind davon überzeugt: Energiegemeinschaften sind ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Mit solchen Projekten erfahren die Menschen, dass sie selbst Teil der Lösung sein können." Bereits vor fünf Jahren wurden laut Strebl mit einem Pilotprojekt im Viertel Zwei im 2. Wiener Gemeindebezirk die Weichen für dieses neue gemeinschaftliche Modell gestellt. "Mit dem daraus gewonnenen Wissen können wir nun ähnliche Energiegemeinschaften am Markt rasch umsetzen. Die Nachfrage ist groß",so Strebl weiter. Was mit dem Ökostromgesetz im Mehrfamilienhaus rechtlich möglich geworden ist, soll mit dem Clean Energy Package der EU noch ausgedehnt werden. Strebl: "Hier sehe ich für Energieanbieter wie uns eine große Chance. Wir können lokale Kommunen und Stadtviertel mit unserer Expertise unterstützen, wenn sie sich bei der Energieproduktion und der Weiterverwertung zusammentun wollen."

Zwei Gemeinschaftsmodelle

Das Gesetz sieht zwei Energiegemeinschafts-Modelle vor: die lokal beschränkte "Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft" und die innerhalb Österreichs geografisch unbeschränkte "Bürgerenergiegemeinschaft". Die Österreichische Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften definiert sie wie folgt: Die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) darf Energie-Strom, Wärme oder Gas-aus erneuerbaren Quellen erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen. Die Kollektive nutzen dabei die Anlagen des Netzbetreibers (wie das Stromnetz),dabei müssen sie immer innerhalb des Konzessionsgebiets eines einzelnen Netzbetreibers angesiedelt sein. Mitglieder oder Gesellschafter von EEGs können Privat-oder Rechtspersonen sein, Gemeinden, lokale Behörden oder auch KMUs. Sie müssen im Nahebereich der Erzeugungsanlage angesiedelt sein.

Als Organisationsform ist vom Verein bis zur Kapitalgesellschaft vieles möglich, die Gemeinnützigkeit muss dabei im Vordergrund stehen. Für das zweite Modell, die Bürgerenergiegemeinschaften (BEG),gelten ähnliche Regelungen wie für EEGs. Im Gegensatz zur EEG darf die BEG nur elektrische Energie erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen. Sie ist nicht auf erneuerbare Quellen beschränkt und kann sich über die Konzessionsgebiete mehrerer Netzbetreiber in ganz Österreich erstrecken.

Unterstützung von Energieversorgern 

Das Interesse an Energiegemeinschaften vonseiten der Gemeinden ist in Salzburg besonders hoch, wie die Salzburg AG auf Anfrage bestätigt. Rund 80 Prozent der Salzburger Gemeinden haben bereits angefragt, bei einer Vielzahl ist das Interesse konkreter geworden, und erste Gemeinden sind in der Umsetzung. "Wir sind davon überzeugt, dass es in spätestens fünf Jahren in jeder Gemeinde eine EEG geben wird", so Kristijan Jarc, Leiter des Digitalbereichs der Salzburg AG: "Der Boom bei PV-Anlagen ist ungebrochen. Im Vorjahr hatten wir eine Steigerung des jährlichen Zubaus um 117 Prozent gegenüber 2020 in Österreich."

Mit der digitalen Plattform Enox.Share hat die Salzburg AG ein Tool geschaffen, mit dessen Hilfe sich Nutzer zusammenschließen und Energie austauschen können. "Bei uns kommt alles aus einer Hand: Von der Gründung, der Inbetriebnahme bis hin zum kompletten Management sowie der Abrechnung der Energiegemeinschaft sind wir als kompetenter Partner immer an der Seite unserer Kundinnen und Kunden",erklärt Jarc.

Ein Pionierprojekt wurde in der Gemeinde Thalgau gestartet: Dort wurde die erste kommunale EEG Salzburgs gegründet. Die 27,5 Kilowatt-Peak starke PV-Anlage am Dach des Gemeindeamts erzeugt nicht nur Strom zum Eigenverbrauch, die überschüssige Sonnenenergie wird an 20 Mitglieder in der Region weitergegeben. Dazu Vizebürgermeister Karl Oberascher: "Für uns war eines sofort klar: Sobald es die Rahmenbedingungen ermöglichen, wollen wir eine Energiegemeinschaft gründen. Nun bin ich der Obmann der ersten kommunalen Energiegemeinschaft im Bundesland."

In Wels ist auf Betreiben von Wels Strom eine erste "Ökostrom teilen"-Energiegemeinschaft gestartet. Der Betreiber eines Kleinwasserkraftwerks am Mühlbach in Schafwiesen teilt den Strom mit 16 Nachbarn in der Siedlung über eine gemeinsame Trafostation. "Wir sind Geburtshelfer einer der ersten aktiven Erneuerbaren Energiegemeinschaften in Österreich, die vollumfänglich funktionieren und bereits in Betrieb sind", zeigt sich Lothar Müller, Bereichsleiter bei Wels Strom, erfreut. "Ökostrom regional zu erzeugen und auch regional zu verbrauchen, ist der Kern des Modells. Während in vielen Regionen über Gründungen von Energiegemeinschaften noch diskutiert wird, haben wir das erste Projekt bereits umgesetzt." Für diese EEG wurde ein Verein gegründet, drei Mitglieder haben ehrenamtlich Funktionen übernommen. Wels Strom steuerte die Analyse, Beratung und Konzeption auf Basis der seit Juli 2021 geltenden rechtlichen Vorgaben bei. Auch Abrechnung und Servicierung kommen vom Energieanbieter. Das Unternehmen sichert zudem die unterbrechungsfreie Versorgung, falls das Kleinwasserkraftwerk einmal ausfallen sollte oder gewartet werden muss.

Erkenntnisse für weitere Projekte

Bei "Ökostrom teilen" von Wels Strom können sich mehrere Privatpersonen, Landwirte, aber auch kleine und mittlere Betriebe sowie Gemeinden auf kleinem Raum in Eigeninitiative zu einer EEG zusammenschließen. Der Ökostrom kann aus der Sonne, Windund Wasserkraft oder Biomasse produziert werden. Prinzipiell gilt: Je kleinräumiger, desto besser, weil dann die Netzentgelte sinken.

Um die Gründung weiterer EEG anzustoßen, legt der Klima-und Energiefonds seine Förderung erneut auf. Gefördert werden Projekte mit insgesamt drei Millionen Euro, dotiert aus Mitteln des Klimaschutzministeriums (BMK). "Mit dem Programm wollen wir innovative Energiegemeinschaften in Österreich initiieren und stärker etablieren. Das Energiesystem für eine klimafreundliche Zukunft braucht dezentrale Erzeugung und Speicherung", so Ingmar Höbarth, Geschäftsführer Klima-und Energiefonds. Gefördert werden Energiegemeinschaften als Kombination von Maßnahmen technologischer Innovation zur Bereitstellung von Strom und Wärme oder Kälte sowie sozialer, ökologischer und organisatorischer Innovation. Die im Rahmen des Projekts gewonnenen Erkenntnisse werden veröffentlicht. Damit soll die Basis für weitere zukunftsweisende Energiegemeinschaften gelegt werden.