Sonnenfinsternis: Warum die Solarthermie hinterherhinkt

Die Gaskrise sorgt für ein Hoch bei den Erneuerbaren. Nur die Solarthermie hinkt hinterher. Warum wird diese billige und vor allem saubere Energie nicht besser genutzt?

Drucken

Schriftgröße

Ganz geheuer ist ihnen die Visite nicht. Der Großteil der Truppe versteckt sich im hinteren Teil der Liegenschaft. Doch bald siegt unter den Mutigeren die Neugier, und sie wagen sich hervor, um die Gäste zu beäugen. Weiße, braune und schwarze: Insgesamt 25 Schafe leben auf dem 13.000 Quadratmeter großen Grundstück vor den Toren der kärntnerischen Stadt Friesach. Und eigentlich müssten sie Besuch inzwischen gewohnt sein. Denn die Herde grast nicht auf irgendeiner Weide, sondern auf Österreichs größter Solarthermie-Anlage, die seit ihrer Inbetriebnahme im Herbst 2021 immer wieder Ziel von Fachexkursionen ist.

Vorzeigeprojekt

Österreichs größte Solarthermie-Anlage in Friesach

Der Ukraine-Krieg hat den erneuerbaren Energien einen ordentlichen Schub verpasst. Doch nicht alle profitieren gleichermaßen davon. Während 
etwa Wärmepumpen, Photovoltaik und Pelletsheizungen boomen, hinkt die Solarthermie hinterher. Trotz Vorzeigeprojekten wie in Friesach. Warum wird diese billige und vor allem saubere Energie nicht besser genutzt? Was kann sie zur Energiewende beitragen? Und wo stößt sie an ihre Grenzen? 

Heizen macht in österreichischen Haushalten den Großteil des Energiebedarfs aus – bis zu 80 Prozent fallen laut Statistik Austria für Wärme und Warmwasser an. Von den knapp vier Millionen Haushalten in Österreich heizt ein Drittel mit Gas oder Öl, nur etwa zehn Prozent nutzen Wärmepumpen oder Solaranlagen. Der Umstieg auf klimafreundliche Technologien wird großzügig gefördert. Eine 2017 veröffentlichte  Studie der Internationalen Energieagentur errechnete für Österreich ein technisches Potenzial von jährlich bis zu 7000 Gigawattstunden (GWh) Solarwärme, was bedeuten würde, dass jedes zweite Gebäude mit Solarwärme versorgt wird. Derzeit liegt die heimische Produktion bei rund 2100 GWh pro Jahr. Es ist also noch reichlich Luft nach oben.

Vier Jahre dauerte es von den ersten Gesprächen bis zum Baubeginn in Friesach, erzählt Wolfgang Guggenberger in der aktuellen Folge von Tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise. Mit seinem Unternehmen Solar Engineering plante er die vom Energieversorgungsunternehmen Kelag betriebene Anlage. Bei den Verantwortlichen im Land sei einiges an Überzeugungsarbeit notwendig gewesen, denn: „Kärnten hat eine Freiflächen-Verhinderungsverordnung“, klagt der Experte. Aus Sorge um den Tourismus wolle man weder Photovoltaik- noch Solarthermieanlagen und auch keine Windräder. „Das ist eine Haltung, die in der Politik viel stärker verhaftet ist als in der Bevölkerung“, meint Guggenberger. Bei der Eröffnung der Anlage in Friesach stellten sich die Landespolitiker aber dann doch gerne ein. 

436 Sonnenkollektoren mit einer Gesamtfläche von knapp 6000 Quadratmetern stehen nun im Süden der Kleinstadt. Auf dem Kollektorfeld wird das Wasser auf 90 Grad erwärmt und über die Fernwärmeleitung in den riesigen, eine Million Liter fassenden Pufferspeicher beim Heizwerk transportiert. Das Warmwasser kann darin – auch wenn die Sonne nicht scheint – bis zu drei Tage auf Temperatur gehalten werden. Das gibt Wärme zum Heizen und für die Warmwassergewinnung für 500 Kunden im Stadtkern, darunter auch Großkunden wie das Friesacher Krankenhaus und einige Gewerbebetriebe. Die jährliche Energieproduktion von 2500 Megawattstunden entspricht einem Deckungsgrad von 15 Prozent des Wärmebedarfs der Stadt. Durch die Anlage können so pro Jahr 300.000 Liter Heizöl beziehungsweise 600 Tonnen Holz ersetzt werden. Zwei Prozent der Gesamtfläche sind mit Photovoltaikmodulen belegt. Sie produzieren so viel Strom, wie für den Antrieb der Umwälzpumpen benötigt wird. Die Energieaufbringung für die Anlage ist somit autark und -neutral. 

Die ablehnende Haltung ist in der Politik viel stärker verhaftet als in der Bevölkerung.
 

Wolfgang Guggenberger, Solar Engineering

Grundsätzlich funktioniert die Solarthermie so: Die Oberfläche eines Sonnenkollektors besteht aus einem speziellen Glas, das möglichst viel Sonnenlicht durchlässt und ihn vor Regen, Hagel und Schnee schützt. Darunter fängt eine dunkle Aluminiumschicht die Sonnenwärme ein und überträgt sie auf Rohre, die sich schlangenförmig durch den Kollektor winden. Die in den Rohren befindliche Flüssigkeit erwärmt das Wasser im Pufferspeicher, das als Warmwasser in der Dusche landet oder zum Heizen verwendet werden kann. 

Im Einfamilienhaus kann eine Solarthermieanlage den jährlichen Heizbedarf bis zu zwei Drittel abdecken, vorausgesetzt, es ist gut gedämmt und mit einer Fußboden- oder Wandheizung ausgestattet. Der Rest wird häufig mit einer kleinen Zusatzheizung bestritten, etwa einer Wärmepumpe oder Pellets. Es lohnt sich auch, nur die Warmwasserversorgung umzurüsten. Damit können sogar drei Viertel des Jahresbedarfs abgedeckt werden. „Das kann jeder Installateur vergleichsweise günstig und rasch installieren“, meint Guggenberger.

Im Unterschied zur Solarthermie erzeugt die Photovoltaik Strom aus Sonnenenergie. Welche Technologie ist also besser? Das hängt stark von der Energienutzung im Einzelfall ab, sagen die Experten. Wird etwa in einer Großfamilie viel Warmwasser verbraucht, bietet sich die Solarthermie an. Pärchen-Haushalte sind womöglich mit Photovoltaik besser bedient, weil sie den Stromüberschuss ins Netz speisen können. Oder man kombiniert beide Systeme auf einem Dach.

Insgesamt tut sich die Solarthermie auf dem Markt derzeit allerdings schwerer als die Photovoltaik. Bis 2010 verzeichnete Erstere zwar einen massiven Ausbau, der vor allem den damals hohen Energiepreisen geschuldet war. Doch in den vergangenen zwölf Jahren brach die Nachfrage hierzulande ein. Auch global gesehen verzeichnete die Solarthermie eine kurze Flaute, wuchs jedoch im Vorjahr wieder um drei Prozent. China ist Weltmarktführer bei der installierten Leistung, gefolgt von der Türkei, den USA, Deutschland und Brasilien.

Schuld am Einbruch der Solarthermie in Österreich war die Reduktion der Förderungen, bei gleichzeitiger Kannibalisierung durch die – wiederum von der öffentlichen Hand stark subventionierte – Photovoltaik. Und nicht einmal die enorm hohen Energiepreise in Folge des Ukraine-Krieges führten zu einem Anstieg der Solarthermie. Im Gegenteil: Der Ausbau der installierten Leistung hat sich heuer sogar halbiert. „Die Konkurrenz durch die Photovoltaik ist nach wie vor sehr groß“, sagt Roger Hackstock, Geschäftsführer von Austria Solar, dem Interessenverband der heimischen Solarthermie-Branche. Zudem seien zwar einige Großprojekte in Planung, die aber erst in den kommenden Jahren in die Statistik einfließen würden. Würden alle 21 bisher beim Klima- und Energiefonds eingereichten Machbarkeitsstudien für Großanlagen realisiert, würde das einen Zuwachs von 450.000 Quadratmeter Kollektorfläche bedeuten. Das entspricht etwa einem Zehntel der aktuell installierten Fläche und einem Investitionsvolumen von 225 Millionen Euro. 

Für manche Unternehmungen ist die Solarthermie geradezu prädestiniert. Für die Metallindustrie zum Beispiel, wo Oberflächen entfettet, galvanisch behandelt und dafür Temperaturen von 60 bis 70 Grad benötigt werden. Auch in der Ledererzeugung, in der Textilproduktion und in der Lebensmittelindustrie, etwa zum Waschen von Mehrwegflaschen: Überall, wo man warmes Wasser braucht, kann man die Sonne nutzen.

Marktentwicklung

Während die Photovoltaik boomt, gerät die Solarthermie ins Hintertreffen. 

Vor Kurzem schlugen die Wiener und niederösterreichischen Gemüsebauern Alarm: Sie könnten sich den Betrieb der Gewächshäuser wegen der hohen Energiepreise im heurigen Winter nicht mehr leisten. Die Folge seien 20 Prozent weniger heimische Gurken, Tomaten und Paprika in den Supermärkten, warnte der Gemüsebauverband. Auch hier könnte die vergleichsweise günstige Heizkraft von Sonnenkollektoren die Lösung sein. Und Großanlagen werden großzügig gefördert, 40 bis 50 Prozent der Investitionskosten übernimmt in der Regel der Staat. 

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner verkündete vergangenen Mittwoch den „Aufbruch in die Energieunabhängigkeit“. Sie will in den kommenden Jahren viele Windräder, Klein-Wasserkraftwerke und neue Stromleitungen bauen, Biomasse und Photovoltaik großzügig fördern. Was aber ist mit der Solarthermie? „Natürlich ist sie wichtig, aktuell waren neue Ziele aber vorrangig bei Wind und Photovoltaik nötig“, sagt Landessprecher Philipp Hebenstreit gegenüber profil. Solarthermie könnte „ohne große Rahmensetzungen eingesetzt“ werden, so Heben-streit.  Austria-Solar-Geschäftsführer Hackstock nimmt aber auch die Bundesländer in die Pflicht: „Wir fordern, dass Freiflächen in der Nähe von Wärmenetzen definiert werden. Für Windkraft und Photovoltaik gibt es ausgewiesene Eignungszonen. Für die Solarthermie nicht.“

Private können den sogenannten „Solarbonus“ beantragen. Er beträgt 1500 Euro und wird zusätzlich zum Förderprogramm „Raus aus Öl und Gas“ gewährt, bei dem der Umstieg auf klimafreundliche Energieformen mit bis zu 7500 Euro pro Haushalt gestützt wird. Auch die Länder und Gemeinden fördern den Bau von Sonnenkollektoren. Insgesamt lassen sich bei der Umrüstung bis zu 11.000 Euro sparen. 

Die wenigsten wissen von den Förderungen für die Solarthermie. Das gehört besser kommuniziert.
 

Roger Hackstock, Austria Solar

Wo es welche Summen abzuholen gibt, ist auf solarwaerme.at nachzulesen, der Website des Verbands Austria Solar. „Wir würden uns wünschen, dass das Klimaministerium den Solarbonus offensiver kommuniziert. Die wenigsten wissen davon, was sich auch daran zeigt, dass die Förderung bisher kaum abgerufen wurde“, sagt Hackstock. Im Gegensatz zur Photovoltaik: Deren aktueller Fördertopf wurde vergangene Woche regelrecht gestürmt und verzeichnete binnen fünf Minuten 23.000 Anträge.

Zurück nach Friesach. Dort zeigt sich, wie ungerechtfertigt das häufig vorgebrachte Argument ist, bei Solarthermie oder auch Photovoltaik auf der grünen Wiese werde Boden versiegelt. Gerade einmal 20 Quadratmeter wurden für die Fundamentplatte des Technikcontainers betoniert. Die Sonnenkollektoren befinden sich hingegen auf in den Boden gerammten Eisenpfählen. Dazwischen weiden die Schafe, die unter den Modulen Futter und Schutz vor Sonne und Regen finden. „Die Biodiversität hier ist deutlich höher als auf der benachbarten Wiese, wo das Gras für die Kühe geschnitten wird“, sagt Guggenberger.

Generell haben sich die friedfertigen Schafe als die idealen Bewohner von Solarfeldern erwiesen. Andernorts gingen Versuche mit Ziegen ins Geld: Die Module hielten den Hufen der kletterfreudigen Tiere nicht stand. Und erst die respektlosen Hühner, die bevorzugt auf den Kollektoren hockten und ihren Kot fallen ließen. Der Unrat blockierte die Sonnenstrahlen, was zu Einbußen bei der Energieernte führte. 

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).