Panorama

MiCA: Wie die EU den Krypto-Markt kontrollieren will

Ab 2024 will die EU die Kryptobranche streng kontrollieren. Die MiCA-Verordnung drängt Krypto-Plattformen zu mehr Verantwortung.

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Die Geschichte der Kryptowährungen ist auch eine Geschichte der Skandale. Beim 2017 aufgeflogenen Schneeballsystem OneCoin summierte sich der Schaden auf vier Milliarden Dollar. Die Gründerin, die Deutsche Ruja Ignatova, ist abgetaucht und steht inzwischen auf der Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher des amerikanischen Bundeskriminalamts FBI. Im Fall Bitconnect wurden Anlegern, die ihre Bitcoins dort deponierten, märchenhafte Gewinne von etwa einem Prozent, und das pro Tag, in Aussicht gestellt. Im besten Fall hätte man den Einsatz in 120 Tagen verdoppelt. Mit solch vollmundigen Versprechen schaffte es Bitconnect kurz unter die Top 20 aller Kryptowährungen, bevor die Blase im Jahr 2018 platzte. Der Schaden wird auf eine Milliarde Dollar geschätzt. In unrühmlicher Erinnerung ist auch die Kryptobörse Mt.Gox, einst der weltweit größte Handelsplatz für Bitcoins, die 2014 pleiteging. Dort verschwanden angeblich durch Hacker 650.000 Bitcoins, es spielten aber auch interne Manipulationen eine Rolle.

Dazu kamen im Lauf der Jahre Hunderte größere oder kleinere Trittbrettfahrer, die Anleger mit der Aussicht auf schnelles Geld schröpften-auch hierzulande. Im Vorjahr hatten 55 Prozent aller Betrugsfälle, die bei der österreichischen Finanzmarktaufsicht FMA gemeldet wurden, einen Bezug zu Kryptowährungen und anderen digitalen Veranlagungsformen. Die aktuellen Kursverluste von Bitcoin& Co trüben das Klima für Betrüger ein, es gibt aber trotzdem immer neue Fälle. So veröffentlichte die FMA am 19. Oktober 2022 die jüngste Investorenwarnung zu "Happy-Coins".

Positives Signal für die Branche

Die EU will jetzt solchen Wild-West-Vorfällen einen Riegel vorschieben. Analog zur Regulierung für Versicherungen und Wertpapiere soll nun auch die Kryptoszene durch eine EU-Verordnung namens MiCA("Markets in Crypto-Assets") europaweit nach den gleichen strengen Vorgaben wirtschaften. Nach zwei Jahren heißer Debatten wurden die MiCA-Regeln Anfang Oktober 2022 vom EU-Ministerrat abgesegnet, sie sollen 2024 in Kraft treten. Raphael Schön, Autor des im November erscheinenden Reclam-Buches "Bitcoin. 100 Seiten": "Generell ist die EU-Regulierung ein positives Signal für die Branche. Etablierte Unternehmen, die jetzt oft schon nationale Konzessionen haben, werden gestärkt. Neuere, teilweise unseriöse Anbieter werden es schwerer haben."

Eine der wichtigsten MiCA-Bestimmungen zum Schutz der Konsumenten ist, dass die Kryptoplattformen für die bei ihnen deponierten Vermögenswerte haften sollen und diese Guthaben den Kunden direkt zugewiesen werden. Bisher arbeiten viele Plattformen mit Sammeldepots. Dort werden dann zum Beispiel Bitcoins von vielen Kunden gemeinsam verwahrt . Das ist zu vergleichen mit einem großen Safe, in dem die Bank das gesamte Goldvermögen ihrer Kunden zusammen aufbewahrt. Spätestens dann, wenn ein Safe-Knacker einen Teil der Goldmünzen und-barren mitnimmt, ist unklar, wer eigentlich wie hoch geschädigt ist. Ähnliches gilt für viele Kryptovermögen, die in einer Art Schließfach für alle liegen.

Oliver Völkel, ein auf Kryptowährungen spezialisierter Wiener Anwalt, erklärt die Sachlage: "Wenn zum Beispiel 20 Prozent der Bitcoins durch Hacker verschwinden, würde möglicherweise jedem Kunden der Bestand um den gleichen Prozentsatz gekürzt. So können die Börsen nicht weitermachen, es braucht Rechtssicherheit. "Künftig sollen die Kryptowerte eines Kunden in eigenen "Schließfächern" liegen. Rechtsanwalt Völkel: "Da die Kryptoplattformen außerdem künftig für Verluste durch Hacker haften, muss dies auch gewährleistet sein. Genaues schreibt MiCA zwar nicht vor. Denkbar ist ein entsprechendes Eigenkapital oder der Abschluss einer Versicherung." Fraglich ist aber, ob überhaupt eine Versicherung das Risiko tragen wird, und falls ja, zu welchen Kosten.

Geldwäsche-Verdachtsfälle häufen sich


Robert Supnig, Geldwäschebeauftragter des Grazer Bitcoin-Brokers Coinfinity: "Wir gehen solchen Problemen von vornherein aus dem Weg und bieten aus Sicherheitsgründen keine Depotlösung an. Alle unsere Kunden haben ihre eigenen Wallets, wir beraten nur, wie das funktioniert. Der große Vorteil von Bitcoin ist, dass es dezentral ist. Warum sollte man es dann zentral verwahren? "Sehr wohl betroffen ist Coinfinity wie alle anderen Anbieter aber von den strengeren Geldwäschebestimmungen, die im Zuge von MiCA eingeführt werden: "Wir müssen künftig bei einem Austausch mit einer anderen Börse sowohl den Namen des Senders als auch den des Empfängers kennen." Allenfalls Geschäfte direkt zwischen zwei Kunden können dann noch anonym ablaufen. Übrigens melden die österreichischen Kryptoanbieter schon jetzt zahlreiche Geldwäsche-Verdachtsfälle-im Jahr 2021 waren es immerhin 250. Das Bundeskriminalamt in Wien gesteht der Kryptoszene zu, sich dem Sorgfaltsniveau der Banken angenähert zu haben. Schließlich drohen Kryptounternehmen, ähnlich wie Banken, harte Strafen bei Missachtung der Vorschriften. Zum Vergleich: Notare, die oft große, mit Geldkoffer getätigte Immobilientransaktionen abwickeln, schlugen bloß 17 Mal Alarm.

Als weiteres Sicherheitsmerkmal verlangt MiCA, dass jeder Emittent einer Digitalwährung einen Prospekt erstellt. Dort muss dann ähnlich wie in einem Wertpapierprospekt genau erläutert werden, wer hinter dem Produkt steht, wie dieses funktioniert und welche Risiken vorhanden sind. Allerdings zielt MiCA hier weniger auf die Kryptobranche, so Rechtsanwalt Völkel: "MiCA wurde vor allem für klassische Banken geschaffen, die künftig wertgebundene digitale Token auf alles Mögliche, von Aktien bis zu Gold sowie E-Geld, ausgeben könnten." Dank der unionweit geltenden Regeln ist dann ein EU-weiter Vertrieb problemlos. Auch sogenannte Stablecoins, die eins zu eins an eine Währung wie den Euro gekoppelt sind, sollen dann strenger reguliert werden. So sollen Stablecoins künftig zwei Prozent zusätzliche Überschussreserve für Krisenfälle halten, was weit über dem liegt, was derzeit der Fall ist.

Es bleibt die Frage, wie durchschlagskräftig MiCA ist. So steht zu befürchten, dass sich Anbieter dort registrieren, wo die Aufsicht als besonders locker gilt. Mit dieser Zulassung in kulanten Staaten ist dann aber der EU-weite Vertrieb problemlos möglich. Bei Banken wurde zum Beispiel schnell klar, dass die nationalen Aufsichten bei heimischen Instituten nicht immer genau hinsahen. Deshalb werden die 110 größten EU-Geldinstitute jetzt von der Europäischen Zentralbank EZB kontrolliert.

Schwierige Umsetzung

Klar ist auch, dass das MiCA-System in erster Linie EU-Anbieter umfasst. Rechtsanwalt Völkel: "Den Aufsichtsbehörden in der EU bleiben als wirkliche Waffe vor allem Warnmeldungen, wenn zum Beispiel eine dubiose Kryptowährung aus den USA aktiv in der EU um Kunden wirbt." Auch bei der neuen Prospektpflicht für praktisch alle Kryptowährungen sind Zweifel angebracht: Wie viele Anleger werden sich die Mühe machen, sich diese Unterlagen genau durchzulesen? Vielen Investoren reicht als Kaufargument, dass eine digitale Währung gerade zum Höhenflug ansetzt. Zudem dürfte ausgerechnet Bitcoin von dieser Prospektpflicht ausgenommen sein, da es keinen Emittenten, also keinen offiziellen Betreiber gibt.

"Ich denke, es wird auch in Zeiten von MiCA weiter Betrugsfälle geben", sagt Buchautor Schön. Schließlich gebe es auch im klassischen Veranlagungsbereich ständig neue Betrugsmaschen: "Und wenn es irgendwann wieder einen Hype für Kryptos gibt, wird es erneut die absurdesten Angebote geben. So wurden nach dem überraschenden Erfolg der ursprünglich als Scherzwährung gedachten Dogecoins plötzlich Dutzende neue Hunde-Coins auf den Markt geworfen." Und: Auch der Marktführer Bitcoin ist nicht risikolos. Schön: "Man kann nicht wissen, ob es Bitcoin in 20 Jahren überhaupt noch gibt. Ich persönlich glaube zwar schon, aber es gibt keine Garantie. Auch beim Gold gab es schon Versuche, den privaten Besitz zu verbieten."