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„Der Selbstversorgungsgrad ist gesunken“

Gernot Stöglehner, Professor an der Universität für Bodenkultur Wien, über die Folgen der Bodenversiegelung und weshalb die Art der Ernährung eine Rolle spielt.

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Portfolio: Bodenschutz spielt in Österreich bisher kaum eine Rolle. Findet jetzt ein Umdenken statt?

Gernot Stöglehner: Wir sehen, dass das öffentliche Interesse am Thema gestiegen ist. Und Bodenschutz ist im Regierungsprogramm immerhin verankert.

Aber kommt das nicht zu spät?

Nein, denn jeder Boden, der geschützt wird, ist positiv zu sehen. Der Bodenschutz hat aber unterschiedliche Aspekte. Ein Problem bei der Raumplanung ist beispielsweise der Mangel an Baulandverfügbarkeit: Gewidmetes Bauland wird oft nicht zur Bebauung freigegeben, etwa weil es für die nächste Generation oder als Spekulationsobjekt aufgehoben wird. Das schafft Probleme, weil Gemeinden dann in zweit- oder drittbeste Lagen ausweichen müssen.

In den Orten bräuchte es mehr grüne Infrastruktur.

Gernot Stöglehner, Boku

Ein Stichwort beim Kampf gegen die Versiegelung lautet Innenentwicklung, also bestehende Siedlungen intensiver nutzen. Steht da nicht der Wunsch der Österreicher nach mehr Freiraum und Grün entgegen?

Nein, gar nicht. Man kann auf verschiedene Arten Einfamilienhausqualität herstellen. Es ist eher eine Frage der Bebauungsform. Ein Reihenhaus ist auch ein Einfamilienhaus und im Mehrfamilienhaus kann jede Wohnung ihren Freiraum haben, es kommt auf die Geschoße und die Bauweise an. Man gewinnt dadurch ja viele Qualitäten. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl leerstehender Objekte in Österreich, die belebt werden könnten. Aus einem alten Vierkanthof kann locker ein Mehrfamilienhaus werden.

Welche Auswirkungen hat die Bodenversiegelung im Zusammenhang mit dem Klimawandel?

Die Bodenversiegelung bewirkt die Entstehung von Hitzeinseln, Extremwettereignisse wie Starkregen können leichter zu lokalen Überflutungen führen. Da bräuchte es Versickerungsmöglichkeiten. Diese Entsiegelung von Flächen bietet auch neue Nutzungsmöglichkeiten. In den Orten bräuchte es mehr grüne Infrastruktur wie Baumreihen, Fassaden- und Dachbegrünungen.

Bedroht die Bodenversiegelung die Ernährungssicherheit?

Ja, denn je mehr Fläche wir zubauen, desto weniger Flächen gibt es für die landwirtschaftliche Produktion. Der Selbstversorgungsgrad in Bereichen wie Brotgetreide ist schon gesunken, das ist bedenklich. Aber es kommt auch auf die Ernährung an: Für eine vegane Ernährung ist viel weniger Fläche nötig, als wenn Fleisch und Milchprodukte gegessen werden.