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Gesunder Klimaschutz

Klimaschutzmaßnahmen können die Gesundheit der Bevölkerung verbessern – ein Aspekt, der bisher kaum beachtet wurde.

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von Robert Prazak

 

Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürre – die Auswirkungen des Klimawandels sind weltweit spürbar. Wird der Kampf gegen den Klimawandel ernsthaft geführt, kann das aber nicht nur vor einer Zunahme von Wetterextremen schützen. Es könnten damit Millionen Menschenleben gerettet werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine große Studie, die vor kurzem im Fachmagazin „The Lancet Planetary Health“ veröffentlicht wurde und deren Erkenntnisse erstaunlicherweise recht wenig Beachtung fanden. Demnach hätte ein Einhalten der Klimaziele des Pariser Klimavertrags einen gravierenden Effekt auf die Gesundheit der Weltbevölkerung. Alleine durch eine Reduktion der Luftverschmutzung könnten bis 2040 knapp 1,2 Millionen frühzeitige Tode verhindert werden; durch bessere Ernährung als Folge der Klimaschutzmaßnahmen sogar mehr als 5,8 Millionen.

8 Millionen Menschen sind 2018 laut Harvard University weltweit an Erkrankungen gestorben, die mit der Verbrennung fossiler Energieträger zusammenhängen.

Der österreichische Wissenschaftler Gregor Kiesewetter von der Pollution Management Research Group des Laxenburger Forschungsinstituts IIASA (International Institute for Applied Systems Analysis) war an der genannten Studie beteiligt; unter anderem war er für die Feinstaubkonzentrationsrechnung zuständig. „Wir führen oft ähnliche Studien zu Synergien zwischen Treibhausgasverringerung und Luftqualität durch“, berichtet Kiesewetter. In diesem Fall war es beachtenswert, dass die Erkenntnisse mit anderen Gesundheitseffekten, etwa zur Ernährung und Bewegung, zusammengebracht wurden. Dadurch erhält man einen größeren Überblick, inwiefern klimapolitische Maßnahmen Vorteile für die Gesundheit haben. 

„Die Gesundheit stand bisher eher im Hintergrund, wenn es um die Folgen des Klimawandels geht“, sagt der Wissenschaftler. Denken wir an Klimawandel und Gesundheit, denken wir vor allem an die Hitzeprobleme in der Zukunft. Doch Klimaschutzmaßnahmen, etwa die Verringerung der Luftverschmutzung, können sich schon jetzt positiv auf die Gesundheit auswirken. „Durch Emissionsminderung und gleichzeitige Verbesserung der Luftqualität kann man positive Effekte für die Gesundheit bewirken – und zwar relativ rasch. Die Auswirkungen des Klimawandels selbst wie der Temperaturanstieg fallen hingegen erst später richtig stark ins Gewicht.“ Auch die Kosten sollten dabei eine Rolle spielen, meint Kiesewetter. „Krankheit verursacht Kosten durch Produktivitätseinbußen und direkte Behandlungskosten.“ Demnach könnten gesundheitliche Synergieeffekte ein starkes Argument für Staaten sein, sich ambitionierte Klimaziele zu stecken, wenn sie dadurch auf der Gesundheitsseite Kosten einsparen können.

70 Prozent der direkten Treibhausgas-Emissionen unserer Ernährung sind auf tierische Produkte zurückzuführen.

Stichwort Corona: Wie wirkt sich die Pandemie aus? Kiesewetter hat das Gesamtbild im Blick: „Der Lockdown war zwar notwendig, hat aber sicher auch viele negative gesundheitliche Folgen.“ Wenn es um die Luftverschmutzung geht, müsse man unterscheiden: Bei den Stickoxiden sieht man sofort einen Rückgang, etwa durch weniger Verkehr. „Wenn das kurzfristig geschieht, ist es aber fraglich, ob das eine große Auswirkung auf die Gesundheit hat.“ Beim Feinstaub sind die Rückgänge durch den Lockdown ohnehin viel geringer, weil der Feinstaub durch verschiedene Quellen wie Heizen und Landwirtschaft beeinflusst wird, die nicht zurückgegangen sind.

Kann die Luftqualität von einzelnen Ländern beeinflusst werden? „Die EU kann da mit gemeinsamer Politik mehr erreichen, sonst läuft es unkoordiniert ab“, meint Kiesewetter. Auch in Österreich können wir  nur einen Teil unserer Luftqualität selbst beeinflussen – bei Feinstaub im städtischen Durchschnitt etwa 60 Prozent, andere Länder wie die Niederlande haben noch viel weniger Spielraum. Was die Luftverschmutzung in Österreich betrifft: „Bei den Heizungen haben wir noch Heizformen wie Ölheizungen oder traditionelle, veraltete Anlagen für die Holzverbrennung, die für Bildung von Feinstaub verantwortlich sind.“

Politische Entscheidungen – etwa mit Förderungen von modernen, umweltfreundlichen Heiz- und Kühlsystemen – sind die eine Sache. Aber kann der Einzelne zur Luftqualität etwas beitragen? Das kann man sehr wohl, meint Kiesewetter – etwa durch den Umstieg von einer Ölheizung auf eine andere Variante. „ Und wer mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Arbeit fährt, verringert sowohl Luftverschmutzung als auch Treibhausgase, und macht gleichzeitig mehr Bewegung.“ Auch bei der Stromversorgung kann man etwas beitragen, selbst wenn dies eher indirekt geschieht. Wenn der Energieversorger stark auf fossile Energieträger wie Kohle oder Erdgas setzt, gibt es mehr Treibhausgasemissionen. „Seinen ökologischen Fußabdruck und seine Emissionen kann jeder einzelne Verbraucher reduzieren.“

Über die Studie

Im Rahmen der Studie „The public health implications of the Paris Agreement: a modelling study“ wurden Szenarien modelliert, um mögliche Gesundheitspotenziale der nationalen Beiträge zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele zu analysieren. Dabei wurden unter anderem Risikofaktoren für Luftverschmutzung, Ernährung und körperliche Aktivität herangezogen. Eines der Ergebnisse: Eine stärkere Berücksichtigung der Gesundheit in der nationalen Klimaschutzumsetzung kann bedeutsame gesundheitliche Auswirkungen haben. Diese sind auf eine Minderung der Treibhausgasemissionen und Maßnahmen zur Verringerung der Schadstoffexposition sowie auf verbesserte Ernährung und sichere körperliche Aktivität zurückzuführen. Je länger indes die Regierungen mit der Umsetzung von Maßnahmen warten, desto größer ist die Verzögerung bei der Vermeidung von Todesfällen. Dabei können sich die einzelnen Länder nicht darauf ausreden, dass sie ohnehin wenig bewirken könnten: Eine nationale Umsetzung spiele eine bedeutende Rolle, heißt es  – vor allem eine Veränderung in den Nahrungsmittelsystemen. Schwellenländer würden indes für Klimaschutzmaßnahmen finanzielle Unterstützung benötigen.