Roh marinierter Saibling mit rohen Poveraden

eatdrink: Distelfieber

Ich kann nicht anders: endlich wieder Artischocken.

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Zu viel verrate ich hier wirklich nicht mehr, wenn ich sage, dass Artischocken mein unanfechtbares Lieblingsgemüse sind. Ich tue alles für sie, und das ist ernst gemeint, denn um gute Artischocken essen zu können, muss man wirklich alles tun, was das weite Feld des Gemüseputzens zu bieten hat: die äußeren harten Blätter abbrechen, den Stiel – so vorhanden – schälen, die Knospenspitzen kappen, bei größeren Exemplaren das sogenannte Heu aus der Mitte schneiden, und das alles bitte möglichst flott, damit die Distelknospen rasch ins Zitronenwasser hüpfen können, denn an der Luft lässt das in ihnen enthaltene Cynarin sie im Handumdrehen unansehnlich braun bis schwarz werden.

Jetzt öffnet sich ein kleines Zeitfenster für halbwegs frische Ware, die in Italien oder der Türkei gerade Saison hat.

Habe ich gesagt, ich tue alles für Artischocken? Ja, ich bin ihr bester Lobbyist; ich fahre mehrmals pro Monat nach Brüssel, um für verpflichtende größere Mindestanbauflächen in allen 27 EU-Ländern zu antichambrieren; ich treffe mich mit verdeckten Ermittlern und Enthüllungsjournalisten und lasse mich mit Kisten von Camus de Bretagne, Castel, Green Globe oder Tudela, gängigen Sorten, bestechen; of course I’m a lobbyist.

Das Dumme an der Sache ist nur, dass wir hier zwar Routen schließen und Feiertage abschaffen, die meiste Zeit des Jahres jedoch nicht in der Lage sind, halbwegs frische und auch noch bezahlbare Artischocken ins Land zu schaffen. Jetzt aber öffnet sich ein kleines Zeitfenster für halbwegs frische Ware, die in Italien oder der Türkei gerade Saison hat.

Deshalb hier einige Anregungen für einfache, aber die Vorzüge der Knospen betonende Gerichte; man könnte sogar von einem Artischocken-Menü sprechen: kalte Vorspeise – warmes Zwischengericht – Hauptgang.

Roh marinierter Saibling mit rohen Poveraden Für 4 Personen: 8 Poveraden (kleine Artischocken aus Italien) sauber zuputzen und bis zur Verwendung in Zitronenwasser einlegen. Ca. 300 g Saiblingsfilet in hauchdünne Scheiben schneiden, auf Teller schlichten und etwas Zitronensaft, Olivenöl, Salz und Pfeffer darüber verteilen. Ca. 15 Minuten stehen lassen. Die Poveraden mit einem Trüffelhobel hauchdünn darüberhobeln, mit etwas Petersilie bestreuen und sofort servieren.

Artischocken mit Schinken und Parmesan Für 4 Personen: 8 große Artischocken so putzen, dass noch ca. 5 bis 6 cm Stiel dranbleiben, und längs halbieren. In leicht gesalzenem Wasser mit dem Saft einer Zitrone und einem Lorbeerblatt etwa 8 Minuten ­kochen, nicht kalt abschrecken, sondern ausdampfen lassen. Die Artischockenhälften mit je einem Blatt Beinschinken vom Stiel Richtung Knospe umwickeln, in eine Auflaufform legen, mit geriebenem Parmesan bestreuen und einige EL Weißwein untergießen. Im Rohr bei 200 Grad Ober-/­Unterhitze ca. 7 bis 8 Minuten überbacken und heiß mit knusprigem Weißbrot und/oder Blattsalat servieren.

Artischockengröstl Für 4 Personen: 8 große Artischocken genauso vorbereiten und garen wie für die mit Beinschinken. 500 g Erdäpfel (Kipfler oder kleine Ditta) in fingerdicke Scheiben schneiden und in einer Pfanne langsam gar braten, sodass sie leichte Röstspuren zeigen. Dann 1 bis 2 Schalotten in feine Ringe schneiden, 150 g ungeräucherten Bauchspeck in 5 mm große Würfel schneiden und zu den Erdäpfeln geben. Kurz durchrösten und dann die Artischocken und ein wenig grob gezupften Rosmarin dazugeben. Salzen, pfeffern und kurz durchschwenken. Das Gröstl wäre auch eine wunderbare Beilage zu im Ganzen im Ofen geschmorten Fisch (Steinbutt, Goldbrasse, Branzino).

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