Ingrid Brodnig

#brodnig: Flop-Gefahr

Wieso es nicht so leicht ist, das nächste Facebook oder YouTube zu werden.

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Ich bin kein Fan der Idee, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ein europäisches Facebook oder Google entwickeln sollen. Solche Ideen gibt es immer wieder. Auch ARD-Chef Ulrich Wilhelm erklärte jetzt, er möchte eine Plattform schaffen, die "eine Art europäisches YouTube mit Elementen von Facebook sein soll".

Nur bezweifle ich, dass sich digitaler Erfolg so am Reißbrett planen lässt. Weder bei Google noch Facebook noch Amazon war anfangs klar, dass sie so groß werden würden. Zu Beginn waren diese Unternehmen kleine Start-ups, die mit guten Ideen und einem cleveren Team starteten und sich Schritt für Schritt behaupteten. Als Facebook jung war, gab es etliche Mitbewerber, die ähnliche Ideen hatten: Im Jahr 2004 wusste man nicht, welche dieser Websites in zehn Jahren überhaupt noch existieren würden. Im amerikanischen Silicon Valley funktioniert Innovation nach folgendem Prinzip: Zigtausende Start-ups probieren, eine lukrative Geschäftslücke zu finden, eine Handvoll schafft das und wächst dann zu profitablen Konzernen heran (wohingegen die allermeisten Start-ups sterben - was zu diesem Risikogeschäft dazugehört).

Ich bezweifle, dass sich digitaler Erfolg am Reißbrett planen lässt.

Natürlich ist es gut, wenn die ARD mit anderen Medien zusammenarbeitet und eine digitale Plattform starten möchte. Das klingt nach einer interessanten Idee. Aber man sollte sich bitte nicht erhoffen, dass das automatisch zum Facebook- oder YouTube-Ersatz wird.

Die Gefahr ist groß, dass bei einem solchen europäischen Projekt enorme Hoffnungen (und sehr viel Geld) in eine einzelne neue Plattform gesteckt werden und diese dann floppt. Besser wäre es, wenn Europa Innovation breit fördert, viele Jungunternehmen unterstützt und hofft, dass aus dieser Vielzahl ambitionierter Start-ups letztlich ein nächstes Google oder ein nächstes Facebook aus Europa heranwächst. Zwar lassen sich Websites leicht programmieren - doch Erfolg ist nicht vorprogrammierbar.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.