Ingrid Brodnig

#brodnig: Falsch gedacht

Twitter und Facebook feilen an ihren Regeln für politische Werbung. Doch das sollte nicht Aufgabe von Unternehmen sein.

Drucken

Schriftgröße

Fassen wir kurz zusammen, was in den letzten Wochen passiert ist: Twitter-Chef Jack Dorsey kündigte an, dass seine Plattform politische Werbung verbieten will. Das mag gut klingen, wirft aber Fragen auf: Ab wann ist eine Werbung politisch? Und warum sollen Konsumgüter beworben werden dürfen, politische Ideen aber nicht? Mark Zuckerberg meinte daraufhin, er wird weiterhin politische Werbung erlauben. Gleichzeitig wird Facebook aber wegen einer umstrittenen Regel kritisiert: Wenn Politiker in Postings auf Facebook Falschmeldungen verbreiten, können Faktenchecker das nicht überprüfen. Zur Erklärung: Weltweit kooperiert Facebook mit Faktencheckern, welche fragwürdige Postings auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersuchen können. Ist eine Aussage nachweisbar falsch, wird unter dem Beitrag ein Warnhinweis angezeigt. Alle User können überprüft werden – nur bei Politikern sollen ihre unbezahlten als auch ihre bezahlten Beiträge nicht gegengecheckt werden dürfen. Das gab Facebook diesen Herbst bekannt. Dieser Schritt erntet Kritik. So wird möglich, dass Donald Trump im US-Wahlkampf 2020 Falschheiten über seine politischen Gegner verbreitet – und es darf kein Faktencheck dazu eingeblendet werden.

Wir sollten nicht vom Wohlwollen einzelner Unternehmenschefs abhängig sein.

Viele Amerikaner befürchten erneut manipulative Methoden. Bisher geben die großen Plattformen vor, was erlaubt ist und was nicht. Im Grunde sagen Personen wie Mark Zuckerberg oder Jack Dorsey, was die Spielregeln im Wahlkampf auf Social Media sind. Doch noch besser wäre, wir als Gesellschaft geben Grundsätze vor, die für alle großen Plattformen gelten. Und genau das plant die EU anscheinend: Justizkommissarin Věra Jourová kündigte an, dass sie Mindeststandards für die Transparenz politischer Inserate auf sozialen Netzwerken einführen will. Ich ergänze: Man könnte vorschreiben, dass die Plattformen auch das Targeting offenlegen müssen – also welche Bevölkerungsgruppen mit einem Inserat adressiert wurden (soziale Medien ermöglichen Targeting, also das zielgerichtete Bewerben einzelner User-Gruppen basierend auf den ihnen zugerechneten Interessen und ihrem Klickverhalten). Denn wir sollten nicht vom Wohlwollen einzelner Unternehmenschefs abhängig sein, sondern als Gesellschaft in Form von Gesetzen sagen, welche Spielregeln es im modernen Wahlkampf braucht.

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter [email protected] facebook.com/brodnig twitter.com/brodnig

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.