Ingrid Brodnig

#brodnig: Sprache kaputt lol

Ein neues Buch zeigt, wie das Internet die geschriebene Sprache verändert.

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Sie haben es vielleicht schon mitbekommen: Ich bin keiner dieser Kulturpessimisten, die die Ansicht vertreten, im Internet werde unsere Sprache verhunzt. Und denen sich der Magen umdreht, wenn sie Chatabkürzungen wie "lol" (laughing out loud),"omg" (oh my god),"til" (today i learned),"tfw" (that feeling when) sowie Emojis sehen. Im Gegenteil: In meinen Augen wird Sprache dadurch lebendiger. Ich bin nicht die Einzige, die das so sieht. Die kanadische Linguistin Gretchen McCulloch hat ein Buch dazu verfasst namens "Because Internet: Understanding the New Rules of Language". Sie dokumentiert, wie das geschriebene Wort zu etwas weniger Formellem wird: "Wenn wir ans Schreiben denken, denken wir an Bücher, Zeitungen, Magazine, akademische Artikel - und an den Schulaufsatz, in dem wir versuchten (und großteils scheiterten), dem nachzueifern." Im Netz fließt nun alltägliche Sprache mehr ins Geschriebene ein.

Umgangssprachliche Formulierungen oder kreative Satzzeichennutzung gab es schon vor dem Internet, etwa auf Postkarten, wie McCulloch anschaulich beschreibt. Aber online wird die geschriebene Sprache umso kolloquialer. Und die Netzsprache ähnelt mehr dem informellen Gespräch in Alltagssituationen: Wenn wir mit Freunden reden, gestikulieren wir, wir heben und senken unsere Stimme. Wir bringen sehr viel Emotion und - indem wir unseren ganzen Körper einsetzen - zusätzlichen Kontext in Unterhaltungen ein. Im Netz sind unsere Körper meist nicht sichtbar, aber die digitale Sprache findet neue Ausdrucksformen: Emojis liefern eine zusätzliche bildliche Ebene, die doppelte Verwendung des Rufzeichens untermauert, wie enthusiastisch wir sind. Für die Linguistin McCulloch ist all das eine Erweiterung der Sprache. Auch gibt es ja weiterhin formelle, redigierte Texte - aber daneben auch ein "großes Meer an unredigierten, ungefilterten Worten".

Ihre Thesen kommen offensichtlich recht gut an - nicht nur im Netz. Ihr Buch ist sogar zum "New York Times"-Bestseller aufgestiegen, also ausgerechnet in die Bestenliste jener Zeitung, die für besonders gut redigierten, formellen Journalismus bekannt ist.

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Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.