Hiša Franko: Das rote Haus

Anna Roš und ihre wunderbare alpin-maritime Küche.

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Wollen wir über Sloweninnen reden? Ist ja nicht aus der Welt gerade. Zwei sind der breiten Öffentlichkeit ja bestens bekannt. Eine, Melanija Knavs, emigrierte 1995 in die USA und heiratete den Mann, der ihr heute schon die Einreise schwer machen würde. Die zweite, Tina Maze, holte bis zu ihrem Karriereende Anfang dieses Jahres so ziemlich jeden güldenen Häfen, den der Skirennlauf der Damen zu vergeben hat. Die dritte aber, die ist wichtig für uns hier: Anna Roš wurde im April 2017 in der Küchenchef-WM der "World’s 50 Best Restaurants“ zur besten Köchin der Welt gekürt; gleichwohl rangiert ihr Restaurant erst auf Platz 69 der Gesamtwertung, worüber man reden kann, denn so viel steht fest: Ich würde das Lokal der multilingualen Küchenchefin, die eigentlich Diplomatin werden wollte, wesentlich weiter vorne reihen.

Kobarid im Soèa-Tal. Ein Sonntag im Sommer. Das Dorf ist rappelvoll, Militärmusik, Straßensperren, Politikeraufmarsch. Auch der Staatspräsident ist da. Man gedenkt der letzten drei der zwölf berüchtigten Isonzo-Schlachten im Jahr 1917, 100 Jahre ist das also her. Drei Kilometer außerhalb, an einer wunderschönen Landstraßenallee, nimmt das Landleben ungetrübt seinen Lauf. In einem alten Haus aus den 1860er-Jahren soll Ernest Hemingway seine Kriegsverletzungen auskuriert und Teile des Romans "In einem anderen Land“ geschrieben haben. Belegt ist das nicht, auch Anna Roš erzählt die Geschichte auf ihrer Website nicht als Tatsache; sie schreibt: "Der Legende nach …“

Das Haus: "Hiša Franko“, ziegelrote Mauern, knirschender Kies, Terrakotta-Tröge voller Kapuzinerkresse, ein Bächlein, das direkt neben dem Gastgarten zu Tal plätschert - und ein Menü im Schatten von Schirmen und Bäumen, für das Anna Roš aus dem Vollen schöpfen kann. Slowenien ist nämlich ein beneidenswertes Land; ich habe es einmal das Zwei-Stunden-Land genannt - zwei Stunden vom flachen östlichen Weinland, der slovenska Štajerska, die landschaftlich an die Südsteiermark erinnert, über das Waldland im Herzen des Staates, bis zum Gebirge, das sanfte Almen und schroffen Karst einschließt, hinunter zum Meer. Da ist natürlich alles regional: Bergkäse und Bachforelle, Eierschwammerl und Jakobsmuschel, Sardine und Kaninchen, Rohschinken und Kürbiskernöl, Zitrone und Brennnessel.

Es beginnt mit kleinen Happen aus fermentierter Apfelschale mit Tapioka-Kaviar und Frischkäse mit eingelegten Rüben im Lindenblatt; das ist noch nicht Teil des achtgängigen Menüs um bemerkenswerte 95 Euro, sondern große Erwartungen weckende und bereits erfüllende Ouvertüre. Dann roh marinierte Äsche in einem Saft aus fermentiertem Kohl und Kernölmayonnaise, ungemein frisch und stimmig komponiert. So wie die rohe Sardine, exakt sieben Minuten in Salz verbuddelt, dann sauber geputzt und mit kandierter Zitrone und einem heißen, intensiven Auszug vom Fenchel serviert. Noch einmal Meer: butterzart gegrillter Tintenfisch auf einer Jackson-Pollock-artig hingeklecksten schwarzen Sauce aus den Innereien des Tieres, dazu Mönchsbart und Jungzwiebel vom Holzkohlegrill. Und dann die Alpen: Frischkäseravioli mit Ochsenmark, Prosciuttofond und Haselnüssen, aromatisch sanft und wild zugleich, so wie es nur große Chefs hinkriegen. Die geschmorte Rinderzunge in hauchdünnen Sellerieblättern und wunderbar frischer, leicht süßlicher Jakobsmuschel legt an Würze noch eine Schaufel nach; man ist dann bestens vorbereitet für die zwei Hauptgänge: Kalbskutteln in Entenjus mit Eierschwammerl und Brennnesseln, gefolgt von einem Kaninchenragout mit Nüssen, Hibiskusblüten und frittierten Kapuzinerkresseblättern, das Roš als Beitrag zur Ethnoküche so pikant abschmeckt, dass der Name "Mountain rabbit 2.0 on vacation in Mexico“ durchaus nachvollziehbar wird. Annas Mann Valter Kramar serviert zu allem slowenische Weine, die kaum anderswo erhältlich sind, die önologische Kultur des Landes aber immer noch schwer unterschätzt erscheinen lassen; die herzerwärmend lockere und professionelle Servicebrigade macht es einem dann nur noch schwerer, den Mittagstisch vor den auf Monate ausgebuchten Abendtischen zu verlassen.

Man fährt danach am besten zurück nach Kobarid und lässt so einen Abend in der quirligen "Hiša Polonka“ der Mikrobrauerei FEO ausklingen. Sehr wahrscheinlich trifft man dort auch Valter Kramar, der seinen Weingaumen nach Küchenschluss mit dem herrlichen American Pale Ale beruhigt, das er in der "Hiša Franko“ zu Recht als Aperitif anbietet.

Hiša Franko Staro selo 1, 5222 Kobarid Tel.: 00386/5/389 4120 hisafranko.com Mo geschlossen, Sa und So auch mittags offen Menüs: 85 (6 Gänge), 95 (8 Gänge) und 120 Euro (11 Gänge) Klaus Kamolz • [email protected]