#brodnig: 25$ und Ihre Daten bitte

Wie Versicherungsdienstleister günstige Tarife versprechen - mit einem Haken: Überwachung.

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Ich mag ja Dystopien wie "1984“ oder "Fahrenheit 451“: weil sie den furchtbaren Terror von Regimen zeigen, die bestimmen wollen, wie ihre Bürger leben oder sogar denken sollen. Nur frage ich mich, ob der Weg dorthin wirklich mit Gewalt herbeigeführt werden muss. Was ist, wenn uns eine dystopische Zukunft nicht aufgezwungen wird, sondern wir uns Schritt für Schritt freiwillig in diese begeben?

Wir liefern uns einiger Überwachung freiwillig aus. In den USA lockt das Versicherungsunternehmen John Hancock - einer der wichtigsten Anbieter von Lebensversicherungen - mit spottbilligen Apple-Watches. Für 25 Dollar können Kunden die internettaugliche Uhr erhalten. Sie misst etwa die verbrauchten Kalorien, die Herzfrequenz, die zurückgelegten Schritte und den Aufenthaltsort.

Solange die Versicherungskunden regelmäßig Sport machen und ihr monatliches Aktivitätsziel erfüllen, dürfen sie die Smart Watch behalten. Ansonsten müssen sie den Preis der Uhr (bis zu 300 Dollar) zurückzahlen. Schon länger bietet das Unternehmen ermäßigte Tarife für Kunden an, die sich verpflichten, gesünder zu essen und mehr Bewegung zu machen.

Bisher ist nicht bekannt, welche Daten der Apple-Watch das Versicherungsunternehmen speichert - es verspricht immerhin, dass diese Informationen nicht in fremde Hände fallen. Wenig überraschend sorgt dieser Deal für Entsetzen bei Datenschützern. Solche Angebote bedeuten, dass jene Menschen höhere Versicherungstarife erhalten, die sich nicht überwachen lassen wollen. Den guten Preis bekommt nur, wer sein Leben in auswertbare Zahlen transferieren lässt. Das Problematischste an solchen Modellen ist, dass große Unternehmen per Preisgestaltung vorgeben, was ein optimales Leben ist: Wer sich zu wenig bewegt (aus welchen Gründen auch immer) oder zu viel isst, wird per Tarif schlechtergestellt - quasi finanziell bestraft. Anders als in manch einer Dystopie muss man in der Realität viele Menschen nicht einmal zwingen, da mitzumachen: Sie melden sich freiwillig an und freuen sich über die billige Uhr - für die sie allerdings einen hohen Preis bezahlen.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.