Seid umschlungen, Millionen!

Immer mehr Ausstellungen werden wie Blockbuster verkauft

Aggressives Marketing, Verflachung, Besuchermassen: Die Blockbuster-Ausstellung ist in Verruf geraten – nicht immer zu Recht.

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„Ich sah die meiste Zeit rot – und es war keine Ölfarbe.“ So erinnerte sich die Kunstkritikerin Roberta Smith an die Picasso-Retrospektive, die das New Yorker Museum of Modern Art 1980 zeigte: Die Menschenmassen beeinträchtigten die Kunstbeschau beträchtlich. Mit über einer Million Gäste erreichte die Mega-Schau fast jene Besucherzahlen, die das Metropolitan Museum zwei Jahre zuvor mit einer Ausstellung über Tutanchamun erzielte: Damals kamen 1,2 Millionen. Die Ära der Blockbuster-Ausstellungen hatte begonnen.

Blockbuster in Wien

Sie hält bis heute an. In Wien eröffnet am 2.Oktober nicht nur das KHM mit seiner Bruegel-Präsentation eine Schau, die ein Publikumsmagnet zu werden verspricht, sondern auch die Albertina präsentiert seit 21. September eine große Schau des Impressionisten Claude Monet. Und erst kürzlich feierte das Leopold Museum einen Rekord: 360.000 Gäste hatten die Ausstellung „WOW! The Heidi Horten Collection“ gestürmt.

Der Begriff „Blockbuster-Ausstellung“ trägt einen negativen Beigeschmack, wird assoziiert mit aggressivem Marketing, Besuchermassen, inhaltlicher Verflachung. Der Publizist Stefan Lüddemann definierte 2011 in seinem Buch „Blockbuster. Besichtigung eines Ausstellungsformats“ die Merkmale der Kunst-Blockbuster: Sie zeigen die Stars der Kunstgeschichte, wenden sich an ein breites Publikum, versprechen Groß-Events, werden aufwendig vermarktet, benötigen außerordentliche Etats und erreichen hohe mediale Reichweiten.

Unterschiedliche Qualität

An den aktuellen Wiener Beispielen sieht man indes die qualitativen Unterschiede: Die Bruegel-Ausstellung ist das Ergebnis internationaler wissenschaftlicher Recherchen. Die Ausstellung über die Horten-Sammlung dagegen wartete zwar mit einigen großartigen Stücken auf; als beliebiges Potpourri hielt sie einem kritischen Blick nicht stand. Doch sie fettete das Budget des Museums gehörig auf, was Blockbuster aufgrund ihrer enormen Kosten ansonsten keineswegs garantieren.

Was in der Diskussion um die Publikumsmagneten häufig vergessen wird: Zu den in dieser Hinsicht erfolgreichsten Projekten zählte die recht sperrig angelegte documenta 14 (1,2 Millionen Besucher) ebenso wie einst leider auch die Ausstellung „Entartete Kunst“, mit der das NS-Regime die Moderne diffamierte (zwei Millionen). Die Feme-Schau war damit wohl, zumindest im deutschsprachigen Raum, die tatsächlich erste Blockbuster-Ausstellung.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer