Bogdan Rošcic
Affäre Bogdan Roščić:

Bogdan Roščić: Die Stunde der Apologeten

Ein Mann, der des Tricksens überführt wäre, hätte sich als Autoritätsfigur an der Spitze einer Weltinstitution unmöglich gemacht.

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Die Affäre um die mutmaßlich seitenweise abgeschriebene Dissertation des designierten Staatsopernchefs Bogdan Roščić hat sich vergangene Woche um ein paar eigenwillige Facetten erweitert. Während die Menschen im Zentrum der Causa - Roščić selbst ebenso wie der offenbar plagiierte Autor - beharrlich schweigen, werden nun jene laut, die darauf pochen, dass grundsätzlich unethisches Verhalten mit beruflicher Qualifikation nichts zu tun habe: dass also die Übernahme einer der höchsten (und von der öffentlichen Hand höchstbezahlten) Kulturpositionen dieses Landes mit einem unrechtmäßig erschlichenen Doktortitel durchaus vereinbar sei.

Beschädigung seiner Reputation

In der "Presse“ forderte man jüngst, "Top-Leute“ nicht "an ihren alten Dissertationen zu messen“. Und in "News“ stand zu lesen, dass der künftige Operndirektor ja nicht seines akademischen Titels wegen verpflichtet worden sei, sondern seiner "Sachkenntnis“ wegen. Dies würde allerdings bedeuten, dass es außer fachlicher Inkompetenz im Kulturbetrieb keinerlei Ausschlussgründe mehr gebe. Klar, Roščić Opernkenntnisse und Branchenwendigkeit würden auch nach der Enthüllung eines Ideendiebstahls bestehen; fatal wäre aber die Beschädigung seiner Reputation. Ein Mann, der des Tricksens überführt wäre, hätte sich als Autoritätsfigur an der Spitze einer Weltinstitution unmöglich gemacht. Wer hohe Ämter zu bekleiden sucht, sollte dies moralisch unbefleckt tun. Daran ändert sich auch nichts, wenn man vorgibt, die eigentlichen Verstöße gegen den guten Ton wären nicht Täuschung und Manipulation, sondern deren Überprüfung und Aufdeckung.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.