Diskurswechsel

Die bisherige Arbeit der neuen Belvedere-Chefin lässt zuversichtlich in die Zukunft des Hauses blicken.

Drucken

Schriftgröße

Als am Montag vergangener Woche die neuen Führungskräfte des Belvedere bekanntgegeben wurden, zeigte sich die Branche erstaunt. Denn Kulturminister Thomas Drozda hatte ein rein österreichisches Duo bestellt: Stella Rollig, derzeit noch Direktorin des Lentos Kunstmuseums Linz, wird die wissenschaftliche Leitung des Hauses übernehmen, Wolfgang Bergmann, scheidender Geschäftsführer der Tageszeitung "Der Standard", die kaufmännische. Dies führte mancherorts zu Verwunderung. Schließlich hätten sich internationale Größen beworben, zudem verfüge jemand von außen über einen "frischen Blick" auf das Haus, hieß es. Betrachtet man allerdings das Wirken der zuletzt bestellten, nicht-österreichischen Besetzungen -Karola Kraus im Mumok, Nicolaus Schafhausen in der Kunsthalle Wien -, lassen sich wirklich überraschende Perspektiven nur schwer ausmachen.

Tatsächlich originelle Ausstellungsideen und Sammlungspräsentationen findet man aber häufig im Lentos-Museum, das Rollig seit 2004 leitet. Sie beleuchtete nicht nur brisante Themen (in euphorisch gelobten Ausstellungen wie "Der nackte Mann" oder "Rabenmütter"), sondern förderte auch verschüttete Sammlungsbestände zutage. Gleich nach Amtsantritt ließ sie eine neue Präsentation erstellen: "Paula's Home" zeigte ausschließlich Werke von Künstlerinnen; sieben Jahre später setzte das Pariser Centre Pompidou mit der Schau "elles@centrepompidou" exakt dasselbe Konzept um. Wer in den großen Wiener Häusern repräsentative Ausstellungen österreichischer Künstler mittleren Alters vermisste, musste nur nach Linz reisen: Rollig bot ihnen ein Podium. Dass die gebürtige Wienerin notfalls auch Massen ins Museum locken kann, bewies sie mit ihrer Schau zur Arbeit Gottfried Helnweins. Damit reagierte sie auf Vorwürfe, dass ihre -eigentlich ohnehin respektablen -Besucherzahlen zu niedrig seien.

Nun wird Stella Rollig aber ein Haus leiten, das eine weitaus umfassendere Sammlung besitzt als das auf die Moderne fokussierte Lentos. Wird die Expertin für Gegenwartskunst auch mit Altarbildern eines Rueland Frueauf oder Bauernszenen eines Ferdinand Waldmüller, die das auf österreichische Kunst spezialisierte Museum besitzt, sinnvoll umgehen können? Schon im Lentos war die 1960 geborene Kunsthistorikerin und Germanistin mit Werken konfrontiert worden, die zunächst keineswegs in ihr Spezialgebiet fielen -schließlich hatte sie zuvor als Kuratorin hauptsächlich mit Arbeiten und Kunstschaffenden des 20. und 21. Jahrhunderts gearbeitet.

Für eine Museumsdirektorin ist es wichtiger, Potenziale zu erkennen

Sie selbst meint gegenüber profil: "Meine größte Kompetenz liegt in der Kunst seit den 1960er-Jahren. Ich muss für diesen Job keine Spezialistin für das Mittelalter oder das 19. Jahrhundert sein. Für eine Museumsdirektorin ist es wichtiger, Potenziale zu erkennen -welche Ideen kann ich entwickeln, welche Geschichte mit einer Ausstellung erzählen."

Einem Haus wie dem Belvedere, das den herrschaftlichen Geist der Monarchie atmet, steht es gewiss gut an, von einer kritischen Intellektuellen geführt zu werden. Werden die Bälle, zu der ihre Vorgängerin Agnes Husslein stets lud, weiterhin ein Fixpunkt im Programm sein? Auf diese Frage kommt Rollig ein Lachen aus: "Es gibt in Österreich und Deutschland kein einziges Museum, das sein Überleben mit Kostümbällen sichert." In Perücke und Reifrock kann man sich die neue Belvedere-Chefin freilich ohnehin schwer vorstellen.

In Kommentaren anlässlich ihrer Bestellung wurde sie als introvertiert charakterisiert. Wer sich je von ihr durch eine Ausstellung führen ließ oder mit ihr über Kunst diskutierte, kann dies eher nicht bestätigen. Dass sie an "Seitenblicke"-Präsenz kein besonderes Interesse zeigt, stellt dazu keinen Widerspruch dar. Für das Belvedere wird sie wohl eine neue Art der PR betreiben, möchte sie doch eine "diskursive Öffentlichkeit" erreichen: "In den bisherigen Begleitprogrammen finde ich keine Podiumsdiskussionen oder Vorträge", kritisiert sie. "Das wird sich ändern." Die Society muss dann halt anderswo tanzen.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer