Kanye West

Neue Alben: Kanye West - "Ye"

Rap-Superstar Kanye West veröffentlicht sein erfrischend unspektakuläres Album "Ye".

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„I hate being bipolar it’s awesome“, steht auf dem neuen Albumcover von Kanye West. Ich hasse es, bipolar zu sein, es ist großartig. Dahinter, die Rocky Moutains, irgendwo im Nirgendwo des US-Bundesstaates Wyoming. Laut Gattin Kim Kardashian soll der Künstler den Schnappschuss am Weg zur Listening-Session auf einer Pferderanch gemacht haben. Keine drei Internetsekunden hat es gedauert, bis aus der eigenwilligen Covergestaltung ein viraler Jux wurde.

Vier Wochen hat West mit seiner Entourage in der US-amerikanischen Einöde an den neuen Songvignetten gearbeitet, hat das Material mehrmals hin und her geworfen und am Ende ein Album veröffentlicht, dass überraschend ruhig und erfrischend unspektakulär klingt. In letzter Zeit wurde viel über Kanye West diskutiert und gespottet, über seine Sympathie für Trump, seinen Twitter-Kanal, seine Ehefrau. Hört man aber auf die sieben neuen Songs, bekommt man einen Einblick in das Seelenheil des 40-jährigen Rap-Superstars.

„Ye“ ist neben der Aufarbeitung eines Künstlerlebens zwischen Boulevard und bipolarer Störung Hip-Hop in seiner schönsten Form. West setzt radikal die Stimme in den Vordergrund, verfremdet sie, verlangsamt sie und zerrt vorne und hinten so lange daran, bis man nicht mehr weiß, ob hier nur der Künstler allein oder ein ganzer Chor durch die nebelverhangenen Berge Wyomings zieht.

In „Ghost Town“, dem vorletzten Song des Albums, manifestiert sich die große Kunst des Rappers. Eine hymnisches Gospel-R&B-Spiel, in dem John Legend und die Rapperin 070 Shake mantraartig singen: „I put my Hand on a Stove“, heißt es hier: „To see if I still bleed.“ Am Ende ist Kanye West eben immer noch der neugierige Bursche („Once again I am a Child“) aus Atlanta, für den Musik vor allem großes Staunen ist.

Kanye West: Ye (Getting Out Our Dreams/Def Jam)

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Diese Woche in der unerhört-Playlist:

The Body: I Have Fought Against It, But I Can’t Any Longer. Alien Hand Syndrome: Entwined (Song) Vague: Land Snail Mail: Lush Mavi Phoenix: Bite (Song) Pusha T: If You Know You Know (Song) Parquet Courts: Wide Awake! Courtney Barnett: Tell Me How You Really Feel Svalbard: Unpaid Intern (Song) Grant: Tschik (Song) Red Gaze: Pervasive Unease (Song) Jon Hopkins: Singularity Iceage: Pain Killer

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.