Die neuen Grünen

Mit Werner Kogler ist eine neue Bewegung im Entstehen: fröhlich, offen, weniger intolerant und neugierig.

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Selten hat das abgegriffene Wort von der Krise als Chance einen Gehalt. Diesmal schon. Die Grünen sind auf dem Weg zu einer Partei, die Optimismus versprüht, die Themen der Zeit anspricht und über ihre angestammte Klientel hinausdenkt.

Werner Kogler, der Nachlassverwalter aus einer Zeit, als es so aussah, als würden die Grünen nie wieder auf die Beine kommen, entpuppt sich als Naturtalent.

Mit seiner Rede am Bundeskongress in Wien vergangene Woche gelang ihm ein Gesamtkunstwerk. Rhetorisch, rhythmisch, ästhetisch. Kogler wanderte von einer Bühnenseite auf die andere, beugte den Oberkörper vor und zurück, kickte ein Bein nach hinten, ein Bein nach vorn, ging in die Hocke zur halben Kniebeuge, streckte sich in die Höhe, als wolle er nach den Sternen greifen, verrenkte sich nach allen Seiten, die Arme gleich mit und das alles in Einklang mit dem Rhythmus seiner Worte und vor allem diesem speziellen Kogler-Sound.

Er redete mehr als eine Stunde lang. Was ist in Erinnerung geblieben? Lachen und Wohlgefühl, Bündnisse schließen, rausgehen, mit den Leuten reden, andere Wirklichkeiten kennenlernen. "Ein Kulturwechsel steht an. Wir sind nicht die besseren Menschen. Regieren ist immer ein Kompromiss", das waren seine politischen Botschaften. Verglichen mit der Geburtsstunde der Grünen im Waldheimjahr 1986 ist das eine andere Welt. Die ersten Grünen, die mit Freda Meissner-Blau an der Spitze in den Nationalrat einzogen, waren eine einander misstrauende Gruppe aus Bürgerlichen, Alternativen und Linken gewesen, die sich gegenseitig belauerten.

Ihre programmatische Grundlage lautete: "Das Überleben der Menschheit sichern" sowie "ein angstfreies, glückliches Leben ins Parlament tragen". Doch von Glück erzählten diese Gesichter nur kurze Zeit. Auf Bundeskongressen stritten sie stundenlang über die Geschäftsordnung und das Rotationsprinzip für den Nationalrat, und wer sich eine Bekanntheit erarbeitet hatte, wer öfter in den Medien vorkam als andere, war Eifersüchteleien ausgesetzt. In den 1990er-Jahren kamen die Grünen in Bundeswahlen nicht über fünf Prozent hinaus.

Grüner Impulstanz

Immerhin: 1993 kandidierte Alexander Van der Bellen erstmals für die Grünen, und heute ist er ein Bundespräsident, der Regierungskrisen mit Humor und ruhiger Hand managt.

2002 gab es einen kleinen Höhepunkt. Da sah man schon ein grünes Schattenkabinett in Vorwegnahme der zukünftigen Macht im Bundeskanzleramt die Stufen hochsteigen. Doch die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP scheiterten.

In den Jahren danach waren sie auf Opposition abonniert und wurden dabei immer mehr zu Moralaposteln und Besserwissern. Wehe dem, der Schnitzel aß, Schnaps trank oder auf das Gendern vergaß. Man erkannte sie auf der Straße. Sie waren schick angezogen. Studenten, Lehrer, Kulturschaffende und Kreative aller Art waren selbstverständlich grün.

Am Ende hatten sie die Gesellschaft verändert. Ihre Themen - Klimawandel, gesundes Essen, Nachhaltigkeit, Produktionsbedingungen, Wachstumskritik - sind im Mainstream angekommen.

Bei Umfragen hatten die tugendhaften Umweltfreunde immer mehr Stimmen als am Wahlabend. Das könnte diesmal anders sein.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling