Klimavolksbegehren-Chefin: "Die ganze Last liegt auf den KonsumentInnen"

In nur 24 Stunden hat das Klimavolksbegehren bereits genug Unterstützer gefunden, um zur Unterzeichnung aufgelegt zu werden. Sprecherin Katharina Rogenhofer im Interview über Fleischverzicht, CO2-Steuer, Greta Thunberg und erhobene Zeigefinger.

Drucken

Schriftgröße

profil: Raucher- und Frauenvolksbegehren waren beide sehr erfolgreich, wurden aber von der Regierung fast gänzlich ignoriert. Was soll nun ein weiteres Volksbegehren bringen? Rogenhofer: Langfristig haben beide Volksbegehren etwas verändern können. Viele Themen in der Gleichberechtigungsdebatte wurde vom Frauenvolksbegehren angestoßen – und auch das Rauchverbot kam ja dann über Umwege (Anm. nach Absetzung der Regierung). Ähnlich war es auch damals beim Volksbegehren gegen Gentechnik, hier wurde im Parlament zwar nicht viel erreicht, aber die Kennzeichnung "Ohne Gentechnik hergestellt" war eine Errungenschaft, die aus diesen Bemühungen hervorging. Das ist auch unser Ziel. Wir wollen eine breite Allianz – von NGOs bis zur Kirche. Klimaschutz darf kein Randthema sein, denn wir brauchen jetzt wirklich große Veränderungen. Wir müssen so viel Druck aufbauen, dass die Parteien nicht mehr auskönnen.

profil:In diesem Wahlkampf sind plötzlich alle Parteien Klimaschützer, nehmen Sie ihnen das ab? Rogenhofer:Einerseits ist es positiv, weil es ein Zeichen ist, dass so viel Druck aufgebaut wurde, dass sich jetzt jede Partei dazu äußern muss. Es ist auch laut Umfragen eines der wichtigsten Themen für die Menschen, sogar vor Asyl und Migration. Natürlich wird aber vor der Wahl viel versprochen. Wir haben uns vorgenommen, all diese Versprechen einzufordern.

profil:Warum ist Österreich beim Klimaschutz so weit hinten? Rogenhofer:Wir haben uns zu lange auf unserem Vorreiterstatus ausgeruht. Mittlerweile sind wir unter den fünf Schusslichtern der EU, was den CO2-Ausstoß betrifft. Unsere Emissionen sind seit 1990 nicht gesunken, sondern sogar leicht gestiegen. Klimaschutz war keine Priorität und es wurde auch nicht ernst genommen. Das spielt es jetzt nicht mehr.

profil:Österreich hat sehr CO2-intensive Industrien, haben wir dadurch nicht schwerere Voraussetzungen als andere Länder? Rogenhofer:Nein, das glaube ich nicht. Andere Länder haben das auch. Das ist also nur ein Abschieben der Verantwortung. Ein Drittel unserer Emissionen kommen aus dem Verkehrsbereich, da muss man sich neue Verkehrskonzepte überlegen. Ökonomin Sigrid Stagl hat das gut formuliert: Wollen wir darüber reden, ob wir mit Elektroautos oder Wasserstoffautos im Stau stehen oder darüber, wie wir gar nicht mehr im Stau stehen? Man muss den Menschen ermöglichen, Alternativen zu nutzen.

Die ganze Last liegt auf den KonsumentInnen, die dann entscheiden müssen, ob sie die Bio-Äpfel in der Plastikverpackung, oder die ohne Plastik aus den Niederlanden kaufen.

profil:Politiker, zuletzt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, sagen gerne, die Verantwortung für das Klima läge nicht nur bei der Politik, sondern vor allem bei den Menschen selbst. Ebenfalls ein Abschieben von Verantwortung? Rogenhofer:Ja, und das hat die Politik schon viel zu lange gemacht. Auch die Umweltorganisationen nehme ich davon nicht aus. Die ganze Last liegt auf den KonsumentInnen, die dann entscheiden müssen, ob sie die Bio-Äpfel in der Plastikverpackung, oder die ohne Plastik aus den Niederlanden kaufen. Die Politik hätte hier die Hebel, die klimafreundlichste Alternative zur billigsten und zur einfachsten zu machen. Ich kann nicht entscheiden, wo Züge hinfahren oder wie lange noch Kohle und Gas gefördert wird. Das sind politische Entscheidungen. Auch wenn der Einzelne viel machen kann.

profil:Was passiert, wenn Österreich die Klimaziele weiterhin nicht erreicht? Rogenhofer:Wir rechnen mit 35 bis 36 Milliarden Euro an Kosten bis 2030 um CO2-Zertifikate zu kaufen und fossile Energie zu importieren, um klimaschädliche Subventionen aufrecht zu erhalten und Schäden durch extreme Wetter-Ereignisse zu beseitigen. Das ist Geld, das wir lieber in eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft investieren sollten.

profil:Ist es für viele Klimaziele nicht schon zu spät, zum Beispiel um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen? Rogenhofer:Global haben wir schon eine Erwärmung von 1,1 Grad, in Österreich sind es schon zwei Grad, in den Alpenregionen teilwiese drei bis vier. In Österreich sind wir also schon lange daran vorbei. Laut IPCC-Bericht wäre es global aber noch möglich, das Ziel zu erreichen. Nur ein halbes Grad mehr global, also zwei Grad Erhöhung, würden Millionen mehr Klimaflüchtlinge aufgrund steigender Meeresspiegel bedeuten und alle Korallen würden sterben.

profil:Der Amazonas-Regenwald brennt. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro lehnt Hilfe der G7-Staaten als kolonialistisch ab und rät den Deutschen ihren eigenen Wald wieder aufzuforsten. Müssen die Länder des globalen Südens ausbaden, was wir verbockt haben? Rogenhofer:Ich möchte mich auf keinen Fall mit Bolsonaro solidarisieren, seine Politik, auch gerade was Klima betrifft, muss auf jeden Fall kritisch betrachtet werden. Diese Frage ist dennoch berechtigt, schließlich waren es die Europäer, die als erste ihren Urwald abgeholzt haben. Und was löst heute denn die größte Abholzung aus? Es sind meistens unsere Wirtschaftsbeziehungen. Da müssen wir uns schon auch an der Nase nehmen. Wenn es uns ein Anliegen ist, sollten wir die Länder beim Erhalt des Regenwaldes unterstützen und gleichzeitig unsere regionale Landwirtschaft fördern. Wenn argentinisches Rindfleisch billiger ist als das österreichische, ist das völlig unnachhaltig.

profil:Essen Sie selbst Fleisch? Rogenhofer:Nein. Mit 16 Jahren habe ich mal meinen CO2-Fußabdruck ausgerechnet und gesehen, dass ich mir so gleich 20 Prozent sparen könnte. Aber deswegen würde ich nicht den moralischen Zeigefinger erheben. Es geht gar nicht um ein "alles oder nichts", sondern um einen bewussten Umgang mit unseren Lebensmitteln. Hier muss es ein hin zur Nachhaltigkeit und Regionalität geben. Auch eine CO2 Steuer kann hier lenken.

Es kann nicht sein, dass ein Zug nach Spanien um ein Vielfaches teurer ist als ein Flug, dass importierte Lebensmittel viel billiger sind als heimische.

profil:Würde das nicht einen Wettbewerbsnachteil für Österreich bedeuten? Rogenhofer:Schweden hat eine CO2-Steuer, die der Wirtschaft kaum geschadet hat. Es geht hier darum, Kostenwahrheiten herzustellen. Es kann nicht sein, dass ein Zug nach Spanien um ein Vielfaches teurer ist als ein Flug, dass importierte Lebensmittel viel billiger sind als heimische.

profil:Eine CO2-Steuer ohne soziale Ausgleichsmaßnahmen trifft vor allem Schlechterverdienende. Wie kann sie Ihrer Meinung nach funktionieren? Rogenhofer:Damit die Steuern- und Abgabenreform im Speziellen nicht auf Geringverdienende oder PensionistInnen abgewälzt wird, muss die soziale Komponente immer mitbedacht werden. Deshalb soll allen ein Klimabonus ausgezahlt werden, um die zusätzlichen Kosten abzufedern. Das hilft vor allem den sozial Schwachen.

profil:Glauben Sie wirklich, dass sich die Menschen für eine neue Steuer erwärmen könnten? Rogenhofer:Das muss immer in einem Paket kommen. Sonst verstehe ich jeden, der sich aufgeregt. Es ist ja nicht nur eine zusätzlich Steuer, man würde ja auch etwas zurückbekommen. Gerade die Geringverdiener würden im Verhältnis mehr bekommen. Außerdem gäbe es einen besseren, leistbareren öffentlichen Verkehr. Erneuerbare Energie wird billiger, weil sie mehr gefördert wird. Das sind alles Leistungen, die dann im Endeffekt allen zugutekommen.

profil:Ganz ohne Verzicht wird es aber nicht gehen, oder? Rogenhofer:Eine der wenigen Regionen, wo immer weniger Leute den Führerschein machen, ist Wien. Das ist nicht aus moralischen Gründen der Fall, sondern weil man ihn aufgrund der Öffis einfach nicht braucht. Darum sehe ich das nicht so. Für entlegene Regionen muss man sich sowieso gesonderte Konzepte überlegen. Aber gerade in Städten kann man viel lenken, ohne dass die Leute das Gefühl haben, sie müssen Abstriche machen. Außerdem wird es noch unangenehmer, wenn wir nichts tun.

profil:Sie fordern die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen, was ist darunter zu verstehen? Rogenhofer:Diesel kostet weniger als Benzin, dafür gibt der Staat Geld aus. Das ist hirnrissig, weil Diesel nicht umweltfreundlicher als Benzin ist. Einerseits haben wir die Mineralölsteuer, dafür wird Kerosin aber nicht besteuert. Das ergibt keinen Sinn. Wenn man das angleichen würde, könnte man dafür erneuerbare Energien fördern und den öffentlichen Verkehr ausbauen.

profil:Eine Ihrer Forderungen ist die Klimaneutralität Österreichs. Wie soll das funktionieren? Durch Emissionszertifikate? Rogenhofer:Das ist ein bisschen ein Ablasshandel, nein. Es gibt natürliche Senken, also Wege, wie man CO2 binden kann, mit Bäumen oder Humus. Idealerweise können die unserem CO2-Ausstoß die Wage halten. Auch die Landwirtschaft kann hier eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Wir tauschen uns viel mit der Landjugend aus. Die sind in der gesamten Thematik sehr offen. Die Landwirte sind ja auch am frühesten und am stärksten vom Klimawandel betroffen, zum Beispiel durch Ernteausfälle und Hagelschäden.

profil:Bringt es denn etwas, wenn ein kleines Land wie Österreich solche Maßnahmen umsetzt? Rogenhofer:Jeder Schritt zählt. Klar haben wir bei der Erwärmung weniger "impact" als andere Länder. Aber von dem breit ausgebauten Öffi-Netz und regionaler, erneuerbarer Energie profitieren wir auf jeden Fall. Wir haben als wohlhabendes Land viel Potenzial. Überall auf der Welt zeigen kleine Länder, wie zum Beispiel Costa Rica, wie viel sie erreichen können.

Ich habe da viel Unverständnis dafür, wie viel Hass Greta entgegenschlägt.

profil:Sie haben die "Fridays for Future"-Bewegung mit nach Österreich geholt, wie erklären Sie sich die aggressive Debatte über Greta Thunberg? Rogenhofer:Ich habe da viel Unverständnis dafür, wie viel Hass ihr entgegenschlägt. Ohne sie würde diese Bewegung nicht existieren. Sie hat die Regierenden sehr direkt darauf hingewiesen, dass sie in der Bekämpfung der Klimakrise versagt haben. Gleichzeitig sollte man sich nicht an einer Person aufhängen und sie an so hohen Maßstäben messen. Die Bewegung ist längst viel größer als sie alleine – auch in Österreich.

profil:Gewählt werden darf in Österreich ab 16, trotzdem lassen sich Politiker lieber im Altersheim oder im Kindergarten fotografieren als in Schulen. Werden Jugendliche zu wenig gehört? Rogenhofer:Ich glaube hier gibt es einen gar nicht so kleinen Generationenkonflikt. Die Jugendlichen denken sich: Ich darf wählen, aber wirklich gefragt werde ich nicht. Und die, die in Pension sind, entscheiden dann über meine Zukunft. Umso mehr brauchen wir jetzt alle – denn wir entscheiden in den kommenden Jahren über das Schicksal aller kommender Generationen.

So ein wichtiges Werkzeug wie ein Volksbegehren darf nicht in den Händen einer Partei liegen.

profil:Die Gründerin des Volksbegehrens, Chefin der niederösterreichischen Grünen, Helga Krismer, hat sich zu Ihren Gunsten zurückgezogen. Wie parteipolitisch ist das Volksbegehren noch? Rogenhofer:So ein wichtiges Werkzeug wie ein Volksbegehren darf nicht in den Händen einer Partei liegen. Mittlerweile ist das ganz getrennt. Wenn man einen Parteistempel hat, schließt das viele Menschen aus. Wir bringen verschiedene Organisationen und Institutionen an einen Tisch und bauen gemeinsam an Lösungen.

Katharina Rogenhofer (25) ist Chefin des Klimavolksbegehrens. Rogenhofer hat Biologie und Zoologie sowie Biodiversity, Conservation and Management an der Universität Oxford studiert. Sie holte unter anderem die "Fridays for Future"-Proteste nach Wien.