Männer & Karies

Nationalratswahl-Tagebuch: Männer & Karies

Das profil-Tagebuch zur Nationalratswahl

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Der Imperativ als Modus der Wahlwerbung feiert ein Comeback. Dazu verholfen hat ihm als erster Kanzler Christian Kern mit dem schon jetzt zeitlosen SPÖ-Wahlslogan "Hol dir, was dir zusteht." Eine angebliche Verbotspartei wie die Grünen beherrscht den Umgang mit der Befehlsform natürlich auch meisterhaft, wie Ulrike Lunacek bei der Präsentation ihres ersten Wahlplakats vergangenen Donnerstag bewies, auf dem es heißt: "Sei ein Mann: Wähl eine Frau. Das ist Grün." Das ist zunächst einmal widersinnig. Männliche Grünwähler hätten demnach vergangenes Jahr für Irmgard Griss stimmen müssen -und nicht für Alexander Van der Bellen. Und im Wahlkampf auf das Alleinstellungsmerkmal "Frau" zu setzen, ist fast so retro wie der Reim auf den ebenfalls vergangene Woche präsentierten FPÖ-Plakaten: "Der rot-schwarze Speck muss weg." Da war FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl schon einmal kreativer, als er "Pummerin" mit "Muezzin" kombinierte oder "Daham" mit "Islam". Der Slogan auf den ersten Plakaten von Sebastian Kurz klingt nach dem Tiroler Landeshelden: "Es ist Zeit." Hinweise auf die ÖVP oder gar das Logo fehlen auf den Plakaten. Die Parteiwerber werden sich etwas dabei gedacht haben. Dass sie die komplizierteste Partei seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts sind, zeigten einmal mehr "NEOS - Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung". Die pinken Slogans stehen gespiegelt auf den Plakaten ("Bescheid wissen", "Euröpa","Arbeit geben") und darunter in Normalschrift: "Weil die Perspektive der Menschen zählt." Der Imperativ -"Zähl die Perspektive der Menschen" - hätte in diesem Zusammenhang weniger Sinn ergeben.

Die kurze Frage als bevorzugte Interviewtechnik feiert kein Comeback. Moderator Tarek Leitner leitete das ORF-"Sommergespräch" mit Heinz-Christian Strache vergangene Woche ausholend ein: "Beim letzten Einzug ins Parlament ist die FPÖ zwar nur auf Platz 3 gekommen, dann war die Partei aber sehr lange stabil vorne Nummer 1 in den Umfragen. Aber das ist seit dem Obmannwechsel in der ÖVP anders. Jetzt könnte man sagen, früher war alles besser, Herr Strache, selbst die Umfragen, aber wenn man so auf die Rahmenbedingungen unseres Lebens blickt, und unserer Welt blickt, dann stimmt das ja gar nicht, dass früher alles besser war, vielfach war früher alles schlechter. Sie waren ja mal Zahntechniker, bevor Sie in die Politik gegangen sind. Wissen Sie, wie es da um die Karies bei Kindern, bei Zwölfjährigen, ausgesehen hat? Da waren so etwa sieben Zähne im Durchschnitt von Karies befallen, heute ist es nicht einmal ein Zahn. Im selben Zeitraum sind die Banküberfälle zu einem aussterbenden Verbrechen geworden, die Toten im Straßenverkehr sind trotz Anstiegs der Autos rapide zurückgegangen und die durchschnittliche Wohnfläche, die einem Österreicher zur Verfügung steht, hat sich in etwa verdoppelt. Hat sich in diesen drei, vier Jahrzehnten auch aus Ihrer Sicht auf das Land, auf Ihre Heimatstadt beispielsweise, etwas zum Guten entwickelt?" Straches präzise Erwiderung: "Sie haben jetzt sehr viel in diese Frage hineinverpackt."

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.