Wie Digitalisierung unser Leben verändert
Grenzenlose Vernetzung, neue Berufsfelder und lebenserleichternde Anwendungen auf der einen Seite – Cybermobbing, Suchtverhalten und der Wegfall von vielen Arbeitsplätzen auf der anderen: Die fortschreitende Digitalisierung ist Fluch und Segen zugleich. Klar ist: Der technologische Fortschritt wird nicht langsamer, sondern in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch schneller passieren. Ein Indiz dafür ist die rasche Adaption von Künstlicher Intelligenz in Form von Textgeneratoren, aber auch das flexible Arbeiten. Unser Arbeitsplatz hat sich in der Pandemie verändert. Zwar sind viele Menschen ins Büro zurückgekehrt, hybrides Arbeiten ist dennoch geblieben.
Chancen und Risiken
Geht es nach der österreichischen Regierung, so soll die Digitalisierung für mehr Lebensqualität für alle Generationen, mehr Wohlstand und neue Jobs schaffen und nicht zuletzt auch die Verwaltung modernisieren. Im Juni präsentierte die Regierung im Rahmen des „Digital Austria Acts” 117 Maßnahmen für das Amts- und Gesundheitswesen, aber auch für die persönliche Digitalkompetenz. Immerhin hat die digitale Welt nicht nur positive Effekte, sondern auch Nebenwirkungen, wie Neurobiologe Bernd Hufnagl im Interview erklärt: „Wir verlieren uns in Meinungsblasen im Internet und in Jammerkultur. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt.”
„Es gilt zu berücksichtigen, dass der digitale Transformationsprozess sowohl Chancen als auch Risiken birgt“, sagt auch Julia Bock-Schappelwein, Arbeitsmarktexpertin des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO): „Die Bandbreite reicht vom Verschwinden ganzer Berufe, die sich überwiegend durch zu standardisierende Tätigkeiten auszeichnen, modifizierten Arbeitsprozessen bis hin zur Änderung der Berufsbeschreibung, bei der automatisierbare und digitalisierbare Aufgabengebiete wegbrechen oder reduziert werden und neue Aufgabengebiete hinzukommen.“ Dabei werde stärker auf Fähigkeiten gesetzt, die Arbeitskräfte von Algorithmen abheben, wie Kommunikations- und Teamfähigkeit.
Mehr und weniger Jobs durch KI
Im Hinblick auf Künstliche Intelligenz merkt Bock-Schappelwein an, dass diese nicht nur Jobs ersetzen wird: „Durch den Einsatz können neue Aufgaben entstehen oder auch die Ausübung bestehender Tätigkeiten erleichtert werden, wiewohl auch Tätigkeiten gänzlich wegbrechen. Entsprechend differenziert werden auch die Auswirkungen auf die Beschäftigung ausfallen.“ Denn im Umfeld des KI-Einsatzs werden laut der Ökonomin auch Arbeitsplätze entstehen, die diese Technologien entwickeln, schulen und aktualisieren. „Unerlässlich sind erweiterte Basiskompetenzen: ausreichende Basiskompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben ergänzt um grundlegende IT-Kenntnisse und digitale Kompetenzen“, erklärt Bock-Schappelwein, wie Österreich sich auf diesen Wandel vorbereiten kann. „Eine grundsätzliche Offenheit gegenüber Technologie sowie ein gekonnter Umgang mit Daten wird immer wichtiger”, sagt auch Anna Nowshad, Partnerin von Deloitte Österreich. In allen Branchen werden sich laut der Beraterin Jobs verändern, und nicht nur Routinetätigkeiten: „Auch die Wissensarbeit bleibt nicht unbeeinflusst. Zum einen bereiten Algorithmen und KI eine fundierte Basis für Entscheidungen und führen gleichzeitig dazu, dass die Komplexität von Tätigkeiten reduziert wird. Zum anderen werden Kapazitäten für kreativere, verantwortungsvoller Tätigkeiten verfügbar.”
Kunst im Umbruch
Die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz verändern also nicht nur die Gesellschaft und Wirtschaft, sondern auch Kunst und Kultur. Martin Rauchbauer hat sich als Diplomat und früherer Co-Direktor des Open-Austria-Büros in San Francisco auf die Schnittstelle von Technologie und Kunst spezialisiert. „Ich glaube nicht, dass wirklich originäre menschliche Kreativität durch KI bedroht ist, aber Künstlerinnen und Künstler müssen sich auf die neuen Möglichkeiten von künstlicher Kreativität einstellen und vielleicht in ihrem eigenen Interesse einlassen“, meint Rauchbauer und ergänzt: „Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass rechtliche und technische Lösungen gefunden werde, im Rahmen derer Künstler von KI-Imitationen ihrer eigenen Werke profitieren.“ Als Leiter des Künstlerresidenz-Programms Djerassi beobachtet er, wie aktuelle Themen wie Klimawandel oder der Kontrollverlust über unsere Daten in die künstlerische Arbeit einfließen.
Wie die Arbeitsmarktexpertinnen findet auch Rauchbauer, dass die Kunstbranche die Chance haben soll, sich mit neuen Technologien vertraut zu machen. „Die Tech-Branche hilft der Kunstszene dann am meisten, wenn sie sie ernst nimmt. Das kann unterschiedliche Formen annehmen, etwa auch finanzielle Unterstützung, Sponsoring oder die Einbindung von Künstlern in die Forschungslabors der Tech-Konzerne”, schlägt Rauchbauer vor.
Bei all dem Fokus auf den technologischen Fortschritt werden jedoch auch alte Werte wieder wichtiger, erklärt Transformationsexpertin Anna Nowshad: „Da menschliche Dienstleistungen wie Erziehung, Sozial- und Gesundheitsberufe künftig weiter stark nachgefragt werden, zählt Empathiefähigkeit zu einer immer bedeutender werdenden Kompetenz. Und Kreativität sowie die Fähigkeit, neue und individuelle Ideen zu entwickeln, sind schon heute mehr denn je gefragt.