Deutscher Buchpreis

Wiener Autor Tonio Schachinger gewinnt Deutschen Buchpreis

Als dritter Österreicher gewinnt der Wiener Autor Tonio Schachinger, 31, mit seinem Roman „Echtzeitalter“ den renommierten Deutschen Buchpreis.

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Als Autor eines Fußballer-Romans sei Ihnen die Sportreporter-Frage gestellt: Wie geht es Ihnen nach dem Buchpreis-Gewinn?
Tonio Schachinger
Klassische Sportler-Antwort: Super! Der Buchpreis macht natürlich alles extremer – so- wohl die öffentliche Aufmerksamkeit als auch die Buchverkäufe.
Wir alle sind jeden Tag mit der Realität von Krisen und Kriegen konfrontiert. Leben wir im „Echtzeitalter"?
Tonio Schachinger
Der Titel des Romans stammt von meiner Frau und hat verschiedene Ebenen. Kürzlich las ich Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ wieder. Die Realität des Stellungskrieges in der Ukraine ähnelt jener des Ersten Weltkrieges, allerdings mit Berichterstattung in Echtzeit.
Till, der Protagonist aus „Echtzeitalter“, ist gleich Tonio: Wie sehr sind Sie mit dieser Gleichung konfrontiert?
Tonio Schachinger
Das passiert überhaupt nicht. Meine Schulzeit am Theresianum war gänzlich anders als die im Roman beschrie- bene, mein Zugang zum Gaming unter- scheidet sich ebenfalls. „Echtzeitalter“ ist kein Schlüsselroman. Er ist informiert durch meine Erfahrungen, aber alles andere als eine Parallelerzählung meiner eigenen Schulzeit.
Welche Reaktionen kamen bislang aus der Schule?
 Tonio Schachinger
Sehr viele positive, auch von Menschen, von denen ich nicht gedacht hätte, sie würden den Roman mögen. Ich muss mich inzwischen eher dagegen wehren, vereinnahmt zu werden.
Ihr Roman könnte im Theresianum und an anderen Schulen bald Schularbeitsstoff werden.
Tonio Schachinger 
Das könnte wirklich passieren. Vor geraumer Zeit erhielt ich die Anfrage eines jungen Lehrers aus dem Kollegium Kalksburg, der mit seiner achten Klasse den Roman liest. Meine Antwort war: Sollte ich den Buchpreis gewinnen, wird sich ein Besuch in der Klasse nicht ausgehen, sonst komme ich gerne. Erst gestern bekam ich von einem Schüler dieser Klasse Post, ob ich ihm nicht eine kurze schriftliche Zusammenfassung des Romans schicken könnte, weil er als Maturant selbst wenig Zeit habe. Ich habe noch nicht geantwortet, weil ich auch gerade das eine oder andere zu tun habe.
Etliche Schülerinnen und Schüler werden Ihr Buch nicht gerne lesen.
Tonio Schachinger 
Damit werde ich leben müssen. Ich kann nur hoffen, dass die alternative Schullektüre noch schlimmer gewesen wäre.
„Echtzeitalter“ widmet sich unter anderem der Politik unter Sebastian Kurz, der bei Ihnen nicht gerade gut wegkommt.
Tonio Schachinger
Das wäre doch seltsam, kämen Ex-Kanzler Kurz und FPÖ-Obmann Kickl gut weg. Andererseits: Das wäre fast schon wieder subversiv.
Unlängst bemerkten Sie in einem „Standard“-Interview, Bundeskanzler Nehammer äußere zuweilen „unfassbar idiotische Dinge“.
Tonio Schachinger
Ich habe die Tragweite einer solchen Äußerung unterschätzt, für mich selbst war diese Feststellung einfach nur banal – und keineswegs ein besonders wagemutiges Statement. Ich musste mich sehr wundern, dass es etliche Menschen gab, die solch eine Feststellung mutig fan- den – und nicht bereits total abgelutscht. Ich hätte gemeint, dass darüber Konsens herrscht.
Hat Ihnen Nehammer bereits gratuliert?
Tonio Schachinger
Nein, wird er wahrscheinlich auch nicht. Kultur hat für den Kanzler keinen solchen Stellenwert, dass er dafür extra anruft.
Sie werden in Zukunft wohl kaum daran vorbeikommen, gesellschaftspolitische Einschätzungen zu treffen. Wie wollen Sie damit umgehen?
Tonio Schachinger
Es wird ein Lernprozess. Ich werde entsprechende Anfragen viel- leicht öfter negativ beantworten. Ich er- kenne keinen Mehrwert darin, Dinge zu äußern, die offensichtlich sind. Dadurch überzeugt man niemanden, der ohnehin anderer Meinung ist – und nur in den eigenen Resonanzraum zu sprechen, empfinde ich auch nicht als besonders prickelnd.
Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.