Blinder Passagier

2004 flog Karl-Heinz Grasser im Business-Jet vom Golfen heim: Die Telekom Austria zahlte die Rechnung

Affäre. 2004 flog Karl-Heinz Grasser im Business-Jet vom Golfen heim: Die Telekom Austria zahlte die Rechnung

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Das Frühjahr 2004 war für Karl-Heinz Grasser durchaus herausfordernd. Die Kritik an seiner Homepage wollte nicht abreißen, der Vorwurf der Steuerhinterziehung und der verbotenen Geschenkannahme stand im Raum. Und dabei hatte der Finanzminister mit dem Verkauf der Bundeswohngesellschaften (Buwog), der in die entscheidende Phase glitt, ohnehin genug um die Ohren.

Da sind gute Freunde durch nichts zu ersetzen. Walter Meischberger, beispielsweise. Auch er viel beschäftigt.

Der „Real Nuevo Club de Golf de San Sebastián Basozábal“ galt schon damals als eine der besseren Adressen im Baskenland. Die vom spanischen Weltklassegolfer José María Olazábal konzipierte 18-Loch-Anlage war erst zwei Jahre zuvor eröffnet worden. In der Golfcommunity gilt das Gelände bis heute als anspruchsvoll, die Hanglage erfordert ein präzises Spiel.

Mitte März 2004 fand sich ein Grüppchen enthusiasmierter Golfer aus Österreich in San Sebastián ein, um eine Platzrunde mit Señor Olazábal zu drehen. Unter ihnen: Rudolf Fischer, damals Manager der Telekom Austria; Ernst Karl Plech, Immobilienunternehmer, Aufsichtsratsvorsitzender einer Buwog-Gesellschaft und Grassers Berater; Walter Meischberger, „Lobbyist“.

profil hat über den mehrtägigen gemeinsamen Ausflug 2013 erstmals berichtet, war er doch Teil der Untersuchungen im Telekom-Komplex (Nr. 36/13). Bei Hausdurchsuchungen war den Ermittlern eine Rechnung in die Hände gefallen, die Fragen aufwarf. Weiterführende profil-Recherchen zeigen, was aus den Ermittlungsakten nicht hervorgeht. Auch Karl-Heinz Grasser war mit von der Partie gewesen. Das Problem dabei: Der fast 10.000 Euro teure Rückflug im gecharterten Business Jet ging auf Kosten der Telekom Austria – jenes Unternehmens also, das zumindest damals im Einflussbereich der Verstaatlichtenholding ÖIAG und damit des Finanzministers stand. Und der hieß 2004 Karl-Heinz Grasser.

Noch so eine Unvereinbarkeit, die viel über KHGs Amtsverständnis verrät. Und ein Beleg mehr, wie sehr bei ihm die Grenzen zwischen Politischem und Privaten verschwammen.

Wie Walter Meischberger im November 2009 bei einer Einvernahme aussagen sollte, hatte die Reise geschäftlichen Charakter. „Die ZehnVierzig (Anm. : Meischbergers heute insolvente Agentur) arbeitete damals an der Entwicklung eines Golfplatzprojektes, im konkreten Fall Wien-Freudenau. Als Planer war … José María Olazábal ausersehen … Rudi Fischer und Ernst Plech waren auch an dem Projekt interessiert. Wir haben mit José María am Golfplatz in San Sebastián eine Runde gespielt, haben uns … über das Projekt unterhalten und sind dann wieder nach Hause geflogen. Aus dem Projekt ist bis heute nichts geworden.“

An Teilnehmern fielen Meischberger neben Ernst Karl Plech und Rudolf Fischer noch zwei weitere Personen ein, beide österreichische Golfer. Ein sechster Gast freilich war ihm entfallen: Grasser.

Rudolf Fischer sagte dazu im April 2011 nur so viel aus: „Wir haben alle diese Reise privat gebucht und auch bezahlt.“

Das stimmt aber nur zum Teil.

Am 11. März 2004 explodierten in Madrid zehn Sprengsätze, die
191 Menschen in den Tod rissen. Die spanische Regierung vermutete ersten Meldungen zufolge die baskische Terrororganisation ETA hinter den Anschlägen (erst später bekannten sich Islamisten dazu).

350 Kilometer weiter nördlich, in San Sebastián, beschlich die golfenden Österreicher eine gewisse Unruhe. „Wir wollten so schnell wie möglich weg“, erinnert sich einer der Teilnehmer. „Wir waren aber Linie geflogen und konnten in dem Durcheinander nicht umbuchen. Außerdem hat es dauernd geregnet.“

Die vermeintliche Glanzidee: Jetalliance.

Das (mittlerweile insolvente) Bedarfsflugunternehmen schickte am 13. März 2004 eine Cessna Citation 560 XL zum nächstgelegenen Flughafen Bilbao, um die Verängstigten aufzunehmen und diese noch am gleichen Tag nach Wien auszufliegen.

Neun Tage später, am 22. März, fakturierte die Jetalliance Flugbetriebs AG ­eine Rechnung über 9950 Euro – ohne Umsatzsteuer – an Meischbergers Agentur ZehnVierzig, wo sie buchhalterisch als „Reisespesen Ausland“ erfasst wurde. Rudolf Fischer sollte später behaupten, dass die Teilnehmer die Kosten für den Rückflug „nachher geteilt“ hätten.
Auch das ist zu hinterfragen.

Bei der Aufarbeitung der Buchhaltungen von Walter Meischberger und Peter Hochegger stieß der Gerichtssachverständige Matthias Kopetzky bereits im Vorjahr auf eine bemerkenswerte Koinzidenz. „Zur Aussage, dass die Flugkosten im Nachhinein geteilt worden seien, haben wir in der Buchhaltung der ZehnVierzig GmbH eine Ausgangsrechnung an die Valora AG (Anm.: Peter Hocheggers mittlerweile insolvente Beratungsgesellschaft) vom 30.3.2004 iHv 11.940 Euro brutto gefunden … Dieser Betrag entspricht 9950 Euro netto und stellt damit exakt jenen Betrag dar, welcher von der Jetalliance Flugbetriebs AG an die ZehnVierzig GmbH für den Charterflug nach Bilbao in Rechnung gestellt wurde.“

Kopetzky geht davon aus, dass der 9950 Euro teure Business-Charter mit KHG an Bord „über den in der Valora AG vorhandenen Telekom-Geldtopf gedeckt wurde“.

Mit anderen Worten: Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger und Ernst Karl Plech golften in Spanien, die Rechnung für den Rückflug sponserte die Telekom via Peter Hochegger – allesamt Akteure in Causen, an denen sich die Justiz bis heute abarbeitet.

Auf Nachfrage bestätigt Grassers Anwalt Manfred Ainedter die Anwesenheit seines Mandanten am Grün in San Sebastián und später an Bord der Citation. „Die Reise gab es, jeder Teilnehmer hat diese privat gebucht und auch bezahlt. Nach den Terroranschlägen wollte aber einer der Herren unbedingt vorzeitig abreisen, daher der Transfer im Charter.“ Wer die Rechnung für den Rückflug schlussendlich bezahlt habe, wisse sein Mandant zehn Jahre danach nicht mehr.

Der Schock über die Ereignisse in Spanien muss tief gesessen haben. Denn nur drei Wochen später nahm sich Grasser in Begleitung seiner damaligen Lebensgefährtin erneut eine Auszeit. Und wieder war Meischberger nicht weit. In einer Einvernahme schilderte KHG das im September 2010 so: „Ich erinnere mich, Walter Meischberger damals erzählt zu haben, dass ich gerne eine Urlaubsreise machen wolle, und fragte ihn, ob er einen Tipp hätte.“ Den hatte er. Eine Woche Seychellen. Im gediegenen Sainte Anne Resort & Spa auf Mahé. 780 Euro pro Nacht und Zimmer.

Wie profil 2010 berichtete, ging auch die Hotelrechnung – sechs Nächte Halbpension um insgesamt 4680 Euro – an die Adresse der ZehnVierzig (Nr. 16/10). Meischberger, der nach eigener Aussage „Geschäftsbeziehungen“ zum Hotelbetreiber Beachcomber pflegte, hatte die Unterbringung also organisiert und bezahlt. Grasser will ihm die Auslagen später „in kleineren Beträgen aufgeteilt“ über einen längeren Zeitraum in bar erstattet haben. Der Sachverständige Kopetzky ist sich da nicht ganz so sicher. „Wir erachten es als äußerst ungewöhnlich, dass unter den gegebenen Einkommensverhältnissen der Beteiligten ein Abstottern erfolgt sein soll.“

Golfen in San Sebastián, relaxen in Mahé – und das Jahr war immer noch nicht um.

19. Dezember 2004: Karl-Heinz Grasser und Begleitung verfügen sich auf die Malediven. Ein kleiner Vorteil ist auch dieses Mal drin. KHG, ausgestattet mit Economy-Tickets, lässt sich und seine Herzensdame für Hin- und Rückflug auf die Business Clas „upgraden“ – auf Kosten von Austrian Airlines, nach Intervention des damaligen AUA-Chefs.

Auch die AUA stand damals unter der Kontrolle der ÖIAG und damit des Finanzministers. Auch dieser Urlaub stand übrigens unter keinem allzu guten Stern. Am 26. Dezember verwüsteten Tsunamis die Küsten des Indischen Ozeans. Grasser trotzte den Naturgewalten – und harrte tapfer im „Baros Holiday Resort“ aus.

Meischberger war bei dieser Reise außen vor.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.