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Wirtschaft

4,7 Milliarden Euro für nix

Werden die Klimaziele verfehlt, kommen auf Österreich immense Kompensationszahlungen zu. José Delgado leitet das Klimateam im Finanzministerium, welches versucht, Budget und Klima möglichst in Einklang zu bringen.

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Der Rechnungshof hat vor gut zwei Jahren vorgerechnet, dass wir bis 2030 mehr als neun Milliarden Euro für den Kauf von Emissionszertifikaten brauchen werden, wenn wir die Klimaziele verfehlen. Wird es so weit kommen?
Delgado
Die EU hat die Klimaziele bis 2030 mittlerweile verschärft. Unsere internen Berechnungen zeigen jedoch, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Risiko von 4,7 Milliarden bis 2030 rechnen müssen. Wir tun alles Mögliche, damit die für die kommenden Jahre bereitgestellten Mittel so ausgerichtet werden, dass wir die Ziele erreichen können. Das ist ein Kraftakt, aber wir haben in der langfristigen Budgetprognose gezeigt, dass ein nachhaltiger Staatshaushalt und die Erreichung der Klimaziele möglich sind.
Sie rechnen also mit der Hälfte der Strafzahlungen des Rechnungshofs, obwohl die EU die Klimaziele verschärft hat. Wie das?
Delgado
Seit der Publikation des Rechnungshofberichts hat sich hinsichtlich der Klimaschutzmaßnahmen einiges getan. Auch das Bewusstsein in der Bevölkerung ist gestiegen. Wesentlich wird auch der Preis für die Emissionszertifikate sein.
Dieser ist in den vergangenen Jahren ordentlich gestiegen.
Delgado
Absolut. Umso wichtiger ist es, den Kohlenstoffausstoß zu senken. Ein ganz großes Thema ist hier, dass die Ressorts und die anderen Gebietskörperschaften auch einen Teil der Verantwortung übernehmen.
Spielen Sie auf die Länder an?
Delgado
Nein, ich meine sowohl die Bundesebene als auch Länder und Gemeinden. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, ergibt keinen Sinn. Wir haben in unserem eigenen Tätigkeitsbereich genug zu tun. Das Finanzministerium zeigt mit der Einrichtung des Klimateams, dass es Verantwortung übernimmt, die Klimaziele kosteneffektiv einzuhalten.

José Delgado

Der Ökonom leitet das siebenköpfige Klimateam im Finanzministerium.

Wir haben bereits für das Verfehlen der Klimaziele bezahlt. Wie viel war das insgesamt?
Delgado
Bis dato haben wir nur für die Periode 2008 bis 2012 gezahlt, in der wir Ziele des Kyoto-Protokolls nicht erreicht haben. Das war damals knapp unter einer halben Milliarde Euro.
Das heißt, dass wir seit 2012 keine Zahlungen tätigen mussten?
Delgado
Genau, für die Emissionsperiode 2013 bis 2022 mussten wir nichts zahlen. Anders ist es von 2023 bis 2030. Da kommt die große Herausforderung auf uns zu.
Der Staat nimmt aber auch Geld aus dem Emissionshandel ein. Unternehmen wie etwa die Voestalpine oder die OMV, die unter dieses Regime fallen, müssen für jede Tonne CO2, die sie ausstoßen, Zertifikate kaufen. Wie hoch waren die Einnahmen in den letzten Jahren?
Delgado
Die bewegen sich zwischen 200 bis 400 Millionen pro Jahr. Ab 2027 kommen mit der Reform des Emissionshandels auch noch Einnahmen aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor dazu. Faktum ist aber, dass die Ausgaben im klima- und umweltpolitischen Bereich um ein Vielfaches höher sind als das, was der Staat hier einnimmt. Wichtig ist, dass jene, die Budgetmittel bekommen, auch eine Treibhausgasreduktion umsetzen.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Mittel effektiv eingesetzt werden?
Delgado
Genau das ist die Herausforderung des Green Budgeting. Wir sehen beispielsweise in den Daten, dass in der Vergangenheit bei vielen Förderungen keine einheitlichen Berechnungsmethoden herangezogen wurden, um etwa die Treibhausgaseffekte auszuweisen. Wir versuchen eine andere Form der Transparenz voranzutreiben.
Was heißt Green Budgeting konkret?
Delgado
Es umfasst die Analyse sämtlicher Finanzströme im öffentlichen Bereich und analysiert ihre Wechselwirkung mit der Klimapolitik. Das Ziel ist das Einhalten der Pariser Klimaziele.
Haben Sie ein Beispiel?
Delgado:
Die erfolgreiche Umsetzung des nationalen Emissionszertifikate-Handelssystems ist so ein Beispiel. Das wird in Kooperation mit dem Klimaministerium vom Finanzministerium implementiert.
Derzeit sind Sie mit der Erstellung des Budgets für 2024 beschäftigt. Welchen Stellenwert nimmt das Klima dabei ein?
Delgado
Uns ist absolut klar, dass wir in diesem Prozess sicherstellen müssen, dass tatsächlich ein Effekt erreicht wird. Und zwar nicht nur in ökologischer Hinsicht, sondern auch mit Blick auf die verteilungspolitischen und die standortpolitischen Auswirkungen. Es gibt zwar viele Informationen darüber, wie viele Milliarden für den Klimaschutz eingesetzt werden, aber wenig Informationen darüber, wie diese Milliarden tatsächlich verwendet werden. Wir pochen darauf, dass das in der Diskussion mit den Fachressorts und mit den Bundesländern nicht zu kurz kommt. Das Klimateam analysiert entsprechende Datenströme und identifiziert Lücken, die eindeutig bestehen.
Würden Sie sich leichter tun, wenn es endlich ein Klimaschutzgesetz mit Zielpfaden geben würde?
Delgado
Absolut. Aber das Klimaschutzgesetz ist nicht wegen des Green Budgeting weiter in Verhandlung, sondern weil beide Regierungsparteien zum Teil noch unterschiedliche Sichtweisen haben. Wir versuchen, und da ermöglicht uns der Finanzminister eine relativ freie Arbeitsweise, die Datenlage so zu verbessern, dass Budget und Klima entsprechend miteinander verknüpft sind, sobald das Klimaschutzgesetz kommt.
Sie sind seit 2010 für Österreich bei den Weltklimakonferenzen dabei. Was genau verhandeln Sie denn da?
Delgado
Seit 2013 bin ich auch Teil des EU-Teams und habe an einigen Verhandlungen zur internationalen Klimafinanzierung teilgenommen. Dort ging es um die Beiträge, welche die Industrienationen an Entwicklungsländer liefern müssen, damit diese sich auf den Klimawandel vorbereiten und ihre Treibhausgase reduzieren können. Es ist Teil des Pariser Übereinkommens, dass die Industrienationen einen Teil der historischen Verantwortung übernehmen. Es macht Sinn, nicht als Österreich allein zu sprechen, sondern als Mitglied der Europäischen Union.
Von außen betrachtet hat man oft den Eindruck, bei den Konferenzen wird viel gesprochen, konkret geht aber nichts weiter. Sehen Sie das auch so?
Delgado
Nein. Mit dem Pariser Übereinkommen haben wir eine Zielarchitektur geschaffen und in der Konferenz von Katowice die nächsten Schritte gesetzt. Ich sehe da schon Fortschritte. Aber natürlich ist noch einiges zu tun, um die sehr ambitionierten Klimaziele bis zur Mitte des Jahrhunderts entsprechend umzusetzen.
Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass Österreich die Klimaziele bis 2030 doch noch erreichen wird?
Delgado
Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir alles tun werden, damit wir sie nicht nur erreichen, sondern dass es auch leistbar bleibt. Das ist eine immense Herausforderung, die, glaube ich, größtenteils unterschätzt wird. Deswegen benötigen wir auch keine Ansammlung von Einzelmaßnahmen, sondern Maßnahmen, die in ein größeres System eingefügt werden müssen, damit sie die entsprechenden realen Effekte auf die Unternehmen und auf die Bevölkerung haben.
Auch wenn gemäß Ihren Berechnungen „nur“ Strafzahlungen in Höhe von 4,7 Milliarden Euro drohen – das ist doch ein Batzen Geld, den man damit in den Wind schießen würde. Können wir uns das überhaupt leisten?
Delgado
Wir hatten in der Vergangenheit eine Reihe von Krisen und befinden uns gerade wieder mitten in einer. Ich bin auch Mitglied in der Budgetsektion, wo wir in den letzten Jahren signifikante Geldmittel zur Verfügung gestellt haben, um uns durch diese Krisen zu führen. Aber natürlich wären diese 4,7 Milliarden eine immense Budgetsumme. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir Technologien in Österreich so einsetzen und vorhandene Potenziale so nutzen, dass wir die Dekarbonisierung tatsächlich in Richtung Klimaneutralität bewegen.
Von welchen Technologien sprechen Sie da?
Delgado
Von der Geothermie, von wasserstoffbasierten Technologien bis hin zu Carbon Capture, wo uns in Österreich ebenfalls eine Debatte bevorsteht. Bei all diesen Technologien ist aber klar, dass die Vermeidung von Treibhausgasemissionen noch immer die absolute Priorität hat.
Erlauben Sie mir eine persönliche Frage: Nächstes Jahr haben wir Wahlen, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Es steht zu befürchten, dass neue Regierungen, wie immer sie auch aussehen mögen, Maßnahmen in Sachen Klimaschutz eher zurückfahren als ausbauen werden …
Delgado
Uns stehen unionsrechtliche Verpflichtungen ins Haus. Selbst wenn das Europäische Parlament im kommenden Jahr einen Teil des Green Deals aufweichen möchte, dann sind die Vorgaben noch immer ambitioniert genug, dass wir enorm viel tun müssen. Ich mache mir jedenfalls keine Sorgen, dass das Klimateam in den kommenden Jahren zu wenig Aufgaben haben wird.
Dass Ihre Abteilung aufgelöst werden könnte, fürchten Sie nicht?
Delgado
Ich habe über eine Dekade lang die unterschiedlichsten Situationen miterlebt. Wir haben jetzt einen Finanzminister, der es uns mehr als je zuvor erlaubt, uns wirklich konstruktiv und datenbasiert mit der Thematik auseinanderzusetzen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn ich permanent um meine Zukunft fürchten müsste, würde ich meine tägliche Arbeit nicht machen können. Aber genau das versuchen wir, hoffentlich zum Wohle der Republik.
Es gibt ja auch das schöne Bonmot von den Beamten in den Ministerien, die sagen: Ist mir doch egal, wer unter mir Minister ist.
Delgado
So weit würde ich absolut nicht gehen.
Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).