Buwog-Chef Riedl: "Bei uns gibt's doch tatsächlich Wohnungen ohne Gitterstäbe"

Daniel Riedl ist der Chef eines Unternehmens, das heißt wie ein Skandal. "Man gewöhnt sich an alles", sagt der Vorstandsvorsitzende der börsennotierten Buwog AG im Gespräch mit Michael Nikbakhsh.

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Interview: Michael Nikbakhsh

profil: Herr Riedl, was assoziieren Sie mit dem Begriff Buwog? Riedl: Ein tolles Unternehmen mit einer unglaublichen Geschichte, beginnend nach dem Zweiten Weltkrieg zur Wohnungsversorgung für Beamte. Ab der Privatisierung 2004, ich bin ja danach zur Buwog gestoßen, war's eine Erfolgsgeschichte, die gemeinsam mit dem Team realisiert werden konnte. Sie werden mir zugestehen, dass sich mein Blick deutlich mehr aufs Unternehmen richtet und deutlich weniger auf den Skandal, dem wir den Namen geben dürfen.

profil: Sie könnten mich jetzt umgekehrt fragen, was ich mit dem Begriff Buwog verbinde. Riedl: Was Sie damit gerade selbst gemacht haben. Und wie sehen Sie das?

profil: Ich erspare Ihnen die Antwort. Riedl: Aber nehmen Sie uns wirklich nur auf der Skandalschiene wahr?

profil: Natürlich nicht. Riedl: Das ist doch schon etwas.

profil: Wie fühlt es sich an, Vorstandsdirektor eines Unternehmens zu sein, das einem der größten Korruptionsprozesse der Zweiten Republik den Namen gibt? Riedl: Nicht immer angenehm, aber wie das halt so ist im Leben: Man gewöhnt sich an alles. Der Name Buwog ist ja seit Jahren in den Medien. Entscheidend ist, dass unsere Kunden und Investoren das sehr gut auseinanderhalten können, die wissen ja, dass wir als Unternehmen nichts mit dem Fall zu tun haben. Und wenn wir Aufmerksamkeit schon bekommen, dann nutzen wir sie auch. Weshalb wir vor Weihnachten augenzwinkernd ein paar mehr oder weniger originelle Inserate gemacht haben. Bei uns gibt's doch tatsächlich Wohnungen ohne Gitterstäbe.

profil: Haben Sie je erwogen, den Firmenwortlaut zu ändern? Riedl: Oft, wenn auch nie ernsthaft. Die Frage hat sich ja schon unmittelbar nach der Privatisierung 2004 gestellt: Buwog im Sinne von Bundeswohnungen, wollen wir das? Ich war aber immer der Meinung, dass der Name auf dem Markt etwas darstellt, außerdem wollte ich das andere Thema nicht zwanghaft werden lassen. Das ist eben ein Teil unserer Historie. Von den Organen, die aktuell für die Buwog arbeiten, ist jedenfalls niemand von diesem Prozess betroffen.

profil: Sie werden noch mit dem Buwog-Prozess zu tun bekommen. Sie sind als einer der gut 160 Zeugen vorgesehen. Riedl: Echt? Wusste ich nicht. Wer hat mich nominiert?

profil: Die Staatsanwaltschaft. Riedl: Ich bin tatsächlich noch nie bei einer solchen Veranstaltung gewesen, außer einmal am Arbeitsund Sozialgericht. Ich bin also null gerichtserfahren.

profil: Gute Geschichte fürs Lagerfeuer. Riedl: Davon kann ich dann meinen Kindern erzählen.

profil: Sie kamen nach der Privatisierung 2004 von der Immofinanz in die Geschäftsführung der damaligen Buwog-Bauen und Wohnen GmbH. Das war eine der vier Bundeswohnbaugesellschaften, die en bloc verkauft worden waren. Haben Sie den jetzt mitangeklagten Ernst Karl Plech noch als Aufsichtsratsvorsitzenden der Bauen und Wohnen GmbH erlebt? Riedl: Nicht mehr als Vorsitzenden, aber als einfaches Mitglied war er noch einige Zeit da.

profil: Und wie war er so? Riedl: Ein interessiertes Mitglied, das Fragen gestellt hat.

profil: Karl-Heinz Grasser? Jemals begegnet? Riedl: Nie gesehen, nie die Hand geschüttelt.

profil: Zum besseren Verständnis für unsere Leserinnen und Leser: 2004 wurden im Verantwortungsbereich von Finanzminister Grasser vier Bundeswohnbaugesellschaften mit insgesamt rund 62.000 Wohnungen für zusammen 961 Millionen Euro an ein Investorenkonsortium rund um Raiffeisen Oberösterreich und Immofinanz verkauft. Zwei dieser Gesellschaften, die Wiener Buwog-Bauen und Wohnen GmbH und die Villacher ESG Wohnungs-GmbH mit zusammen 32.000 Wohnungen, landeten schlussendlich bei der Immofinanz. Und ebendiese beiden Gesellschaften bildeten später die Buwog AG. Korrekt? Riedl: Ja, das war die Basis für die spätere Buwog AG. Wobei sich bis zum Börsengang der Bestand und die Struktur der Buwog-Gruppe bereits deutlich geändert, wir in Deutschland massiv Bestände zugekauft und auch einen Berliner Developer übernommen haben.

profil: Wissen Sie noch, wie hoch der anteilige Kaufpreis für die Buwog GmbH und die ESG GmbH war? Riedl: Auf Knopfdruck nicht.

profil: Der Rechnungshof hat das 2007 detailliert: 467,6 Millionen Euro für die Buwog GmbH, 120,4 Millionen Euro für die ESG GmbH, zusammen also rund 588 Millionen Euro. Das war etwas mehr als die Hälfte des gesamten Kaufpreises von 961 Millionen Euro. Riedl: Ohne das jetzt recherchiert zu haben, klingt das schon recht plausibel.

profil: Ende 2017 hat die Vonovia SE die Absicht kundgetan, sich bei der nun börsennotierten Buwog AG einzukaufen, wenn möglich zur Gänze. Die Deutschen sind bereit, gut 3,5 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, um die Aktionäre und die Inhaber von Wandelschuldverschreibungen auszukaufen. In bald 14 Jahren hat das Unternehmen seinen Wert also versechsfacht. Und das, ohne unvertretbare Risiken auf die Bücher genommen zu haben. Entweder sind Sie und Ihre Kollegen Genies - oder die Republik Österreich hat damals zu billig verkauft. Riedl: Ich entscheide mich für Genies.

profil: Das eine schließt das andere allerdings nicht aus. Das soll Ihre Leistungen natürlich nicht schmälern. Riedl: Haben Sie mich gerade gelobt? Das schreibe ich mir ins Tagebuch.

profil: Da müsste dann wohl auch stehen: Die Republik hat 2004 zu billig verkauft. Riedl: Seit damals ist, wie gesagt, so viel passiert, dass die Buwog von heute mit den privatisierten Gesellschaften nicht mehr vergleichbar ist. Wir produzieren sehr ordentliche Produkte, haben noch nie so viele Wohnungen gebaut und zu so anständigen Preisen verkauft, wir haben viel an erfolgreicher Projektentwicklung gemacht, die Expansion nach Deutschland ist gut gelaufen. Wir haben mittlerweile mehr Mitarbeiter, mehr Wohnungen und mehr Projektentwicklungsvolumen in Deutschland als in Österreich. Und wir sind auch ein börsennotiertes Unternehmen. Wir konnten unser Kapital seit dem Börsengang 2014 um 300 Millionen Euro erhöhen, noch einmal 300 Millionen Euro kamen über eine Wandelanleihe herein, was wiederum Wachstum ermöglichte. Seit 2014 haben wir unsere market cap an der Börse von etwas mehr als einer Milliarde Euro auf knapp über drei Milliarden erhöht. Gerade die Effekte aus der Expansion und dem Börsengang verzerren den Vergleich mit den Privatisierungserlösen doch erheblich. Abgesehen davon müsste ich lügen, wenn ich sagte, die Preisentwicklung im Immobiliensektor hätte uns nicht geholfen.

profil: Dazu kommen wir noch. Riedl: Ein Faktor war auch, dass die Immofinanz in den ersten zehn Jahren keine Gewinne entnommen hat, das war für die Unternehmensentwicklung außerordentlich wichtig. Und wir sind, wie Sie ja selbst feststellen, keine unvernünftigen Risiken eingegangen, wir haben immer versucht, sowohl bei den Bestandskäufen, beim Wachstum nach Deutschland wie auch bei der Projektentwicklung ausschließlich im Wohnimmobilienbereich zu bleiben. Wir haben das Unternehmen konservativ, behutsam, aber zum richtigen Zeitpunkt entwickelt. Ich bin richtig stolz auf meine Mannschaft.

profil: Ein bisschen muss ich Sie dann doch vom Genieverdacht befreien. Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics hat kürzlich im Buwog-Prozess ausgesagt, die Privatisierung sei für die Immofinanz das beste Geschäft überhaupt gewesen. Das hatte er mir so bereits in einem Interview 2012 erklärt. Damals sagte er wörtlich: "Die Buwog war das beste Geschäft für die Immofinanz. Der Buwog-Quadratmeter wird von der Immofinanz momentan mit 1000 Euro bewertet, der Einkaufspreis lag bei 500 Euro." Das war rund acht Jahre nach der Privatisierung. Riedl: Ich kann mich gut erinnern, als Karl Petrikovics mich nach der Privatisierung fragte: "Wir haben jetzt die Buwog gekauft, das ist wie ein Zinshausportfolio, da müssen wir jetzt etwas draus machen. Wollen Sie das übernehmen?" Das war die Vorgabe des Eigentümers, und das haben wir recht gut hinbekommen.

Ich war in diese Privatisierung nicht involviert. Faktum ist, dass sie das Ergebnis eines internationalen Bieterprozesses war.

profil: Wie ich es drehe und wende, ich komme immer wieder zu dem Schluss, dass die Republik einstmals zu billig verkauft hat. An dieser Feststellung kommt Herr Grasser nicht vorbei. Ganz gleich, was bei diesem Prozess herauskommt. Riedl: Ich war in diese Privatisierung nicht involviert. Faktum ist, dass sie das Ergebnis eines internationalen Bieterprozesses war.

profil: An dessen Ende tatsächlich niemand bereit war, mehr als 961 Millionen Euro für das gesamte Bundeswohnungs-Paket oder eben 588 Millionen für die Vorläuferinnen der heutigen Buwog AG zu bezahlen. Ich frage mich nur, warum. Riedl: Da kann ich nachhelfen. Es hat mich sehr viel Zeit gekostet, internationalen Investoren das österreichische Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zu erklären. Dadurch, dass die Buwog früher gemeinnützig war, wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die für immer an der Gesellschaft picken. Das heißt, unsere Immobilien taugen nur bis zu einem gewissen Grad zur wirtschaftlich sinnvollen Vermietung, dafür ist das gesetzlich geregelte Mietwachstum einfach zu gering. Daher war der Verkauf von Wohnungen von Anfang an Teil der Strategie. Um sie aber zu Marktpreisen verkaufen zu können, mussten sie leer sein. Nun hatte die Regierung den Buwog-Mietern die Wohnungen vor der Privatisierung zum Kauf angeboten, und das zu Preisen, die für uns wirtschaftlich nicht darstellbar gewesen wären, weil so niedrig. Die Resonanz unter den Mieter war trotzdem bescheiden. Die zentralen Fragen aus Sicht der Käufer waren also: Wie viele Wohnungen bekommen wir in den kommenden Jahren leer zurück? Zu welchen Konditionen und über welche Vertriebskanäle können wir diese anschließend verkaufen?

profil: Wie viele dieser früheren Bundeswohnungen sind heute noch im Buwog-Bestand? Übernommen hatten Sie damals ja rund 32.000 Einheiten. Riedl: Heute sind es nicht mehr ganz 21.000.

profil: Sie haben also in nicht ganz 14 Jahren etwas mehr als 10.000 Wohnungen verkauft? Riedl: In etwa, ja. Das war aber nicht nur der Verkauf einzelner Wohnungen, sondern wir haben auch ganze Objekte erfolgreich vermarktet.

profil: Da war also doch einiges möglich. Riedl: Aber dafür muss ich mich ja hoffentlich nicht schuldig fühlen. Das Geschäft 2004 erforderte Mut und Zuversicht, wovon die Immofinanz offenbar mehr hatte als die anderen Interessenten.

profil: Wohnen in Wien ist mittlerweile bizarr teuer. Wo darf ich mich beschweren? Riedl: Nicht bei mir. Ich bin Kaufmann, mein Anspruch ist es nicht, möglichst billig zu verkaufen. Wir sind allerdings auch keine Landbanker. Wir kaufen Grundstücke, um darauf Wohnungen zu bauen, um diese zu verkaufen oder zu vermieten. Wir haben ein Projekt am Hauptbahnhof entwickelt, das ist vor ungefähr zwei Jahren fertig geworden. Wir haben die Einheiten in weiterer Folge um schwache 4000 Euro am Quadratmeter verkauft. Bei den aktuellen Grundstückspreisen am Hauptbahnhof werden die Preise demnächst bei 6000, 6500 Euro liegen.

Ich bin nicht naiv. Mir ist schon klar, dass die Immobilienpreise deutlich stärker gestiegen sind, als die Geldbörsen unserer Kunden größer wurden.

profil: 300.000 Euro aufwärts für eine 50 Quadratmeter große Neubauwohnung am Hauptbahnhof? Riedl: Ich bin nicht naiv. Mir ist schon klar, dass die Immobilienpreise deutlich stärker gestiegen sind, als die Geldbörsen unserer Kunden größer wurden. Es liegt auf der Hand, dass bei diesen Preisen nicht mehr allzu viele Menschen mitkönnen. Unsere Entscheidung war daher, dass wir in der 4000-Euro-pro-Quadratmeter-Liga bleiben. Wir bauen jetzt zum Beispiel in der Seestadt Aspern. Drei Häuser direkt am Wasser, ein hohes, zwei flachere, U-Bahn-Anschluss. Ich denke, das wird ganz fesch dort.

profil: 4000 Euro je Quadratmeter am äußersten Wiener Stadtrand erscheinen mir jetzt auch nicht rasend preiswert. Riedl: Ich verstehe, dass die Leute heiß sind auf Landbanker, die Grundstücke aufkaufen, diese dann ein paar Jahre liegen lassen, nur um sie anschließend um ein Vielfaches zu verkaufen. Ich erzähle seit Jahren, dass wir mehr Druck auf den Grundstücksmarkt bräuchten. Es gibt viel zu viele Grundstücke, die man bebauen könnte, aber die Leute, die sie besitzen, sagen: "Wieso soll ich verkaufen, was soll ich mit dem Geld bei fast null Zinsen?" Das bisschen Grundsteuer, das sie zu bezahlen haben, ist zu wenig Anreiz, um zu verkaufen. Wenn man also auf diese Landbanker geht, müsste man die Grundsteuer auf unbebaute Grundstücke massiv erhöhen.

profil: Die Grundbesitzer, die Grundsteuer und die Fiskalpolitik - eine verzwickte Gemengelage. Da geht doch seit Jahren nicht wirklich etwas weiter. Riedl: Meines Erachtens ist das aber der einzige sinnvolle Weg, um der Preisentwicklung zu begegnen. Wenn man stattdessen versucht, Preise zu regulieren, wird man damit kein Volumen regulieren. Das funktioniert einfach nicht.

profil: Kommen wir noch einmal auf das Buwog-Übernahmeangebot der deutschen Vonovia-Gruppe zu sprechen. Sie haben Ihren Investoren empfohlen, das Angebot anzunehmen. Warum? Riedl: Es ist nicht so, dass ich mir diese Transaktion gewünscht habe. Ich hätte es aber umgekehrt auch nicht verantworten können, dieses Angebot nicht an unsere Aktionäre heranzulassen. Das Ende des Vorjahres angekündigte Vonovia-Angebot liegt knapp 16 Prozent über dem Buwog-Durchschnittskurs der sechs Monate davor, das ist wirklich attraktiv.

Ohne jetzt kokett wirken zu wollen: Vonovia hatte die Personalie Riedl zu einer Vorbedingung gemacht.

profil: Daneben winkt Ihnen allerdings auch ein Job im Vorstand der deutschen Vonovia SE mit Sitz in Bochum. Sie haben also ein starkes persönliches Interesse am Zustandekommen dieses Geschäfts. Riedl: Also deshalb habe ich das ganz sicher nicht empfohlen, da könnte ich meinen Aktionären ja nicht mehr in die Augen schauen. Weder sah meine persönliche Lebensplanung einen Job in Bochum vor, noch in einem DAX-30-Konzern. Ohne jetzt kokett wirken zu wollen: Vonovia hatte die Personalie Riedl zu einer Vorbedingung gemacht.

profil: Vonovia hat bereits die Wiener Immobiliengruppe conwert übernommen. Jetzt ist mit Blick auf den geplanten Buwog-Deal von "Synergien" die Rede. Könnten Sie das übersetzen? Riedl: Der Plan ist, dass wir in Österreich den früheren conwert-Bestand von Vonovia übernehmen, in Deutschland soll es umgekehrt laufen. Vonovia verwaltet in Deutschland etwa 350.000 Wohnungen, wir werden unsere rund 27.000 Einheiten in diese Struktur einbringen. Das wird für unsere Mitarbeiter in Deutschland, die in der Bestandsbewirtschaftung tätig sind, gravierende Auswirkungen haben.

profil: Von zuletzt annähernd 800 Buwog-Mitarbeitern werkte knapp mehr als die Hälfte in Deutschland. Gravierende Auswirkungen heißt? Riedl: Leider heißt das Personalabbau.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.