„Je länger, desto besser“

Causa „Terminal Tower“: Justiz führt neben Karl-Heinz Grasser 27 weitere Beschuldigte

Affäre. Die Justiz führt im Fall „Terminal Tower Linz“ neben Karl-Heinz Grasser 27 weitere Beschuldigte

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Horst Franz Pöchhacker; langjähriger Generaldirektor des Baukonzerns Porr, seit 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der ÖBB Holding AG; Vertrauter von SPÖ-Kanzler Werner Faymann; Beschuldigter.

Ludwig Scharinger; langjähriger Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Vertrauter von Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer; seit 2012 erster Stellvertreter Pöchhackers im ÖBB-Aufsichtsrat; Beschuldigter.

Franz Dobusch, bis November 2013 SPÖ-Bürgermeister der Stadt Linz; Beschuldigter.

Klaus-Peter Luger, seit November 2013 SPÖ-Bürgermeister der Stadt Linz; Beschuldigter.

Karl-Heinz Christian Grasser, Bundesminister für Finanzen a. D., Beschuldigter.

Walter Johann Meischberger, Peter Leo-pold Hochegger, Ernst Karl Plech; Grassers Freundeskreis; Provisionäre; Beschuldigte.

Diese prominenten Herren sind Teil eines größeren Ganzen. Zusammen mit anderen Verdächtigen sollen sie 2006 ein für die Republik Österreich nachteiliges Immobiliengeschäft eingefädelt haben. Untreue, Bestechung, Bestechlichkeit. Amtsmissbrauch. So sieht das die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Seit 2011 führt die Behörde ein Ermittlungsverfahren im Komplex „Terminal Tower Linz“, das mittlerweile abgeschlossen ist. Und was mit einem nur vagen Anfangsverdacht begann, hat sich zu einem Fall mit nicht weniger als 28 mutmaßlichen Akteuren ausgewachsen. Neben den acht Genannten handelt es sich um aktive oder ehemalige Angestellte der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (acht Personen), Porr (sieben Personen) sowie Raiffeisen Leasing (fünf Personen).
Vor nunmehr drei Monaten, am 11. Jänner, setzte die „Sonderkommission Constantia“ des Bundeskriminalamtes einen Schlusspunkt unter ihre mehrjährigen, alles andere als einfachen Ermittlungen. In ihrem 91-seitigen „Abschlussbericht“ an die WKStA notierten die Beamten: „Im Ermittlungsverfahren zum Faktum Terminal Tower/Porr, AZ 12St16/11y wird abschließend berichtet, dass sämtlichen Aufträgen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption in diesem Zusammenhang entsprochen wurde und die Ermittlungen abgeschlossen sind.“ Und weiter: „Ausgehend von der bisher vorhergegangenen Vorberichterstattung darf mitgeteilt werden, dass sich die Verdachtslage hinsichtlich der … Tatbestände gegen die Hauptbeschuldigten Mag. Karl-Heinz Grasser, Ing. Walter Meischberger, Ernst Karl Plech sowie Dr. Peter Hochegger, sowie den anderen Beschuldigten erhärtet hat.“

Die Akte Terminal Tower liegt profil vollständig vor. Sie umfasst mehrere tausend Seiten respektive rund fünf Gigabyte Daten. Im Kern geht es dabei um einen Immobiliendeal aus dem Jahr 2006. Der Baukonzern Porr (Generaldirektor Pöchhacker) und die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (Generaldirektor Ludwig Scharinger) sollen den Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger 200.000 Euro gezahlt haben, um mit dem Finanzministerium (Minister Grasser) ins Geschäft zu kommen. Die Stadt Linz wiederum (Bürgermeister Dobusch sowie der damalige Stadtrat und spätere Nachfolger Luger) soll ein Konkurrenzprojekt gezielt verzögert haben, um so den Weg für Porr und Raiffeisen freizumachen.

Die Beschuldigten haben die Vorwürfe stets mit aller Vehemenz bestritten – in Einvernahmen, in öffentlichen Statements, gegenüber dem parlamentarischen Korruptionsausschuss 2012.

Miete soll überhöht gewesen sein
Fest steht: Im März 2006 schloss das Finanzministerium einen zunächst auf 15 Jahre ausgelegten Mietvertrag mit der Linzer Immobiliengesellschaft Terminal Tower KEG ab – damals eine gemeinsame Tochter von Porr, Raiffeisen Oberösterreich und Raiffeisen Leasing. Mietgegenstand: 15.858 Quadratmeter Büro- und Lagerflächen sowie 92 Parkplätze für die oberösterreichischen Finanz- und Zollämter in einem (2008 fertiggestellten) Hochhaus am Linzer Hauptbahnhof, dem Terminal Tower. Nettomonatsmiete: rund 162.000 Euro – nach Auffassung der Justiz soll die damals vereinbarte Miete von 9,9 Euro je Quadratmeter überhöht gewesen sein.

Fest steht auch, dass Peter Hochegger 2007 von einer Porr-Tochter 200.000 Euro Honorar erhielt – offiziell für eine Studie „zur bestmöglichen Vorgangsweise bei der Evaluierung der neuen Märkte in Hinblick auf beabsichtigte Projektentwicklungen insbesondere im Bereich Büro-, Hotel-, Logistik- und Einkaufszentrumsimmobilien“.

Fest steht schließlich, dass dieses Honorar den gleichen – steuerfreien – Weg nahm, wie die notorischen und ungleich höheren Buwog-Provisionen. Von der Porr zu Hocheggers Briefkasten „Astropolis“ auf Zypern; Hochegger behielt zehn Prozent ein und transferierte den Rest, 180.000 Euro (abzüglich Bankspesen), auf ein Liechtensteiner Konto des von Meischberger genutzten US-Briefkastens „Omega“. Meischberger verteilte die Gelder (jeweils rund 60.000 Euro) schließlich auf drei weitere Liechtensteiner Konten, bekannt als „Karin“, „Natalie“ und „Walter“. Längst ist erwiesen, dass Konto „Karin“ Ernst Karl Plech zuzurechnen war, Konto „Natalie“ Walter Meischberger. Doch das dritte Konto ist bis heute ein Mysterium. Die Justiz geht zwar davon aus, dass Konto „Walter“ für niemand anderen als Karl-Heinz Grasser eingerichtet und geführt wurde – kann das aber selbst nach Jahren hartnäckiger Ermittlungen nicht belegen (formell war nur Meischberger auf diesem Konto zeichnungsberechtigt).
So gesehen war und ist Konto „Walter“ der Knoten in den Ermittlungssträngen Buwog und Terminal Tower. Gelingt es am Ende nicht, die Zahlungsflüsse lückenlos bis zu KHG zu dokumentieren, kann die vermutete Bestechung des damaligen Finanzministers in zumindest zwei Fällen nicht bewiesen werden. Im Falle einer Anklageerhebung – eine Entscheidung dazu steht noch aus – müssten es die Ankläger auf Indizien ankommen lassen.

Ein riskantes Unterfangen.

Indizien, dass bei diesem Immobiliengeschäft längst nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein dürfte, gibt es allerdings zuhauf. Sie ergeben sich aus den teils diametralen Aussagen der beteiligten Manager von Porr und Raiffeisen Oberösterreich. So etwa Friedrich G., der frühere Geschäftsführer einer am Bau des Terminal Tower Linz beteiligten Porr-Tochter. Am 18. November 2013 sagte er – ebenfalls ein Beschuldigter – zum wiederholten Male vor der Soko aus. Und er blieb bei jener Schilderung, die er den Ermittlern 2012 erstmals offenbart hatte: „Meines Wissens gab es mündliche Vereinbarungen zwischen der Gruppe Hochegger und dem Porr-Holding-Vorstand, respektive GD Pöchhacker, wonach die Gruppe Hochegger mit einer Marktstudie beauftragt werden sollte … Ich bekräftige, dass GD Pöchhacker mich in einem Gespräch/Telefonat beauftragt hat, die Studie zu beauftragen und mich dann in weiterer Folge nach Rücksprache mit ihm beauftragt hat, die Rechnung anzuweisen … Auf Befragen inwieweit DI Pöchhacker operativ beim Terminal Tower eingebunden war, gebe ich an, dass dieser über die wesentlichen Entscheidungen des Projekts informiert und eingebunden war.“ Pöchhacker bestreitet das. In einem profil-Interview im Oktober 2012 sagte er wörtlich: „Erstens war ich bei der Errichtung des Terminal Tower operativ nie tätig. Zweitens habe ich diese Hochegger-Rechnung erstmals bei einer Einvernahme 2010 gesehen.“ Am 8. August des Vorjahres erneuerte er diese Aussage: „Ich war in diese Transaktion nie involviert und habe daher auch keine eigene Wahrnehmung. Diese Rechnung sah ich das erste Mal im Zuge des Ermittlungsverfahrens. Ich habe sie weder angeordnet, gutgeheißen, freigegeben oder abgezeichnet und diesbezüglich auch keine Weisungen erteilt.“

Aussage gegen Aussage also.

„Provisionen waren nie und nimmer vereinbart“
Im Herbst 2011 hatte die Soko Constantia übrigens die Telefone des ÖBB-Aufsichtsratschefs drei Wochen lang angezapft – dabei jedoch keine verwertbaren Hinweise erhalten.
Auch Ludwig Scharinger hat Erklärungsbedarf. Nachdem Porr die 200.000 Euro an Hochegger bezahlt hatte, soll der Betrag intern an Raiffeisen Oberösterreich weiterverrechnet worden sein; auf Grundlage eines mündlichen Arrangements zwischen Pöchhacker und Scharinger. Der nunmehr pensionierte Banker – er gilt seit einem schweren Sturz im Vorjahr nicht länger als vernehmungs- und wohl auch nicht mehr als verhandlungsfähig – hat in Einvernahmen und gegenüber dem U-Ausschuss wiederholt jedwede Unregelmäßigkeit bestritten.
Dem steht wiederum eine bei Hausdurchsuchungen sichergestellte E-Mail-Korrespondenz zwischen leitenden Porr- und Raiffeisen-Angestellten aus dem Jahr 2006 gegenüber. So schrieb etwa der Porr-Manager Josef W. am 29. November 2006 an zwei Empfänger bei Raiffeisen: „Ich wurde seitens unserer Generaldirektion informiert, dass als Ergebnis des Mietvertrages mit der Finanz eine Vermittlungsprovision an Herrn Meischberger in Höhe von EUR 200.000,- zu zahlen sei … Dies sei auch bereits dem Grunde nach der GF RL (Anm. Geschäftsführung Raiffeisen Leasing) und Vorstand RLB OÖ bekannt.“

Ludwig Scharinger bestätigte zwar, in Zusammenhang mit dem Projekt Terminal Tower sowohl mit Horst Pöchhacker als auch mit dem Finanzministerium (Karl-Heinz Grasser und der verstorbene Sektionschef Peter Quantschnigg) Kontakt gehabt zu haben, betonte später aber immer wieder: „Provisionen waren nie und nimmer vereinbart.“

Scharingers Umtriebigkeit führte jedenfalls dazu, dass nun auch der damals verantwortliche Linzer SPÖ-Bürgermeister Franz Dobusch und dessen Nachfolger Klaus Luger (damals Stadtrat für Raumplanung und Baurecht) als Beschuldigte im Ermittlungsverfahren aktenkundig sind. Sie sollen auf Intervention des Raiffeisen-Bankers ein kommunales Genehmigungsverfahren zu einem Büroprojekt der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) in der Linzer Sonnensteinstraße in die Länge gezogen haben, um eine allfällige Konkurrenz zum Terminal Tower gar nicht erst entstehen zu lassen. Der Verdacht: Amtsmissbrauch.
Dobusch hat den Vorwurf der „unsachlichen Verzögerung“ öffentlich bereits entschieden zurückgewiesen – und spricht von einem „aufgelegten Blödsinn“. Seiner und Lugers Darstellung zufolge sei zum damaligen Zeitpunkt „für die Sonnensteinstraße gar kein fertiges Projekt vorgelegen“.
Tatsache ist aber, dass Raiffeisen Oberösterreich auffallend großes Interesse daran hatte, das BIG-Projekt nicht in die Gänge kommen zu lassen. Dokumentiert etwa in einem E-Mail aus 2006, verschickt von einem Manager der RLB-Tochter Real Treuhand (diese war an der Errichtung des Terminal Tower beteiligt) an einen Kollegen: „Die Finanz hat nun von der BIG einen Brief erhalten, wo angeboten wird, dass das Projekt Linz bis Ende 2006 baubewilligt ist und bis September 2009 das Gebäude bezugsfertig ist. Die Finanz umgehend eine Anfrage an Bgm. Dobusch hinsichtlich der zu erwartenden Bewilligungsfrist senden. Wichtig ist, dass Bgm. Dobusch umgehend antwortet und am besten als Zeit mind. 24. Monate bis zur Baubewilligung angibt. Je länger, desto besser.“
Tatsächlich setzte Ludwig Scharinger selbst am 3. Februar 2006 einen Brief an das Finanzministerium ab. Empfänger: Sektionschef Peter Quantschnigg: „Lieber Peter, ich habe heute nochmals mit Bürgermeister Dr. Franz Dobusch telefoniert. Er hat wieder bestätigt, wenn die BIG in der Sonnensteinstraße bauen will und sich um eine Baubewilligung bemüht, dann wird das ca. 2 Jahre dauern … Im Klartext heißt das: 2 Jahre Genehmigungsverfahren + 2 Jahre Bauzeit. Der Bahnhofsturm ist bereits genehmigt.“

Am 29. März 2006 wurde der Mietvertrag zwischen der Terminal-Tower-Gesellschaft und der Republik Österreich unterzeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.