Die Eurofighter-Liste

Seit Februar wartet die Justiz vergeblich auf Informationen von US-Behörden über „politische Zuwendungen“ und „Provisionen“ rund um den Kampfjet-Kauf. profil liegt eine Liste vor, auf der auch der SK Rapid zu finden ist.

Drucken

Schriftgröße

Es war eine Nachricht, die in der Affäre um die österreichischen Eurofighter einem politischen Überschallknall gleichkam: Am 8. Februar 2020 deckte profil auf, dass der Luftfahrtkonzern Airbus gegenüber US-Behörden „politische Zuwendungen“ und andere nicht deklarierte Zahlungen rund um den Kampfjet-Verkauf an Österreich zugegeben hatte – und zwar im Gesamtausmaß von gut 55 Millionen Euro.

Wer durfte rund um den Jet-Deal, der Österreich letzten Endes rund 1,7 Milliarden Euro kostete, derart großzügig abheben? Die erstaunliche Antwort: Die österreichische Justiz wartet ein Dreivierteljahr später immer noch vergeblich auf eine offizielle Mitteilung aus den USA. Und das ist längst nicht die einzige Paradoxie, die in Zusammenhang mit den – bis dato eher glücklosen – heimischen  Aufklärungsversuchungen  aktuell zutage tritt.

Ende Jänner 2020 schloss Airbus mit der US-Justiz einen strafrechtlichen Vergleich. Dieser bezog sich auch auf den umstrittenen Verkauf der Eurofighter-Kampfjets an das Bundesheer im Jahr 2003. Die damalige Jet-Firma EADS ist mittlerweile im Airbus-Konzern aufgegangen. Gegenüber den USA gab Airbus unter anderem Verstöße gegen US-Rüstungsexportgesetze zu. Die sogenannten International Traffic in Arms Regulations (ITAR) sehen nämlich vor, dass das US-Außenministerium beim Export bestimmter Rüstungsgüter darüber informiert werden muss, ob politische Zuwendungen, Honorar oder Provisionen geleistet wurden. Eines der Ziele dieser Vorschrift: unzulässige Beeinflussung verhindern.

Die Eurofighter beinhalten Teile, die unter die ITAR-Regeln fallen. Insgesamt habe Airbus diesbezügliche Zahlungen an 14 Einzelpersonen, Berater oder Organisationen geleistet, geht aus US-Gerichtsdokumenten hervor. Airbus beziehungsweise „seine Verkäufer“ hätten rund 55 Millionen Euro an entsprechenden politischen Zuwendungen, Honoraren oder Provisionen „bezahlt, angeboten oder zu zahlen akzeptiert“.

Um herauszufinden, wer die Empfänger sind, verfasste die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der 2019 die Endlos-Causa Eurofighter justizintern übertragen wurde, einige Tage nach dem profil-Bericht ein Rechtshilfeersuchen an die USA.                                 
Die Antwort sei noch ausständig, heißt es auf Nachfrage von profil seitens der WKStA.  

Die österreichische Justiz muss sich demnach bisher auf Angaben verlassen, die von Airbus selbst stammen. profil liegt nunmehr eine entsprechende Liste mit Zahlungen vor. Die größten Empfänger waren demnach die beiden Hauptlobbyisten S. und P. beziehungsweise Firmen aus ihrem Umfeld. An die beiden Strippenzieher flossen insgesamt rund 28,5 Millionen Euro. Bei den weiteren Geldempfängern handelt es sich großteils um PR- und Lobbyingagenturen  sowie um andere Personen und Firmen, die unter der Bezeichnung „Berater“ unterwegs waren. Mitunter ist deren konkrete Leistung bis heute höchst unklar.
 Besonders bemerkenswert scheint, dass sich der SK Rapid Wien beziehungsweise dessen Betriebsgesellschaft auf der Liste findet – und zwar mit 4,05 Millionen Euro. Rapid erhielt das Geld bekanntermaßen auf Basis von Sponsorverträgen. Dass Airbus die Zahlungen gegenüber den USA nunmehr im Rahmen der Ausfuhrbestimmungen deklariert hat, wirft Fragen auf.

Eine Rapid-Sprecherin erklärte auf Anfrage von profil, man habe „keinerlei Leistungen im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Verkauf an Österreich erbracht“. Damit fällt die Möglichkeit, dass es sich um eine Provision oder um ein Honorar gehandelt hätte, denklogisch weg. Sofern die Zahlungen – wie in den USA gemeldet – tatsächlich in Zusammenhang mit dem Eurofighter standen, bliebe eigentlich nur die Variante, dass das Geld als „politische Zuwendung“ einzustufen ist. Bekanntermaßen gab es bei EADS durchaus Ideen, über Rapid an fußballbegeisterte damalige SPÖ-Politiker heranzukommen – interner Codename: die „roten Vier“. Rapid habe sich nichts vorzuwerfen, heißt es seitens des Fußballklubs. Man betont, dass es sich um ein völlig rechtskonformes Sponsoring-Vertragsverhältnis gehandelt habe. Airbus beantwortet diesbezügliche Fragen – zunehmend unwirsch – damit, dass man diese „nicht weiter kommentieren“ werde.

Ebenfalls auf der Empfängerliste findet sich eine Briefkastenfirma namens City Chambers Limited. An sie gingen insgesamt rund acht Millionen Euro auf Basis eines Beratervertrags. In Leistungsberichten für angeblich erbrachtes Lobbying fanden sich dann Namen wie „Lüssel“, „Laider“, „Lasser“ und „Wartenstein“ – durchaus ähnlich, aber doch nicht ganz übereinstimmend mit damals tatsächlich an den Schalthebeln der Macht sitzenden Personen. Später ließ der Lobbyist, der hinter City Chambers stand, verlauten, sein Auftrag habe sich darauf beschränkt, zu verhindern, dass Jörg Haider den Eurofighter-Deal platzen ließ.

Die WKStA ermittelt diesbezüglich gegen drei Personen – bald vielleicht aber nur noch gegen zwei. Der einzige EADS-Vertreter unter den Beschuldigten, Herr B.,  hat gute Chancen, nicht vor Gericht zu müssen – selbst wenn es gegen die anderen beiden eine Anklage geben sollte. Die österreichische Justiz will das Verfahren in Bezug auf B. nämlich an Frankreich abtreten. Sie sieht keinen Tatbeitrag von B. in Österreich, er soll jedoch bei der Unterzeichnung des Beratervertrags in Paris anwesend gewesen sein.

Allerdings wurde der Vertrag, bei dem es sich laut Verdachtslage um einen Scheinvertrag handelte, bereits 2003 unterschrieben. Gut möglich, dass ein allfälliger Vorwurf in Frankreich verjährt ist. So genau weiß das aber niemand. Dem Vernehmen nach hat das Gericht, das für das sogenannte Übergabeverfahren zuständig ist, nun eigens einen Sachverständigen bestellt, der die Verjährungsfrage klären soll. Sollte die Causa in Frankreich verjährt sein, kann sie wahrscheinlich auch hierzulande nicht gegen B. weiterverfolgt werden. B. und alle anderen Betroffenen bestreiten jegliches Fehlverhalten.

In den USA muss Airbus für sämtliche ITAR-Verstöße – darunter auch jene mit Österreich-Bezug – rund 233 Millionen US-Dollar Strafe zahlen. In München fasste die Jet-Firma 2018 ein Bußgeld von 81,25 Millionen Euro aus, da es seinerzeit an geeigneten Kontroll- und Sicherungssystemen gemangelt habe, um „Geldflüsse für unklare Zwecke“ wirksam zu verhindern. Und in Österreich, das über den Kaufpreis diverse dubiose Zahlungen letztlich finanziert hat? Hier gab es bisher keinerlei rechtliche Konsequenzen.

 

 

 


 

 

 

    

 

 

 

 

    

 

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).